
Hier möchte ich kurz und knackig Stellung nehmen zu den Protesten in Ägypten (und Tunesien):
1. Die Geschehnisse im arabischen Raum sind nicht als Revolutionen zu bezeichnen. Bislang ist lediglich die Spitze des Mubarak-Regimes zurückgetreten und die alte Verfassung außerkraft gesetzt. Doch ob wirklich eine demokratische Verfassung mit mehr sozialer Gerechtigkeit und Gleichheit errungen wird, ist noch offen.
2. Ein Vergleich mit der (Konter-)Revolution 1989 in der DDR ist absolut unhaltbar. Während 1989 ein friedlicher Umstruz des alten Regimes vollzogen wurde, die NVA und die Volkspolizei der DDR sowie die SED-Führung sehr besonnen reagierten, hat Mubarak bis zuletzt versucht mit Gewalt seine System zu verteidigen. Über hundert Tote gab es in Ägypten, aber nicht in der DDR 1989.
3. Es geht den Demonstranten gerade nicht allein um mehr Bürgerrechte und faire Wahlen. Wesentlicher Antrieb der Proteste ist die desolte wirtschaftliche und damit auch soziale Lage Ägyptens und seiner völlig verarmten und perspektivlosen Jugend. Es besteht also Potenzial für eine soziale und liberale Revolution.
4. Letzteres, der Kampf um mehr soziale Gerechtigkeit, ist meiner Meinung nach auch Ursache für das eigentlich verachtenswürdige Lavieren und die unsichere Reaktion der „westlichen“ Welt. USA und das kapitalistische Europa müssen fürchten, dass die Ägypter nach einem demokratischen System streben, in denen das altbewährte Ausbeuten der billigen ägyptischen Arbeitskraft nicht mehr so gut funktioniert.
5. Ich rufe zur Solidarität mit allen Ägyptern auf und für mehr Unterstützung Ägyptens durch die progressiven Kräfte in der „westlichen“ Staatengemeinschaft. Es muss versucht werden, den Einfluss der angeblichen Demokraten in USA und Europa so gering wie möglich zu halten. Sonst kommen die Ägypter vom Regen in die Traufe (siehe Ostdeutschland 1990ff.).
