
Heute folgt der zweite Teil meiner Leseprotokolle, in denen ich Beiträge aus der aktuellen Ausgabe der Z. Zeitschrift für Marxistische Erneuerung zusammenfasse (zu Teil 1 hier). Aus meiner Sicht wichtige Aussagen sind wieder fett hervorgehoben. Übrigens waren auch in Jungen Welt in letzter Zeit wieder interessante Beiträge zum Thema Digitalisierung der Arbeit zu lesen: Arbeitshetze 4.0 (von Marcus Schwarzbach, der auch in der Z geschrieben hat), Unsterblichkeit als Parteiprogramm (von Thomas Wagner, über die Gründung einer Partei der Transhumanisten).
2) Peter Brödner: Industrie 4.0 und Big Data, in: Zeitschrift Marxistische Erneuerung, H. 103/2015, S. 75-84.
These: Industrie 4.0 sei zunächst erst einmal ein „medialer Hype“ (75)
→ technikzentrierter Begriff Industrie 4.0 verdecke Sicht auf „viel wirkmächtigeren sozialen, organisatorischen und institutionellen Strukturwandel“ (75)
- gegen technologischen Determinismus: nicht technische Revolutionen bestimmen gesellschaftliche Entwicklung, sondern: technische Systeme sind bestimmt durch gesellschaftliche Bedürfnisse und Interessen (ebd.)
- 2 Prozesse kennzeichnen 250 Jahre Industrialisierung:
- Mechanisierung spezialisierter Handarbeit
- Maschinisierung von Kopfarbeit durch algorithmische Verarbeitung von Daten (75f.)
- Beides gehe mit „Verwissenschaftlichung von Produktion“ einher (76)
Einige Definitionen:
- Eingebettete Systeme: „Das sind mittels Computern digital gesteuerte physische Prozesse, die mit Schnittstellen zum Menschen und anderen Systemen ausgestattet sind (z. B. […] Autopiloten, Motormanagement).“
- Multiagentensysteme (MAS): „[…], die aus begrenzt autonom und lernfähigen (Software-)Agenten bestehen und über Datenaustausch zielorientiert miteinander interagieren, um durch koordinierte Aktionen auch komplexe Aufgaben zu bewältigen.“ (76)
- „Unter der Bezeichnung Big Data wird üblicherweise die schnelle Analyse sehr großer und vielfältiger, mehr oder weniger strukturierter Datenbestände für Aktionen, Planungen und Prognosen verstanden.“ (77)
→ mit solchen technischen Grundlagen werden Aufgaben bewältigt, die in 1980er schon mit CIM (computer-integrierter und wissensbasierter Produktion) erfüllt werden sollten;
Schon damals technikzentrierte Sicht mit viel (voreiliger) Euphorie (77)
- Dabei werde Erfahrung ignoriert, dass Produktivität nur aus Kombi von PC-Einsatz, organisatorischer Restrukturierung, Lernen und Investieren in Arbeitsverfahren sowie Arbeitskräften gesteigert werden kann → Technik allein bringt keine Produktivitätsschübe (77f.)
- Technikeuphorie gründe meist nur auf erheblich gesteigerte Rechenleistungen od. spektakuläre Einzelinnovationen wie selbstfahrende Autos
- Problem von MAS: sollen menschl. Arbeit ersetzen, doch wenn MAS ausfallen, müssen Menschen wieder eingreifen → aber „das menschliche Arbeitsvermögen schwindet aber dahin, je weniger es im automatisierten Normalbetrieb gebraucht wird.“ (79)
- Ethische Fragen werden ignoriert: Dürfen solche unberechenbare Systeme überhaupt zugelassen werden? Wie ihren sicheren Betrieb garantieren? Wer ist für Schäden aus falschem MAS-Verhalten haftbar zu machen?
- Durch Verwissenschaftlichung der Produktion werde Wettbewerb weniger über Preise als über Qualität und v.a. Innovationen ausgetragen (79)
- Probleme im Umgang mit Big Data:
- Verwechslung von kontextfreien Daten mit bedeutungsvollen Informationen aus kontextabh. Interpretation → Irrglaube, dass Daten allein Bedeutung haben
- Mit Daten werden Objektivität und Faktizität suggeriert, die erst mit Vorliegen des (nicht-verfügbaren) vollständigen Kontextes geschaffen werden können
- Mangelnde Datensicherheit: Risiken für Unternehmen durch Datenverlust (durch Spionage/Cyberattacken von außen od. innen) (S. 81)
- 2 Perspektiven bei Entwicklung und Einsatz von Computersystemen in Produktion:
- „Die technikzentrierte AI-Perspektive weitestgehender Automatisierung von Wissensarbeit“ (z. B. KI, MAS, Big Data), die menschl. Arbeitsvermögen in der Produktion nachahmen und ersetzen möchte [AI = Artificial Intelligence]
- Die angeleitete IA-Perspektive, die auf fortgeschrittene Digitaltechnik abzielt, die die lebendige Arbeit so unterstützt, dass die Entfaltung von menschl. Arbeitsvermögen gefördert wird (82) [IA = Intelligent Artification]
