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Kein Wandel in der Ukraine

Wahlen

Die vergangenen Sonntag in der Ukraine stattgefundenen Parlamentswahlen haben keine wesentliche Veränderung der politischen Verhältnisse gebracht. Verändert wurde vor der Wahl das Wahlsystem: Von einem reinen Verhältniswahlsystem ist man wieder zum alten Mischsystem mit 225 direkt gewählten und 225 nach Proporz gewählten Abgeordneten gewechselt.

Die prorussische Partei der Regionen mit ihrer starken Verankerung in der Ostukraine wurde klar stärkste politische Kraft und kann die Koalition mit der um acht Prozent verbesserten Kommunistischen Partei fortsetzen, sofern sie noch einige der 43 direkt gewählten, „unabhängigen“ Abgeordneten für sich gewinnt. Die prowestliche Opposition bleibt eine Minderheit, allerdings sind einige neue Akteure auf die Bühne getreten, vor allem Vitali Klitschkos neu gegründete UDAR wollte sich an die Spitze der Opposition setzen. Dies misslang aber eindeutig, denn UDAR lag nur knapp vor den Kommunisten auf Platz drei. Stärkste Oppositionskraft wurde das Parteienbündnis Vaterland, in dem sich auch die Partei der inhaftierten Ex-Regierungschefin Timoschenko beteiligte.

Nicht unerwarteterweise wurde die Wahl relativ schnell als Rückschritt und undemokratisch qualifiziert – schließlich hat ja der (aus Sicht der EU) Falsche gewonnen. Da selbst linke Wahlbeobachter von einigen Mängeln im Wahlprozess sprachen, soll nicht daran gezweifelt werden, dass die Wahl nicht unseren westlichen Standards entsprach (wobei man mit Blick auf die USA und den hohen Spenden von potenten Geldgebern vorsichtig sein sollte, wenn man anderen undemokratische Wahlen vorwirft). Nur ein Argument sollte bitteschön nicht (wie in der MZ) als „Beweis“ für mangelnde Fairness herhalten: Dass nämlich die bekannteste Oppositionspolitikerin sich auf Grund ihrer Haftstrafe nicht an der Wahl beteiligen konnte. Diese Frau, die offensichtlich nach ukrainischem Recht sich einiges hat zuschulden kommen lassen (siehe Frank Schumann: Die Gauklerin – Der Fall Timoschenko. edition ost, Berlin 2012), durfte aus guten Gründen nicht als Abgeordnete kandidieren. Wer würde in Deutschland denn hinnehmen, dass jemand in das höchste nationale Parlament gewählt werden darf, wenn er oder sie wegen Amtsmissbrauch und Bestechung verurteilt worden wäre? So etwas ist wohl bestenfalls noch in Italien möglich, aber wie wir diese Woche erfahren haben, sind auch dort die besten Zeiten eines Silvio Berlusconi vorbei.

Scharf zu verurteilen sind die (teils schon verwirklichten) Pläne der prowestlichen Opposition, mit der rechtsextremen Partei Swoboda, mit der erstmals eine klar faschistische Partei in ein ukrainisches Parlament gewählt wurde, zu kooperieren. Und ein Problem ist ganz offensichtlich: Der Frust der Bevölkerung mit dem korrupten System wächst, die Wahlbeteiligung sank auf 58 Prozent. Aber auch dieses Phänomen ist in westlichen Systemen zu beobachten.

Das Ergebnis nach Wikipedia:

Partei

Anteil

Verhältnis-

Wahlkreis-

Gesamtsitze

Partei der Regionen 30,59 % 74 117 191
Vaterland (einschl. Geeinte Opposition) 25,12 % 61 42 103
UDAR 13,75 % 33 6 39
Kommunistische Partei der Ukraine 13,42 % 33 33
Swoboda 10,18 % 24 10 34
Ukraine – Vorwärts! 1,59 %
Unsere Ukraine 1,10 %
Radikale Partei 1,08 % 1 1
Partei der Rentner der Ukraine 0,56 %
Sozialistische Partei der Ukraine 0,45 %
Partei der Grünen der Ukraine 0,34 %
Ukrainische Partei „Grüner Planet“ 0,34 %
Russischer Block 0,31 %
Grüne 0,25 %
Ukraine der Zukunft 0,21 %
Politische Union „Heimisches Vaterland“ 0,16 %
Volksarbeitsunion 0,11 %
Neue Politik 0,10 %
Hromada 0,08 %
Ukrainische Nationalversammlung 0,08 %
Liberale Partei der Ukraine 0,07 %
Geeinte Mitte 3 3
Volkspartei 2 2
Union 1 1
„Unabhängige“ 43 43
Ungültige/leere Zettel
Gesamt (Wahlbeteiligung 57,98 %)

