Diese Serie ist den Frauen gewid­met, die einen Bezug zu Halle haben. Ob hier gebo­ren, auf­ge­wach­sen oder stu­diert, meist prä­gen die­se Persönlichkeiten über die Stadt hin­aus Kunst, Gesellschaft und Kultur. Diesmal geht es um Claudia Walde ali­as MadC, die zu den der­zeit bekann­tes­ten Graffitikünstlern der Welt zählt.

Graffiti sind welt­weit aus den Stadtbildern kaum noch weg­zu­den­ken. Hauswände, Brückenpfeiler oder leer­ste­hen­de Gebäude, kaum eine ver­füg­ba­re Oberfläche ent­kommt der Sprühfarbe. Je schwe­rer der Ort zu errei­chen ist, des­to höher ist das Ansehen, das der Künstler in der Szene gewinnt. Allerdings sto­ßen die Kunstwerke in der Gesellschaft nicht nur auf posi­ti­ve Resonanz.

Erst im Verlauf des 21. Jahrhunderts wur­de Street Art, ein Oberbegriff, der unter ande­rem auch Graffiti umfasst und in der Fachsprache erst seit 2005 exis­tiert, als Kunstrichtung wahr­ge­nom­men. Bis heu­te ist kei­ne ande­re Kunstrichtung so umstrit­ten wie die­se. Mittlerweile wer­den Spots für Street-Art-Künstler frei­ge­ge­ben; trotz­dem ist es kei­ne Seltenheit, dass ille­gal Flächen besprüht wer­den, was in den meis­ten Fällen als Vandalismus ange­se­hen wird und auf star­ke Kritik stößt.

Allerdings gibt es vie­le Fans, die ihre Fassaden sogar zur Verschönerung bereit­stel­len. Aber nur weni­ge Künstler haben das Glück, den Sprung von der Straße auf den Kunstmarkt zu schaf­fen. Eine von ihnen ist Claudia Walde, bes­ser bekannt als MadC, die durch ihre Graffiti welt­wei­tes Ansehen erlangt hat.

Foto: Charlotte Bock
Aus Claudia wird MadC

Claudia Walde wur­de 1980 in Bautzen gebo­ren, wuchs jedoch in Äthiopien auf. Als sie nach Deutschland zurück­kehr­te, fühl­te sie sich hier nicht zuge­hö­rig und begann ihre Emotionen mit Kunst aus­zu­drü­cken. Schon mit 15 Jahren stell­te sie ers­te Kohlezeichnungen aus, spä­ter arbei­te­te sie bei einem Bildhauer in Dresden. Mit 16 griff sie das ers­te Mal zur Sprühdose und ver­ewig­te sich an einer ver­las­se­nen Garage in ihrer Heimat. Ihr ers­tes Werk zeig­te einen Ottifanten in einem grü­nen Kleid, der nach ihrer Aussage noch heu­te an die­ser Garage zu sehen ist.

Doch auch bei ihrer neu­en Leidenschaft war sie eine Außenseiterin. Die Graffiti-Szene wird bis heu­te von Männern domi­niert, und auch unter den bekann­ten Street-Art-Künstlern ist Claudia als Frau eine Ausnahme. Sie muss­te sich unter ihren männ­li­chen „Kollegen“ bewei­sen, wes­halb sie anfangs auch nicht zu erken­nen gab, dass sie eine Frau ist.

Wie vie­le ande­re Graffitikünstler begann auch MadC ille­gal, indem sie Brückenpfeiler in der Nacht besprüh­te. Allerdings gelang es ihr bald, sich Spots zu sichern, an denen sie legal sprü­hen durf­te. So konn­te sie ihre Technik ver­bes­sern und an Bekanntheit gewin­nen. Während die­ser Anfangszeit ent­stand auch ihr Künstlername, der soge­nann­te Tag, MadC. Sie ent­schied sich dafür, da sie bereits als Kind immer „die ver­rück­te Claudia“ genannt wurde.

Der Weg zum Erfolg

Claudia beschloss, ihrer Leidenschaft wei­ter nach­zu­ge­hen, ent­schied sich aber gegen ein Kunststudium. Laut ihrer Aussage in einem Spiegel-Interview hat­te sie Angst, wegen der Jobs nicht genug Zeit für ihre eige­ne Kunst zu haben. Sie woll­te sich lie­ber durch Aufträge, die nichts mit ihren Werken zu tun haben, finan­zie­ren, um so dem Druck zu ent­ge­hen, ihre Kunst ver­kau­fen oder den Maßstäben ande­rer gerecht wer­den zu müssen.

Nach zehn Jahren zeu­gen Verwitterungen an der “700 Wall” von der Vergänglichkeit der Street Art.
Foto: Charlotte Bock

MadC ent­schied sich also statt­des­sen im Jahr 2000 dazu, Kommunikationsdesign an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein zu stu­die­ren. 2006 schloss sie die­ses Studium mit einem Master ab, doch das war nicht das Ende ihrer aka­de­mi­schen Laufbahn. Noch im glei­chen Jahr begann sie ihr Studium der Character Animation am Central Saint Martins College in London, wel­ches sie im fol­gen­den Jahr mit einem Diplom abschloss. Im Sommersemester 2011 war sie noch­mals an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein und unter­rich­te­te dort Schrift und Typografie.

