
Traditionell finden die Wahlen in Großbritannien am Donnerstag statt, weil früher an diesem Tag immer Wochenmarkt war und eine höhere Wahlbeteiligung erhofft wurde. Diese lag diesmal bei 65,4 % – nicht gerade viel für eine nationale Parlamentswahl, noch dazu, wo deren Ausgang so spannend wie lange nicht war.
Das Ergebnis dürfte der Schrecken aller Politiker sein: unklare Verhältnisse wie bei Verhältniswahlen! Gerade die klaren Mehrheiten waren doch immer der Vorteil des Mehrheitswahlrechts, indem in den 650 britischen Wahlkreisen nur der Sieger mit der relativen Mehrheit ins Parlament kommt. Nun haben weder Tories noch Labour eine Mehrheit, sogar eine Koalition aus Labour und Liberaldemokraten bildeten nur eine Minderheitenregierung, falls sie das immer noch wollten. Die Ergebnisse im Einzelnen:
Conservative Party: 306 Sitze von 650 insgesamt (Stimmen: 10,7 Mio.), +97 Sitze
Labour: 258 Sitze (8,6 Mio.), – 91 S.
Liberal Democrates: 57 Sitze (6,8 Mio.), -5 S.
Democratic Unionist Party: 8 Sitze (0,17 Mio.), -1 S.
Scottish National Party: 6 Sitze (0,49 Mio.), +-0 S.
Sinn Fein (nordir., linkssozialist.): 5 Sitze (0,17 Mio.), +-0 S.
Plaid Cymru (walis. Regionalpartei): 3 Sitze (0,17 Mio.), +1 S.
Social Democratic and Labour Party (nordir.): 3 Sitze (0,11 Mio.), +-0 S.
Grüne: 1 Sitz (0,29 Mio.), +1
Alliance Party of Northern Ireland (liberal): 1 Sitz (0,04 Mio.), +1
Parteilose 1 (0,02 Mio.), +1
Welche Möglichkeiten gibt es nun?
1. Die Konservativen könnten eine Minderheitenregierung bilden, die sich auf die Liberalen oder verschiedene Regionalparteien stützt. Das ist eine sehr gut vorstellbare Variante.
2. Konservative und Liberale bilden eine feste Koalition. Das erscheint weniger wahrscheinlich, denn erstens sind sich beide Parteien programmatisch nicht sehr ähnlich und zweitens sind Koalitionen in Großbritannien selten/unbekannt.
3. Labour und Liberale könnten eine Minderheitsregierung bilden und versuchen mit Hilfe einiger Regionalparteien (Grüne, SNP und SDLP) eine knappe Mehrheit zu erreichen. Aber diese Konstellation scheint mir noch fragiler als die 2. Möglichkeit, sodass dies auch schwierig werden könnte.
4. Alle diese Szenarien scheinen auf rasche Neuwahlen hinauszulaufen, um klarere Verhältnisse zu schaffen, auch wenn wieder ein teurer Wahlkampf von den Parteien bezahlt werden müsste. Aus meiner Sicht ist klar, dass die nächste Legislaturperiode nicht volle fünf Jahre dauern wird.
Bleibt abschließend die Frage nach den linken Alternativen zu Labour – gibt es sowas überhaupt?
Ja gibt es, aber viel zu schwach. Als erstes wäre „Respect“ zu nennen, die sich aus Protest gegen die Beteiligung Großbritanniens am Irak-Krieg gegründet hatte. Sie erhielt 33.251 Stimmen und verlor trotzdem den einzigen Sitz im Unterhaus. Ebenfalls nicht im Parlament vertreten ist die Trade Unionist and Socialist Coalition (TUSC), die 12,275 Stimmen erhielt, und die Scottish Socialist Party, die 3157 Stimmen erhielt. TUSC ist eine im Januar 2010 gegründete, linke Koalition (nicht Partei), in der sich kritische Gewerkschafter und verschiedene marxistische und sozialistische Gruppierungen gebündelt haben (siehe http://en.wikipedia.org/wiki/Trade_Unionist_and_Socialist_Coalition oder http://www.tusc.org.uk/).
Quellen u.a.:
http://en.wikipedia.org/wiki/United_Kingdom_general_election,_2010#Results
http://de.wikipedia.org/wiki/Britische_Unterhauswahlen_2010#Wahlkampf