225

225

450

Quelle: Proportionale Stimmen, Wahlkreissitze Zentrale Wahlkommission (ukrainisch)

Siehe auch:

»Bedenkliche Bündnisse mit den Faschisten«, Junge Welt vom 30.10.

Klitschko k.o., Junge Welt vom 30.10.

Schöne Bescherung, Junge Welt vom 27.10.

OSZE sieht eine Umkehr der Demokratisierung, Die ZEIT

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Litauen wählte neues Parlament und neue Regierung

Wahlen

Vor vier Jahren fanden die letzten Parlamentswahlen statt. Damals siegte der Vaterlandsbund – Christdemokraten Litauens (TS-LKD) mit 19,7 Prozent der Stimmen vor der liberalen Partei der Wiederauferstehung des Volkes (TPP) mit 15,1 Prozent und der liberalkonservativen Partei Ordnung und Gerechtigkeit (TT) mit 12,7 Prozent. Die linken Parteien Sozialdemokratische Partei Litauens (LSDP) und Arbeitspartei (DP) kamen auf 11,7 bzw. 9,0 Prozent. Die 141 Abgeordneten werden zum Teil (71 Abgeordnete) direkt gewählt, dabei muss die absolute Mehrheit errungen werden. Falls das nicht im ersten Wahlgang einer der Kandidaten schafft, gibt es eine Stichwahl. Die anderen 70 Mandate werden proportional nach Stimmenanteil der Parteien verteilt, wobei nur Parteien mit mehr als fünf Prozent berücksichtigt werden. Eine Verrechnung von Direkt- und Listenmandaten findet in Litauen nicht statt (das Wahlsystem nennt sich daher Grabenwahlsystem).

Das Ergebnis der Wahlen vom 14. (und 28.) Oktober sieht laut Wikipedia so aus:

Vorläufiges Ergebnis der Parlamentswahl in Litauen 2012

Partei

Stimmen

Sitze

 

Anzahl

 %

+/−

Anzahl

+/−

 
  Arbeitspartei (DP)

271.430

19,84

+10,85

17+12

+19

 
  Sozialdemokratische Partei Litauens (LSDP)

251.458

18,38

+6,66

15+23

+13

 
  Vaterlandsbund – Christdemokraten Litauens (TS-LKD)

205.998

15,06

−4,66

13+20

-12

 
  Liberale Bewegung der Republik Litauen (LRLS)

117.244

8,57

+2,84

7+3

-1

 
  Weg des Mutes (DK)

109.211

7,98

+7,98

7

+7

 
  Ordnung und Gerechtigkeit (TT)

100.038

7,31

−5,37

6+5

-4

 
  Wahlaktion der Polen Litauens (LLRA)

79.825

5,83

+1,04

5+3

+5

 
  Bund der Bauern und Grünen Litauens (LVŽS)

53.098

3,88

+0,15

0+1

-2

 
  Liberale und Zentrumsunion (LiCS)

28.234

2,06

−3,28

0

-8

 
  JA

24.071

1,76

+1,76

 
  Sozialistische Volksfront (SPF)

16.491

1,21

+1,21

 
  Christliche Partei (KP)

16.476

1,20

+1,20

 
  Für ein litauisches Litauen

12.846

0,94

+0,94

 
  Partei „Junges Litauen“

8.620

0,63

+0,63

 
  Demokratische Arbeits- und Einheitspartei

4.375

0,32

+0,32

 
  Emigrantenpartei

3.966

0,29

+0,29

 
  Republikanische Partei (RP)

3.652

0,27

+0,27

 
  Litauische Volkspartei

3.387

0,25

+0,25

 
  Unabhängige

0+3

-1

 
  Gesamt

1.310.420

100,00

 

141

 

 
Registrierte Wähler

2.588.559

   
Wahlbeteiligung

52,86 %

 
Abgegebene Stimmen

1.368.301

 
Ungültige Stimmen

57.881

 
Quelle: Zentrale Wahlkommission der Republik Litauen[1]

Anm.: Die erste Zahl unter Sitze stellt die Zahl der Listenmandate, die zweite Zahl die der Direktmandate dar.

