
Die vergangenen Sonntag in der Ukraine stattgefundenen Parlamentswahlen haben keine wesentliche Veränderung der politischen Verhältnisse gebracht. Verändert wurde vor der Wahl das Wahlsystem: Von einem reinen Verhältniswahlsystem ist man wieder zum alten Mischsystem mit 225 direkt gewählten und 225 nach Proporz gewählten Abgeordneten gewechselt.
Die prorussische Partei der Regionen mit ihrer starken Verankerung in der Ostukraine wurde klar stärkste politische Kraft und kann die Koalition mit der um acht Prozent verbesserten Kommunistischen Partei fortsetzen, sofern sie noch einige der 43 direkt gewählten, „unabhängigen“ Abgeordneten für sich gewinnt. Die prowestliche Opposition bleibt eine Minderheit, allerdings sind einige neue Akteure auf die Bühne getreten, vor allem Vitali Klitschkos neu gegründete UDAR wollte sich an die Spitze der Opposition setzen. Dies misslang aber eindeutig, denn UDAR lag nur knapp vor den Kommunisten auf Platz drei. Stärkste Oppositionskraft wurde das Parteienbündnis Vaterland, in dem sich auch die Partei der inhaftierten Ex-Regierungschefin Timoschenko beteiligte.
Nicht unerwarteterweise wurde die Wahl relativ schnell als Rückschritt und undemokratisch qualifiziert – schließlich hat ja der (aus Sicht der EU) Falsche gewonnen. Da selbst linke Wahlbeobachter von einigen Mängeln im Wahlprozess sprachen, soll nicht daran gezweifelt werden, dass die Wahl nicht unseren westlichen Standards entsprach (wobei man mit Blick auf die USA und den hohen Spenden von potenten Geldgebern vorsichtig sein sollte, wenn man anderen undemokratische Wahlen vorwirft). Nur ein Argument sollte bitteschön nicht (wie in der MZ) als „Beweis“ für mangelnde Fairness herhalten: Dass nämlich die bekannteste Oppositionspolitikerin sich auf Grund ihrer Haftstrafe nicht an der Wahl beteiligen konnte. Diese Frau, die offensichtlich nach ukrainischem Recht sich einiges hat zuschulden kommen lassen (siehe Frank Schumann: Die Gauklerin – Der Fall Timoschenko. edition ost, Berlin 2012), durfte aus guten Gründen nicht als Abgeordnete kandidieren. Wer würde in Deutschland denn hinnehmen, dass jemand in das höchste nationale Parlament gewählt werden darf, wenn er oder sie wegen Amtsmissbrauch und Bestechung verurteilt worden wäre? So etwas ist wohl bestenfalls noch in Italien möglich, aber wie wir diese Woche erfahren haben, sind auch dort die besten Zeiten eines Silvio Berlusconi vorbei.
Scharf zu verurteilen sind die (teils schon verwirklichten) Pläne der prowestlichen Opposition, mit der rechtsextremen Partei Swoboda, mit der erstmals eine klar faschistische Partei in ein ukrainisches Parlament gewählt wurde, zu kooperieren. Und ein Problem ist ganz offensichtlich: Der Frust der Bevölkerung mit dem korrupten System wächst, die Wahlbeteiligung sank auf 58 Prozent. Aber auch dieses Phänomen ist in westlichen Systemen zu beobachten.
Das Ergebnis nach Wikipedia:
Partei |
Anteil |
Verhältnis- |
Wahlkreis- |
Gesamtsitze |
|
Partei der Regionen | 30,59 % | 74 | 117 | 191 | |
Vaterland (einschl. Geeinte Opposition) | 25,12 % | 61 | 42 | 103 | |
UDAR | 13,75 % | 33 | 6 | 39 | |
Kommunistische Partei der Ukraine | 13,42 % | 33 | — | 33 | |
Swoboda | 10,18 % | 24 | 10 | 34 | |
Ukraine – Vorwärts! | 1,59 % | — | — | ||
Unsere Ukraine | 1,10 % | — | — | — | |
Radikale Partei | 1,08 % | — | 1 | 1 | |
Partei der Rentner der Ukraine | 0,56 % | — | — | — | |
Sozialistische Partei der Ukraine | 0,45 % | — | — | — | |
Partei der Grünen der Ukraine | 0,34 % | — | — | — | |
Ukrainische Partei „Grüner Planet“ | 0,34 % | — | — | — | |
Russischer Block | 0,31 % | — | — | — | |
Grüne | 0,25 % | — | — | — | |
Ukraine der Zukunft | 0,21 % | — | — | — | |
Politische Union „Heimisches Vaterland“ | 0,16 % | — | — | — | |
Volksarbeitsunion | 0,11 % | — | — | — | |
Neue Politik | 0,10 % | — | — | — | |
Hromada | 0,08 % | — | — | — | |
Ukrainische Nationalversammlung | 0,08 % | — | — | — | |
Liberale Partei der Ukraine | 0,07 % | — | — | — | |
Geeinte Mitte | — | — | 3 | 3 | |
Volkspartei | — | — | 2 | 2 | |
Union | — | — | 1 | 1 | |
„Unabhängige“ | — | — | 43 | 43 | |
Ungültige/leere Zettel | — | — | — | — | |
Gesamt (Wahlbeteiligung 57,98 %) |
225 |
225 |
450 |
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Quelle: Proportionale Stimmen, Wahlkreissitze Zentrale Wahlkommission (ukrainisch) | |||||
Siehe auch:
»Bedenkliche Bündnisse mit den Faschisten«, Junge Welt vom 30.10.
Klitschko k.o., Junge Welt vom 30.10.
Schöne Bescherung, Junge Welt vom 27.10.