Nach dem Abschluss in London bekam sie ein Jobangebot als Art Director, wel­ches sie jedoch ablehn­te, da sie als freie Künstlerin arbei­ten woll­te. Wieder zog es sie auf die Straße, doch nun muss­te sie sich ihre Spots nicht mehr selbst orga­ni­sie­ren. Sie bekam immer mehr Aufträge für Großprojekte, bei denen sie als freie Künstlerin ihre eige­nen Arbeiten an die Fassaden sprü­hen konn­te. Ihr größ­ter inter­na­tio­na­ler Durchbruch gelang ihr 2010 mit der „700 Wall“. Innerhalb von vier Monaten und mit einem Verbrauch von 1500 Sprühdosen fer­tig­te sie auf einer 700 m² gro­ßen Wand ent­lang der Bahnstrecke Berlin–Halle das größ­te Graffito an, das je eine ein­zel­ne Person erschaf­fen hat­te. Danach konn­te sie sich vor Aufträgen kaum noch retten.

In mehr als 35 Ländern ist ihre Kunst bereits im öffent­li­chen Raum zu sehen, wobei MadC teil­wei­se schwie­ri­gen Umständen trotz­te. So hat sie bei­spiels­wei­se im Libanon gesprayt, wäh­rend im Nachbarort kriegs­be­dingt Schüsse fie­len. Auch Kälte schreckt sie nicht ab, denn in Norwegen ver­schö­ner­te sie bei –25°C Busse. Auf den Malediven hat sie ein gan­zes Ferienresort mit frei­en Arbeiten gestal­tet, und in Chicago ist das größ­te Werk zu fin­den, an dem sie mit­ge­wirkt hat: die „1000 Wall“, eine cir­ca 1000 m² gro­ße Fassade. Auch in der Nähe von Halle kann man ein wei­te­res Werk von ihr bestau­nen, die „500 Wall“ in Leipzig.

Von der Hauswand auf die Leinwand

Bei MadCs Graffiti steht die Schrift in Abstraktion im Vordergrund. Sie arbei­tet mit hel­len, leuch­ten­den Farben und kom­bi­niert Sprühfarbe mit Aquarell und Acrylfarben. Wenn sie die Sprühdose in die Hand nimmt, schal­tet sie ihren Kopf ab und lässt sich von ihren Emotionen lei­ten, wie sie selbst sagt. Sie ver­ar­bei­tet Gefühle und Eindrücke, die ihre Umgebung in ihr aus­löst, in ihrer Kunst. So gelingt es MadC, dass ihre Kunstwerke mit­ein­an­der und mit der Umgebung har­mo­nie­ren. Auf den Malediven hat sie sich bei­spiels­wei­se durch das Blau des Meeres und die Farbänderung der Sonne im Verlauf des Tages inspi­rie­ren las­sen und so die Gebäude des Resorts zu einem Gesamtkunstwerk ver­bun­den, das stim­mig mit den Farben der Umgebung von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang ist.

Auf Grund der vie­len dün­nen über­ein­an­der­lie­gen­den Schichten, der Transparenz und der schnel­len kal­li­gra­phi­schen Linien bekom­men MadCs Werke Tiefe und wir­ken abs­trakt. Durch ihre Kunst trans­por­tiert sie vor allem ein ener­ge­ti­sches Gefühl von Leichtigkeit, das den Betrachter in sei­nen Bann zieht.

Diese Energie will Claudia Walde auf die Leinwand über­tra­gen. Mittlerweile machen Graffiti nur noch einen Bruchteil ihrer Kunstwerke aus. Wenn sie von ihren Reisen in ihr Atelier in der Nähe von Halle zurück­kehrt, ver­ar­bei­tet sie die neu­en Erfahrungen und Eindrücke der Reise dort, wo sie völ­lig unge­stört ist. Auf der Leinwand haben ihre Kunstwerke die glei­che Dynamik wie an der Fassade eines Gebäudes, auch wenn es für MadC zuerst schwie­rig war, die Energie von der Straße dort­hin zu über­tra­gen, wie sie in einem Beitrag von „5 Minutes“ ver­riet. Außerdem bricht sie so mit den unge­schrie­be­nen Regeln der Graffitikünstler, da Graffiti lan­ge als die Kunst außer­halb der Museen ange­se­hen wur­de und die Kommerzialisierung ver­hin­dert wer­den sollte.

Doch wie schon in der Vergangenheit beweist Claudia Walde, dass es auch anders geht. Mittlerweile ist eines ihrer Kunstwerke meh­re­re tau­send Euro wert, sie hat sich einen Namen in der Kunstszene gemacht, drei Bücher ver­fasst und kann von ihrer Leidenschaft leben. Dennoch bleibt sie ihren Wurzeln treu, denn Graffiti wer­den wohl immer ihr Hauptthema bleiben.

“700 Wall“
Foto: Konrad Dieterich
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