 

Wie vor der Wahl erwartet, lagen die linksgerichteten Parteien DP und LSDP vorn. Die Parteien der Mitte-rechts-Koalition (TS-LKD, LRLS und LiCS) verloren insgesamt mehr als fünf Prozent. Ein weiterer Wahlgewinner waren leider die erstmals angetretenen Rechtspopulisten von „Weg des Mutes“ mit rund acht Prozent der Stimmen. Stabil blieben die Grünen mit 3,9 % und die Vertretung der Polen in Litauen mit 5,8 %. Verloren hat auch die liberalkonservative TT (-5,4 %).

Am kommenden Sonntag werden die restlichen Direktmandate in Stichwahlen vergeben, dann steht fest, welche Koalitionen möglich sind.

Update: Nach den Stichwahlen um die Direktmandate kommen die Sozialdemokraten auf 38, ihr Koalitionspartner auf 29 Mandate. Zur absoluten Mehrheit von 71 Mandaten fehlen ihnen also 4. Die wollen die beiden Linksparteien mit der eher konservativen, populistischen Partei „Ordnung und Gerechtigkeit“ auffüllen, die elf Sitze errang.

Siehe auch:

http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-10/litauen-wahl-parlament

http://de.wikipedia.org/wiki/Parlamentswahl_in_Litauen_2012#Wahlergebnis

http://www.fr-online.de/politik/litauen-linke-opposition-liegt-vorn-,1472596,20596434.html

http://newsticker.sueddeutsche.de/list/id/1372505

http://www.abendblatt.de/politik/ausland/article110329934/Geringe-Wahlbeteiligung-bei-Parlamentswahlen-in-Litauen.html

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Kommunalwahlen in Belgien und Spanien – Linke Erfolge

Wahlen

Im europäischen Ausland gibt es wieder einmal ermutigende Zeichen, dass sich die vom Kapitalismus und seiner derzeitigen Krisenpolitik verelendeten Menschen doch von linken, solidarischen Alternativen überzeugen.

Bei den Kommunalwahlen in Belgien gab es eine kleine Wiederauferstehung der Partij van de Arbeid, die  ein marxistisches Programm für unverzichtbar hält. Mit den Themen zu hohe Mieten, zu teure medizinische Versorgung und schlechtes Bildungssystem konnte sie in einigen Gemeinden und Städten erhebliche Stimmenzuwäche erzielen. In Antwerpen kam sie mit acht Prozent und vier Sitzen in den Stadtrat, in Lüttich erreichte sie 6,5 Prozent und zwei Sitze und im Stahlarbeiterort Seraing wurde sie mit 14 Prozent zweitstärkste politische Kraft. Als einzige belgische Partei, die sich nicht der separatistischen Zwei-Regionen-Logik der anderen Parteien anpasst und landesweit antritt (die anderen Parteien haben je eine Parteigruppierung für Wallonie und Flandern), konnte sie in 52 Gemeinden Mandate erringen. Die oben genannten Themen könnten doch auch für deutsche LINKE relevant für eigene Wahlkämpfe sein, da sollte man sich etwas abschauen.

Siehe auch: http://www.jungewelt.de/2012/10-17/009.php?sstr=belgien

 

Im Baskenland war die linke Nationalbewegung schon immer eine der wichtigsten politischen Größen, wurde aber durch zentralstaatliche Repression in ihren politischen Aktivitäten massiv ausgebremst und illegalisiert. Das Parteienbündnis EH Bildu konnte nun nicht mehr verboten werden, schon 2011 trat es zu Regionalwahlen in Navarra und den baskischen Provinzen Gipuzkoa, Bizkaia und Araba an. Bei der diesjährigen Wahl zum Regionalparlament konnte Bildu seine starke Position festigen: Im Baskenland insgesamt wurde das Linksbündnis zweitstärkste Kraft mit 25,0 % (+15,3 %), in Gipuzkoa sogar stärkste Kraft. Alle anderen Parteien erlitten Verluste, auch die Wahlsiegerin, die konservative PNV (Baskische Nationalistische Partei) verlor 3,9 % (insgesamt erhielt sie 34,6 % der Stimmen). Die zentralstaatlichen Parteien erlebten ein nie dagewesenes Desaster: die regierende PP bekam 11,7 % (-2,4 %), die Sozialisten (PSOE) 19,1 % (-11,6 %). Damit haben zwei Drittel der Wähler deutlich gemacht, dass sie ein vom Zentralstaat unabhängigeres Baskenland fordern. Für das kriselnde Spanien ist das nach der beeindruckenden Demonstration vom 11. September in Katalonien das nächste Problem, was auf eine ungewisse Zukunft des Zentralstaates hindeutet.

