April 1917. Erster Weltkrieg, westliche Front. „Blake. Nimm dir einen Mann, pack dein Zeug.“ Als Lance Corporal Blake (Dean-Charles Chapman) diese Worte hört, ahnt er noch nicht, dass in den nächsten acht Stunden das Schicksal von 1.600 Menschenleben in seinen Händen liegen wird. Stattdessen schnappt er sich seinen Kameraden Lance Corporal Schofield (George MacKay) in dem Glauben, vielleicht Proviant besorgen zu müssen. Doch in der Baracke erteilt General Erinmore (Colin Firth) ihnen einen Befehl, der sie durch das gefährlichste Territorium der westlichen Front führen wird. Um zu verhindern, dass ihre Kameraden vom Devonshire Regiment in eine tödliche Falle der deutschen Streitkräfte laufen, müssen sie eine rettende Nachricht überbringen.

From the very beginning I felt this movie should be told in real time.
Sam Mendes, Regisseur
In den nächsten 110 Minuten folgt die Kamera den beiden Corporals durch die Schützengräben, begleitet sie durch karge Leichenfelder, gleitet über matschige Wasserlöcher hinauf zu idyllischen Grünflächen und manövriert sich durch die Mauern postapokalyptischer Ruinenstädte. Schon nach wenigen Minuten fällt auf: Hier gibt es keine Cuts. Tatsächlich aber dirigiert Regisseur Sam Mendes (American Beauty, James Bond: Skyfall) die Reise von Blake und Schofield so clever, dass der Film nur den Eindruck erweckt, in einer durchgehenden Plansequenz gedreht zu sein. In Wirklichkeit hat das Filmteam, angeführt von Kamera-Genie Rodger Deakins (Blade Runner 2049, Sicario) eine logistische Meisterleistung vollbracht, die ihnen vollkommen zurecht den Oscar für die Beste Kamera beschert hat. Kamerafahrten, Schwenks und 360°-Drehungen erzeugt eine Sogwirkung, die den Zuschauer mühelos in die apokalyptische Atmosphäre des ersten Weltkriegs hineinsaugt.
Every step oft the journey, breathing every breath of this men.
Sam Mendes, Regisseur
Der Echtzeit-Charakter ist nicht die einzige Stärke von 1917. Statt CGI, Greenscreens und visuellen Effekten eröffnet das Kriegsdrama den ZuschauerInnen das immersive Potenzial von organischen Filmsets. BildhauerInnen und BühnengestalterInnen haben das Szenenbild neben der Kamera zum zweitwichtigsten Spannungsträger gemacht. Somit rückt der Gedanke an die technische Umsetzung während des Films in den Hintergrund und das hoffnungslose Universum des Kriegs übernimmt die Kontrolle. Zurück bleibt ein Filmereignis, dass auch nach dem Abspann noch in den Köpfen der ZuschauerInnen weiterlebt.

Sehr gute Filmkritik, die es schafft, in aller Kürze sehr viel zu erzählen. Aus medienwissenschaftlicher Perspektive ist insbesondere der Fokus auf die Kamerafahrt spannend, zumal die Besprechung auch entsprechende Schlüsselbegriffe wie Immersion benennt. Sprachlich sehr flüssig und gut gebaut!