Wahrscheinlich haben es viele schon mitbekommen, in Ungarn fand letzten Sonntag der erste Teil der Parlamentswahlen statt. Warum erster Teil? In Ungarn werden wie in Deutschland die Sitze sowohl nach Parteilisten als auch an direkt wählbare Kandidaten verteilt. Bekommt ein Direktkandidat in seinem Wahlkreis keine absolute Mehrheit, so gibt es in diesem Wahlkreis eine Stichwahl, und zwar in zwei Wochen. Das ist diesmal bei 57 Wahlkreisen der Fall.
Die Ergebnisse sind aus linker Sicht schlicht und ergreifend erschütternd und desaströs. Allerdings sollte sich die Überraschung zumindest bei den ungarischen Sozialdemokraten in Grenzen halten, da ihre Regierungen der letzten acht Jahre nicht gerade für positive Schlagzeilen gesorgt haben, um es freundlich zu umschreiben (erinnert sei an die Wahllügenaffäre vom ehemaligen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány). Die Ergebnisse im Überblick:
Partei – Listenmandate – Direktmandate
MSZP (Sozialdemokraten) 28 – 0
Fidesz (Rechtskonservativ) 87 – 119
Jobbik (rechtsextrem) 26 – 0
LMP (linksgrün) 5 – 0
MDF (liberales Bündnis) jeweils 0
Erste Analyse: Schon vor der zweiten Runde steht fest, dass der rechtskonservative Fidesz wohl mit Zwei-Drittel-Mehrheit rechnen kann, da er in den meisten noch umkämpften Wahlkreise relative Mehrheiten errang. Der Fidesz ist zwar Mitglied der Europäischen Volkspartei, der auch CDU und CSU angehören, doch kann man sie als deutlich konservativer einschätzen. Die Lage der Sozialdemokraten ist wie in vielen Ländern Europas traurig und bestürzend, da hilft wohl nur eine programmatische Neuausrichtung vor dem totalen Exitus, den bei dieser Wahl schon die liberalen Kräfte erwischt haben, die früher bedeutende Koalitionspartner z.B. auch der Sozialdemokraten waren (2002-2006) oder 1990 sogar den Regierungschef stellten. Kleiner Lichtblick sind parlamentarischen Neulinge der LMP, die allerdings nicht einmal ansatzweise die Verluste der MSZP auffangen konnte. Sie hat Beobachterstatus bei den europäischen Grünen und setzt sich vor allem für Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung ein. Erschreckend ist die Stärke der offen rechtsextremen Jobbik-Partei, die sich nicht scheut, jeden erdenklichen Mist über Roma, Homosexuelle oder andere scheinbar „unnormalen“ Minderheiten zu äußern.Mit 16,7 % Stimmenanteil sind Dimensionen erreicht, die evtl. demokratiegefährdend sind (man bedenke, dass sich diese Partei eine Art „Parteiarmee“ namens „Ungarische Garde“ leistet, die zwar verboten wurde, aber immer noch aktiv sein soll).
Und wo sind die ungarischen Kommunisten? Im Tal der Bedeutungslosen angelangt bei 0,11 %. Auch da sollte man, bei allen historischen „Erblasten“ und der skeptischen Meinung der Bevölkerung in Ungarn zum Kommunismus, doch eine Parteierneuerung ins Auge ziehen.
Quellen:
http://en.wikipedia.org/wiki/Hungarian_parliamentary_election,_2010
http://de.wikipedia.org/wiki/Parlamentswahlen_in_Ungarn_2010
MZ, Junge Welt