Siehe auch:

http://www.jungewelt.de/2012/10-23/033.php

http://www.jungewelt.de/2012/10-23/044.php

http://en.wikipedia.org/wiki/Basque_parliamentary_election,_2012


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Rückwärtsgewandte Gruppe des Tages: Junge Union

Hochschulpolitik

DIe Junge Union (JU) hat ein neues Grundsatzprogramm beschlossen. Und da findet sich ein Leckerli für alle, die schon immer meinten, dass politische Mitbestimmung von Studierenden an ihren Hochschulen eine Selbstbeschäftigung von linken Spinnern sei: Die JU fordert die Abschaffung der Verfassten Studierendenschaft, von Asten und Studierendenparlamenten. Argumente dafür seien, dass diese Gremien sich zu wenig um die Interessen der Studierenden kümmern (stattdessen für hochschulfremde Angelegenheiten) und die Wahlbeteiligungen bei Hochschulwahlen viel zu niedrig sind.

Ein gutes Demokratieverständnis, das sich wohl an Merkels „marktkonforme Demokratie“ anschmiegt: Wenn die Gewählten sich nicht um die Interessen der Repräsentierten kümmern und dann noch keiner wählen gehen, schaffen wir die Demokratie lieber gleich ab. Wie wäre es, liebe JUler, wenn man stattdessen bessere Vorschläge in den Wahlkämpfen macht, also sagt, was im Interesse der Studierendenschaft getan werden muss, und selbst mithilft, mehr Studierende zur Wahl zu mobilisieren? Es scheint mir nicht ganz abwegig, dass sich die Probleme der JU, die sie mit hochschulpolitischen Gremien hat, eher daraus resultieren, dass viele Studierende nicht wirklich empfänglich für christlichdemokratische Positionen sind, dass also nur wenige Leute vom RCDS an entsprechende Positionen in Asten kommen und die JU/der RCDS nur wenig Engagement in der Hochschulpolitik zeigt.

Wie dusselig die JU-Position ist, dass sich nun ein handfester Konflikt mit dem RCDS andeutet, der wenigstens noch Verbesserungen statt Abschaffung der Asten einfordert. Außerdem ist es auch nicht so, dass die RCDS-Gruppen von linken Gruppen völlig plattgemacht und marginalisiert werden. An der MLU ist der RCDS z. B. mit einem Vertreter im Akademischen Senat und drei Vertretern im Studierendenrat vertreten, wo sie auch ein Amt des Sozialsprechers übernommen haben. Es gibt also Partizipationschancen für christlichdemokratische Studierende. Im Übrigen habe ich noch in keinem Gremium gesessen, in dem ein Studierender im 35. Semester sitzt – das sind populistische Sprüche von Ahnungslosen.

Siehe:

„Asta la vista, Studentenvertreter“ (SPIEGEL ONLINE)

„Asta, wer braucht den schon?“ (SPIEGEL ONLINE)

„Wider die Mitbestimmung“ (Süddeutsche Zeitung)

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Venezuela hat sich wieder für den Sozialismus entschieden

Wahlen

In Venezuela fanden am Sonntag die Präsidentschaftswahlen statt. Zur Wahl standen Amtsinhaber Hugo Chavez (PSUV), der seit 13 Jahren die bolivarische Revolution in Venezuela leitet, Henrique Capriles Radonski (Gerechtigkeit zuerst) als gemeinsamer Kandidat 18 rechter und liberaler Parteien; außerdem kandidieren mit minimalsten Chancen: María Bolívar (Partido Democrático Unidos por la Paz), Orlando Chirinos (Partido Socialismo y Libertad), Reina Sequera (Poder Laboral) und Luis Reyes (Organización Renovadora Autentica).

