
Erstmals in der Geschichte Polens seit 1989 wurde eine amtierende Regierung von den polnischen Wählern wiedergewählt. Seit 2007 regiert Donald Tusk von der liberalkonservativen „Bürgerplattform“ (PO) zusammen mit der eher konservativen Bauernpartei „Polnische Volkspartei“ (PSL). In der Opposition standen von 2007 bis 2011 die rechtskonservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) und der sozialdemokratische „Bund der Demokratischen Linken“ (SLD). Das Wahlergebnis sieht folgendermaßen aus:
2011 (%) | +/- | Sitze (von 460) | +/- | |
PO | 39,2 | -2,3 | 207 | – 2 |
PSL | 8,4 | -0,5 | 28 | – 3 |
PiS | 29,9 | -2,2 | 157 | – 9 |
SLD | 8,2 | -5,1 | 27 | – 26 |
RP | 10,0 | +10,0 | 40 | + 40 |
Sonstige | 4,4 | +0,1 | 1 (dt. Mind.) | 0 |
Die größte Überraschung der Wahl war der große Erfolg der strikt antiklerikalen „Bewegung Palikots“ (RP), die als Abspaltung der PO eine klare liberale Gesellschaftspolitik in einem bislang als streng katholisch eingestuftem Land verfolgte und so auf Anhieb auf zehn Prozent der Stimmen kam. Mit Forderungen wie weniger Einmischung der Kirche in den Staat, mehr Rechte für Homosexuelle, Lockerung des Abtreibungsverbots und kostenlosem Zugang zu Verhütungsmitteln konnte sie insbesondere in den Großstädten und bei eher linken Wählern punkten. Die Linke ist in Polen wie in vielen osteuropäischen Ländern noch immer diskreditiert; dem Bund der Demokratischen Linken wird noch immer seine kommunistische Vergangenheit oder die relativ erfolglose Regierungszeit unter Leszek Miller (2001-2004) vorgeworfen. Ein Vergleich mit der deutschen Piratenpartei erscheint nur oberflächlich als berechtigt: Zwar sprechen beide Parteien ähnliche Zielgruppen an (junge Großstädter), doch inhaltlich haben sie unterschiedliche Schwerpunkte (antiklerikale Gesellschaftspolitik vs. Freiheit im Internet/Bürgerfreiheit/Transparenz im Staatshandeln).
Aber merke auf: „Die RP scheint das ungeschminkte und nicht länger getarnte Sammelbecken der polnischen Radikalliberalen und Resten des alten Kommunismus zu sein.“ (Katzenjammer nach Polen-Wahl von „Katholisches“; hier jammern selbst ernannte Lebensschützer über diese angeblich kommunistisch angehauchten Kirchenfeinde). Die Spaltung Polens in einen liberaleren Westen und katholisch-konservativen Osten lässt sich hier gut sehen.
Quellen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Parlamentswahlen_in_Polen_2011#WD_e_back
http://de.wikipedia.org/wiki/Parlamentswahlen_in_Polen_2007
http://www.jungewelt.de/2011/10-11/030.php
http://nachrichten.rp-online.de/politik/polen-staerken-premier-tusk-1.2417922
