Studentisches Engagement in der Corona-Krise ist so viel­fäl­tig wie die Einschränkungen, die sie mit sich bringt. Das Projekt „Corona School“ ermög­licht es Studierenden, ihre Kenntnisse in Form von Online-Nachhilfe mit Schüler:innen zu tei­len. Die Plattform star­te­te nur kurz nach den bun­des­wei­ten Schulschließungen und ver­sam­melt inzwi­schen mehr als 6000 Studierende. 

„Die letz­ten vier Wochen sind wie im Flug ver­gan­gen. Ich kann sel­ber noch nicht so rich­tig fas­sen, wie groß das alles gewor­den ist.“ Ende März, als die Corona-Krise in Deutschland ihren Anfang nahm, erhielt Kaiya Reisch eine Nachricht von einem ehe­ma­li­gen Mitbewohner. Ob sie bei einem Projekt mit­hel­fen wol­le, das er zusam­men mit meh­re­ren Freunden mehr oder weni­ger über Nacht ins Rollen gebracht hat­te, es gehe um Nachhilfe in Zeiten von pan­de­mie­be­ding­ten Schulschließungen. Kaiya sag­te ihre Unterstützung sofort zu. 

6000 Studierende geben Nachhilfe 

Was Ende März mit nur weni­gen Studierenden der Universität Bonn begann, ist einen Monat spä­ter die ver­mut­lich größ­te Nachhilfeplattform Deutschlands gewor­den. Über die Plattfom „Corona School“ geben mehr als 6000 Studierende gut 8000 Schüler:innen deutsch­land­weit ehren­amt­lich Online-Nachhilfe. „Dass Menschen in Krisensituationen ver­stärkt Hilfsbereitschaft zei­gen, haben wir zum Beispiel 2015 und 2016 in der Flüchtlingskrise gese­hen“, meint Kaiya, die in Bonn Kulturanthropologie im zwei­ten Master-Semester stu­diert. „Gerade Studierende haben jetzt durch die digi­ta­le Lehre oft mehr Zeit übrig. Weil die eige­ne Schulzeit häu­fig erst ein paar Jahre zurück liegt, kön­nen wir uns auch gut in die Situation der Schüler hin­ein­ver­set­zen und wol­len ger­ne helfen.“ 

Am dank­bars­ten sind die Eltern 

Nicht nur klas­si­sche Nachhilfe-Fächer wie Mathe, Deutsch und Englisch sind ver­tre­ten, auch wenn die­se am stärks­ten gefragt sind. „Corona School“ ver­mit­telt auch Nachhilfekräfte für Fächer wie Wirtschaft, Kunst oder sogar Niederländisch. „Ich glau­be, wir haben so ziem­lich alle Fächer mit auf­ge­nom­men, die es gibt“, sagt Kaiya lachend. Denn es gehe eben nicht nur um klas­si­sche Nachhilfe, son­dern auch um eine Betreuung der Schüler:innen, die durch die Schulen zur­zeit nur sehr ein­ge­schränkt mög­lich ist. Durch „Corona School“ könn­ten nicht zuletzt auch Eltern ent­las­tet wer­den, die im Homeoffice für die Betreuung ihrer Kinder bei den Schulaufgaben kaum Kapazitäten haben. „Vor allem von den Eltern erfah­ren wir eine unglaub­lich gro­ße Dankbarkeit“, berich­tet Kaiya. „Zum Beispiel hat jemand geschrie­ben, Schule kön­ne in Zukunft ger­ne nur noch so statt­fin­den.“ Auch die Schulen zeig­ten ein posi­ti­ves Feedback und sogar Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief bei einem der Gründer:innen von „Corona School“ an, um ihm für sein Engagement zu dan­ken. „All die­se Reaktionen sind wahn­sin­ning moti­vie­rend“, sagt Kaiya. 

Ein Wörterbuch, ein Geodreieck, ein Bleistift und ein Smartphone, das den Schriftzug "Corona School" anzeigt, liegen auf einem Blatt Notenpapier.
„Corona School“ ver­mit­telt Nachhilfe in mehr als 20 Fächern, dar­un­ter Wirtschaft, Kunst und Niederländisch.

Video-Screening mit allen Studierenden 

Studierende regis­trie­ren sich online mit der Angabe der Fächer, in denen sie Nachhilfe anbie­ten möch­ten. Bevor sie frei­ge­ge­ben wer­den, führt ein Teammitglied von „Corona School“ ein kur­zes Videotelefonat durch, das „Screening“, in dem zwar kein Qualifizierungsnachweis, wohl aber ein gül­ti­ger Studierendenausweis vor­ge­zeigt wer­den muss. Auf die­se Weise soll ein Missbrauch der Plattform ver­hin­dert wer­den. Anschließend ver­knüpft ein Algorithmus Schüler:innen mit pas­sen­den Studierenden, damit die Nachhilfe begin­nen kann. 

„Es ist natür­lich eine Menge Arbeit“, räumt Kaiya ein, für die das Sommersemester eben­so ange­lau­fen ist wie für ihre mitt­ler­wei­le etwa 80 Mitstreiter:innen im Organisationsteam. „Wir hal­ten über einen Messengerdienst Kontakt, alle zwei bis drei Tage fin­det auch eine gro­ße Videokonferenz statt, wo man nach und nach auch alle ken­nen­lernt.“ Das Team ist in etwa zehn­köp­fi­ge Untergruppen auf­ge­teilt, die sich jeweils um ein­zel­ne Aufgabenbereiche küm­mern, etwa das Programmieren der Website, Präsenz in den Sozialen Medien oder die Beantwortung ein­ge­hen­der Fragen. „Vieles benö­tigt mit der Zeit auch immer weni­ger Arbeitsaufwand, des­halb kön­nen wir es gut auf­fan­gen, wenn eini­ge ihr Engagement wegen gestie­ge­ner Belastung durch die Uni jetzt kür­zen müs­sen“, meint Kaiya. 

Nachhilfe soll auch ohne Corona weitergehen 

Mittlerweile ist „Corona School“ als gemein­nüt­zi­ger Verein gemel­det und kann den Studierenden damit auch Zertifikate für ihr Engagement aus­stel­len. Die jun­ge Plattform ent­wi­ckelt sich zudem stän­dig wei­ter: In Planung sind Angebote wie AGs oder eine Studienberatung für Abiturient:innen. Auch nach der Corona-Krise, wenn wie­der nor­ma­ler Schulunterricht mög­lich ist, soll „Corona School“ als Verknüpfungspunkt zwi­schen Schüler:innen und Studierenden fort­be­stehen. „Wir den­ken lang­fris­tig an ein außer­schu­li­sches Bildungsangebot, das sich ins­be­son­de­re an sozi­al schwa­che Schichten rich­tet“, erzählt Kaiya. Nur der Wortteil „Corona“ sol­le dann hof­fent­lich mög­lichst bald ersetzt wer­den können. 

Studierende kön­nen sich auf corona-school.de regis­trie­ren, um ehren­amt­lich Online-Nachhilfe zu geben. 

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