Gerne wird Venezuela als autoritär regiertes Land bezeichnet, dabei verlaufen die Wahlen schon seit einiger Zeit nach den üblichen demokratischen Standards. Zwar ist die Präsidentschaftswahl eine Personenwahl, doch die Wähler wählen nicht nur eine Person, sondern auch eine Partei, die diesen Kandidaten unterstützt. Chavez z. B. wird neben seiner eigenen Partei auch von 13 anderen Parteien unterstützt, darunter auch die Kommunistische Partei Venezuelas. Beim Wahlakt selbst wird im Gegensatz zu Deutschland bereits auf Wahlmaschinen zurückgegriffen: „Um zu wählen, muß sich der dazu Berechtigte zunächst beim Vorstand seines Wahllokals ausweisen. Dort tritt er an die Abstimmungsmaschine. Auf deren Bildschirm wird der »Stimmzettel« in der Form angezeigt, die seit Wochen durch den CNE im ganzen Land verbreitet wird. Durch das Antippen des jeweiligen Feldes entscheidet sich der Wähler für eine Option. Diese wird ihm anschließend noch einmal zur Bestätigung angezeigt.

Nach der Bestätigung druckt die Maschine einen Zettel aus, auf dem noch einmal die Entscheidung des Wählers angezeigt wird, damit dieser die korrekte Ausgabe kontrollieren kann. Stimmt alles, faltet er den Zettel und wirft ihn in die Wahlurne. Diese Stimmzettel werden nach Abschluß der Wahl manuell ausgezählt und mit dem von der Maschine ermittelten Ergebnis verglichen, um Manipulationen bei der elektronischen Übermittlung der Ergebnisse auszuschließen.“ (Hintergrund: Wie wird gewählt?, in Junge Welt)

Unfair und gehässig ist die Berichterstattung in unseren bürgerlichen Medien, exemplarisch ist der Beitrag des ZDF Heute Journals vom Freitag (beginnt bei 17:30 min.). Es wurde so getan, als ob Chavez’ Niederlage relativ wahrscheinlich ist. Dabei kann er seit Monaten auf einen Vorsprung verweisen (siehe hier), der vielleicht in den letzten Wochen leicht geschrumpft sein mag. Capriles lag nur bei solchen Umfrageinstituten vorn, die ihm politisch nahestehen.

Nachdem 97 % aller Stimmen ausgezählt sind, kann Chavez weitere sechs Jahre bis 2019 regieren. Das Ergebnis laut Wikipedia sieht so aus:

Candidate

Political party

Votes

 %

Hugo Chávez Great Patriotic Pole

8,062,056

55.14

Henrique Capriles Radonski Democratic Unity Roundtable

6,468,450

44.24

Reina Sequera Workers‘ Power

68,936

0.47

Luis Reyes Authentic Renewal Organisation

8,063

0.05

María Bolívar United Democratic Party for Peace

7,308

0.04

Orlando Chirinos Party for Socialism and Liberty

4,062

0.02

Valid votes

14,618,875

98.1

Invalid/blank votes

282,865

1.89

Total

14,901,740

100

Registered voters/turnout

18,903,937

81 (approx.)

Source: National Electoral Commission

 

Andre Scheer ist recht zu geben: „Das Wahlergebnis in Venezuela ist keine Überraschung“, denn die lange Zeit verarmten Massen hätten viel zu verlieren gehabt, wenn sie Chavez’ Weg zum Sozialismus des 21. Jahrhunderts nicht weiter verfolgt hätten. Kein Präsident vor ihm hat die Öleinnahmen des ressourcenstarken Landes so stark in Bildungs- und Infrastrukturprogramme sowie kostenlose Gesundheitsdienstleistungen investiert. Auch die Mittelschicht profitierte von stabilen, demokratischen Verhältnissen. Dass der Konkurrent Capriles über ein geheimes Wirtschaftsprogramm mit Privatisierungen verfügte, hat kein bürgerliches Medium in Deutschland erwähnt.

Zu begrüßen ist die enorme Wahlbeteiligung, die bei etwa 81 Prozent liegen wird, was eine Steigerung von über sechs Prozent darstellt. Dies ist eine in vielen westlichen Demokratien kaum erreichte Steigerungsrate bei großen nationalen Wahlen, was mit der basisdemokratischen Ausrichtung des bolivarischen Prozesses zusammenhängen dürfte.

Aber eines muss klar sein: In der nächsten Legislatur muss Chavez entweder einen potenziellen Nachfolger aufbauen oder für eine kollektive Führung des Landes sorgen, bei der alle seine Partnerparteien (v. a. die KP) beteiligt werden müssten.

Die Wahlergebnisse im Einzelnen (Quelle: http://www.jungewelt.de/blogs/venezuela-waehlt/index.php?id=1030):

Hugo Chávez: 8062056 Stimmen, 55,14 Prozent
Davon:

  • Vereinte Sozialistische Partei (PSUV): 6287638 Stimmen (43,01%)
  • Kommunistische Partei (PCV): 482317 Stimmen (3,29%)
  • Heimatland für alle (PPT): 216293 Stimmen (1,47%)
  • Revolutionäre Netzwerke (REDES): 195283 Stimmen (1,33%)
  • Wahlbewegung des Volkes (MEP): 183178 Stimmen (1,25%)
  • Tupamaros: 166.772 Stimmen (1,14%)
  • Für die soziale Demokratie (PODEMOS): 153243 Stimmen (1,04%)
  • Fünf weitere Listen mit Ergebnissen von unter einem Prozent

Henrique Capriles: 6468450 Stimmen, 44,24 Prozent
Davon:

  • Tisch der demokratischen Einheit (MUD): 2154021 Stimmen (14,73%)
  • Zuerst Gerechtigkeit (PJ): 1807320 Stimmen (12,36%)
  • Eine Neue Zeit (UNT): 1189959 Stimmen (8,13%)
  • Volkswille (VP): 467532 Stimmen (3,19%)
  • Fortschrittliche Vorhut (AP): 252213 Stimmen (1,72%)
  • 13 weitere Listen mit Ergebnissen von unter einem Prozent

 

 

Siehe auch:

 

http://www.jungewelt.de/blogs/venezuela-waehlt/

http://en.wikipedia.org/wiki/Venezuelan_presidential_election,_2012#Results

http://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4sidentschaftswahl_in_Venezuela_2012

http://www.freitag.de/autoren/der-freitag/fuer-tot-erklaerte-leben-laenger

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Die Junge Welt ist in großer Gefahr

Was sonst noch in der Welt passiert

Die überregionale Tageszeitung Junge Welt fällt aus dem Rahmen, sowohl durch ihre besondere Eigentümerstruktur (sie ist im Besitz einer Genossenschaft, dadurch partei- und konzernunabhängig) als auch ihre klare politische Ausrichtung als marxistische Tageszeitung. Meiner Meinung nach braucht dieses Land neben Süddeutscher Zeitung, FAZ, taz, Welt und anderen mehr oder weniger bürgerlichen Zeitungen ein Presseorgan, das nicht auf Werbeeinnahmen von Konzernen angewiesen ist und die bundesdeutsche sowie internationale Politik aus einer dezidiert anderen Sicht betrachtet (das Neue Deutschland kann keine Alternative dazu sein). Sie trägt erheblich zur Vielfalt der publizistischen Erzeugnisse bei und verwirklicht so ein Stück mehr Demokratie in diesem Land, das sollten alle ihr feindlich gesonnen Meinungsmacher eingestehen können. Ich rufe dazu auf, die Junge Welt durch das Abschließen eines Abonnements oder Spenden zu untersützen und veröffentliche an dieser Stelle den Offenen Brief ihrer MitarbeiterInnen:

Liebe Leserinnen und Leser,

das weitere Erscheinen der jungen Welt ist akut bedroht. Zwar konnten wir im Gegensatz zu fast allen anderen überregionalen Tageszeitungen den Bestand an Abonnements und den Verkauf am Kiosk stabil halten oder sogar steigern. Dennoch haben wir mit existentiellen ökonomischen Problemen zu kämpfen. Dafür gibt es drei Hauptgründe:

1. Die Kosten steigen schneller als die Einnahmen. Zum einen, weil wir für Personal in Verlag und Redaktion deutlich mehr ausgeben als noch vor ein oder zwei Jahren. Zum anderen haben wir die Zeilengelder für hauptberufliche Journalisten verdoppelt. Aber auch andere Kostenfaktoren sind gestiegen, so erhöhten Post und manche Zustelldienste ihre Gebühren erheblich.

2. Mit juristischen Angriffen belasten staatliche Stellen, Einzelpersonen und politische Organisationen unsere Handlungsfähigkeit. Dabei geht es nicht nur um ökonomische Faktoren. Ergebnis ist auch, daß unsere bescheidenen Kräfte zu sehr für die Abwehr solcher Angriffe gebunden werden.

3. Die finanzielle Lage potentieller und schon vorhandener Abonnenten wird schwieriger. Deshalb können wir unsere Probleme nicht einfach durch eine kräftige Preisanpassung lösen. Für manche ist schon heute unsere günstigste Preisstufe, das Sozialabo, kaum oder nicht mehr zu bezahlen.

Im Ergebnis heißt das, daß wir die junge Welt subventionieren. Aber trotz Verzicht auf eine bescheidene Lohnanpassung in diesem Jahr fällt allein für den Zeitraum Januar bis September 2012 ein Verlust von über 100000 Euro an. Voraussichtlich wird dieser bis zum Jahresende auf etwa 140000 Euro anwachsen. Damit ist die Existenz der Zeitung gefährdet. Und zwar nicht nur, weil dieses Geld zur Deckung der aktuellen Kosten fehlt. Es gibt mindestens drei weitere Gründe, warum wir unter solchen Voraussetzungen nicht einfach weitermachen können:

1. Unsere technische Arbeitsgrundlage ist veraltet. Wir arbeiten ohne technisches Redaktionssystem, der Onlineauftritt bedarf einer Neustrukturierung. Eine Umstellung würde auch eine Erneuerung der Hardware erfordern. Da wir aber alle verfügbaren Mittel, also auch Spenden und Genossenschaftseinlagen, vorrangig für die Aufrechterhaltung des Tagesbetriebes benötigen, stehen für diese und andere Schritte notwendige Investitionsmittel nicht zur Verfügung.

2. Die Mitarbeitenden von Verlag und Redaktion leisten ihren Beitrag für den Erhalt der Zeitung nicht nur durch engagierte Arbeit, sie nehmen auch hin, daß sie dafür schlecht bezahlt werden. Allerdings sollte das Gehalt für ein einigermaßen sorgenfreies Wirtschaften ausreichen. Das ist zur Zeit nicht mehr der Fall – und das kann auf Dauer nicht so bleiben.

3. Klar ist, daß finanzielle Stabilität und Unabhängigkeit nur mit einer ausreichend großen Zahl von Leserinnen und Lesern garantiert werden kann, die die junge Welt abonnieren. Das setzt allerdings voraus, daß diese Zeitung und ihr journalistisches Angebot überregional bekannt sind. Auch wenn wir vieles durch Engagement, Originalität und Leserunterstützung ausgleichen, sind dafür erhebliche ökonomische Mittel für Werbung und Aktion nötig. Die stehen uns nicht ausreichend zur Verfügung.

Unsere ökonomische Schieflage können wir nicht durch Sparmaßnahmen korrigieren. Vor allem, weil wir unser journalistisches Angebot nicht reduzieren, sondern verbessern wollen. Es gibt nur eine Möglichkeit, um alle angesprochenen Anforderungen zu erfüllen, also finanzieren zu können: Wir brauchen deutlich mehr Abonnentinnen und Abonnenten. Nur wenn wir durch Einnahmen aus Abonnements die laufenden Kosten für Erarbeitung, Druck und Vertrieb der jungen Welt decken können, stehen Spenden und Genossenschaftsgelder für nötige Investitionen zur Verfügung.

Damit diese Zeitung weiter existieren kann, wenden wir uns heute an alle Nutzerinnen und Nutzer der jungen Welt mit der Bitte, ein Abonnement abzuschließen. Ansprechen möchten wir zunächst jene, die jW im Internet nutzen, am Kiosk kaufen oder irgendwo mitlesen – aber noch kein eigenes Abo haben. Wir bitten aber auch alle Abonnentinnen und Abonnenten, im Rahmen dieser Kampagne im Freundes- und Bekanntenkreis ein reguläres Abonnement zu werben oder zu verschenken. Auf der XVIII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz am 12. Januar 2013 in Berlin werden wir Bilanz ziehen.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Verlag und Redaktion der Tageszeitung junge Welt
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Dokumentation der georgischen Parlamentswahl

Wahlen

Bei den an diesem Montag stattfindenden Parlamentswahlen in Georgien mussten die USA und die NATO den Verlust eines treuen Vasallen verkraften: Michail Saakaschwili wurde klar abgewählt, obwohl er zuvor über eine komfortable Zweidrittelmehrheit im Parlament verfügte. Der Grund für die Wahlniederlage ist offensichtlich: Kurz vor der Wahl wurde ein Video publik, in dem schwere Misshandlungen von jugendlichen Gefangenen durch Mitglieder des Wachpersonals, unter anderem durch Schläge und durch Vergewaltigung mit einem Besenstiel oder Schlagstock, zu sehen waren. Dies hatte den Rücktritt des Innenministers und Großdemonstrationen gegen die Regierung zur Folge (siehe hier).

Davon profitierte Saakaschwilis einziger ernst zu nehmender Konkurrent, der (in Russland reich gewordene) Multimilliardär Bidsina Iwanischwili, der die Gründung der Partei „Georgischer Traum – Demokratisches Georgien“ initiierte. Wie Wikipedia anmerkt, ist diese Partei programmatisch noch relativ desorientiert, hat ideologisch unterschiedliche Mitglieder und eigentlich nur ein einigendes Ziel: die Ablösung von Präsident Saakaschwili, der aber bis Oktober 2013 regulär noch im Amt verbleiben könnte. Diese programmlose, eher russischfreundliche und dem Kapitalismus nicht kritisch gegenüberstehende Partei siegte mit 54,9 % der Stimmen klar vor der Vereinten Nationalen Bewegung von Saakaschwili, die mit 40,2 % einen Absturz um 19 % erlebte. Andere Parteien schafften nicht den Einzug ins Parlament, auch nicht die seit 2008 mit sechs Abgeordneten im Parlament vertretene, linkssozialistische Georgische Arbeiterpartei, die ähnlich wie die Christdemokraten sechs Prozent ihrer Stimmen verlor.

Der Verlust von Saakaschwili dürfte aber zu verkraften sein, denn bislang hat Iwanischwili nichts in der Richtung gesagt, dass er keine Mitgliedschaft mehr in EU oder NATO anstrebt. Vielmehr ging es ihm um eine Normalisierung der Beziehungen zu Russland, was angesichts der Konflikte um die abtrünnigen Republiken Südossetien und Abchasien auch angebracht erscheint.

Ergebnis der georgischen Parlamentswahlen 2012

Partei

Parteiliste

Wahlkreise

Sitze
total

+/−

Stimmen

%

Sitze

Sitze

%

Georgischer Traum – Demokratisches Georgien

1.179.930

54,92 %

44

43

58,9 %

87

+87
Vereinte Nationale Bewegung

867.102

40,22 %

33

30

41,1 %

63

−56
Christdemokraten

43.913

2,04 %

0

0

0 %

0

−6
Georgische Arbeiterpartei

26.674

1,24 %

0

0

0 %

0

−6
Neue Rechte

9.297

0.44 %

0

0

0 %

0

−17
Freies Georgien

1.024

0,05 %

0

0

0 %

0

±0
Andere

20.996

0,98 %

0

0

0 %

0

±0

Ungültige Stimmen

19.945

Gesamt

3.613.851

100,00 %

77

73

100,0%

150

Wähler und Wahlbeteiligung

2.148.936

59,79 %

Quelle: Zentrale Wahlkommission Georgiens (http://de.wikipedia.org/wiki/Parlamentswahlen_in_Georgien_2012#Ergebnisse)

Siehe auch:

http://www.jungewelt.de/2012/10-04/034.php?sstr=georgien http://de.wikipedia.org/wiki/Parlamentswahlen_in_Georgien_2012#Ergebnisse

http://www.taz.de/Konflikt-zwischen-Russland-und-Georgien/!102876/

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Lese-Tipp des Tages: Kein Schweigen mehr über Israels Besatzungsregime

Was sonst noch in der Welt passiert

Folgendes Buch scheint mir für alle am Nahostkonflikt Interessierten lesenswert, da es ein authentisches Bild von der Lage in den von Israels Armee besetzten Palästinensergebieten bieten könnte:

Breaking the Silence. Israelische Soldaten berichten von ihrem Einsatz in den besetzten Gebieten. Econ-Verlag, Berlin 2012, 416 Seiten, 19,99 Euro

Weitere Informationen sind hier und hier zu finden.

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