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Aufruf zur Demonstration am Dienstag, den 30. April 2013

Hochschulpolitik

WIR SIND SACHSEN-ANHALT!

In großer Sorge um die Zukunft unseres Landes setzen wir unseren entschiedenen Widerstand gegen die Kürzungspläne der Landesregierung. Die Schließung eines Universitätsklinikums, einer Medizinischen Fakultät und weiterer Fakultäten unserer

Hochschulen könnten Folgen der unverantwortlichen Sparorgie sein. Wir werden nicht zulassen, dass unsere Landeskinder jenseits der Landesgrenzen studieren müssen. Wir wollen jungen Fachkräften eine Perspektive in Sachsen-Anhalt geben. Wir werden nicht hinnehmen, dass die medizinische Versorgung der Menschen in Gefahr gerät. Wir brauchen einen gesicherten Nachwuchs an Ärztinnen und Ärzten – und wir können und wollen ihn selbst ausbilden!

 

Wortbrüchige Politiker wollen unser Land ruinieren:

Nicht mit uns!

 

WIR SIND SACHSEN-ANHALT!

Wir rufen alle Bürgerinnen und Bürger Sachsen-Anhalts, alle Beschäftigten der Universitäten, der Fachhochschulen, der Universitätsklinika und alle Studierenden auf

zur

Demonstration

Treffpunkt: 15 Uhr Stadtpark/Ecke Campus Magdeburger Straße, Marsch zum Markt,

und anschließend

Kundgebung ab 16.00 Uhr auf dem Markt

 

Aufruf_Demo 30.04.2013

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Effizientere Märkte? Über den Nutzen der Privatisierung der Wasserversorgung (Teil 3)

Antikapitalismus

Staatsversagen und Regierungsüberlastung in der neoliberalen Theorie

Nach Teil 1 und Teil 2 folgt heute der dritte Teil meiner Arbeit über die Privatisierung von Wasser. Hier möchte ich darstellen, wie neoliberale Theoretiker das Staatsversagen und die Überlastung der Regierung begründen.

Ein Standardargument neoliberaler und konservativer Denker und Politiker ist, dass der Staat zu groß sei und sich bei Übernahme öffentlicher Aufgaben überfordert habe. In Deutschland begann dieser „Unregierbarkeits“diskurs Ende der 1970er Jahre. In den Zeitungen und Publikationen häuften sich Klagen über sinkendes Wachstum, den ausufernden Sozialstaat, Weltwirtschafts-, Umwelt- und Legitimationskrise. Es war eine seltene Übereinstimmung von rechter und linker Krisendiagnose zu beobachten (Vgl. Offe (1982): 295).

Offe nennt zwei Komponenten der konservativen Unregierbarkeitsdiagnose. Das chronische Staatsversagen ergibt sich demnach einerseits aus einer „Erwartungs-Überlastung“ (Hervorhebung im Original), dem der Staat nicht ausweichen kann. Gemeint sei „die ‚Überdehnung’ sozialstaatlicher Teilhabe- und demokratischer Teilnahmeansprüche – eine unangemessene Politisierung von Themen und Konflikten, in der sich die ‚ungezügelte und unreflektierte Begehrlichkeit [der] Bürger’ ausdrückt“ (Ebd.: 297). Staatsziele wie Sicherheit und Gleichheit werden in der Moderne so weit ausgelegt, dass der Staat zwangsläufig überfordert wird. Sicherheit werde nicht nur als Schutz vor äußeren Bedrohungen, sondern auch als Sicherung der materiellen Grundlage verstanden. Gleichheit gilt nicht mehr nur als Gleichheit vor dem Gesetz, sondern werde als materielle Gleichheit ausgelegt (Matz (1977): 95 und 98).

Die zweite Komponente der Unregierbarkeit sei, dass der Staat diesen Erwartungen nicht entsprechen könne, weil die Steuerungskapazitäten der staatlichen Verwaltung zu klein sind. Aus diesem Nichterfüllen von hohen Erwartungen entstehe eine Frustration über die Parteien und ihre Politik, die zu verschärfter Polarisierung des Parteienwettbewerbs oder Polarisierung zwischen Parteiensystem und sozialen Bewegungen führt. Eine der möglichen Auswege aus der Regierbarkeitskrise sind in dieser Lesart die hier zur Diskussion stehenden Einschränkungen der Teilhabeansprüche an den Staat durch die Übertragung öffentlicher Dienstleistungen an den Markt (Vgl. Offe (1982): 298f.).

Anthony King fasst die Theorie der Regierungsüberlastung in drei Hypothesen: Erstens sei die Zahl der Regierungsaufgaben in den modernen Wohlfahrtsstaaten erheblich gestiegen, wodurch Politik für immer mehr Aspekte der gesellschaftlichen Steuerung verantwortlich gemacht wird und die Erwartungen der Wähler zunehmend eskalieren. Zweitens seien aber die Leistungskapazitäten des Regierungssystems wegen zunehmender Komplexität der politischen Aufgaben nicht gestiegen, weshalb drittens die Regierungen in den Wohlfahrtsstaaten die Erwartungen der Wähler nicht mehr erfüllen können und überlastet sind (Vgl. Lehner (1979): 26f.). Lehner kritisiert diese „simple Theorie“, weil sie die „Zusammenhänge zwischen Aufgabenbreite von Politik, den Erwartungen an die Politik, den Handlungsrestriktionen der Politik und der daraus resultierenden Regierungsüberlastung […] nicht näher präzisiert“ (Ebd.: 27). Hinzu komme, dass eine Eskalation der Wählererwartungen empirisch nicht nachweisbar ist (Vgl. ebd.: 37 und 78-80).

Schon bei Adam Smith lassen sich zwei Argumente der heutigen Privatisierungsanhänger finden. Smith schreibt bei der Begründung des Verkaufs englischer Kronländereien, dass damit der Staatshaushalt entlastet sowie Schulden abgebaut werden können und die Bearbeitung des Bodens durch private Eigentümer eine höhere Qualität habe (Engartner (2008): 97). Staatliche Aktivität in der Wirtschaft sieht er negativ, weil sie in der Regel Verluste bringt und zugleich der Staat notwendige Investitionen tragen muss. Falls Gewinn erwirtschaftet wird, reiche dieser nicht für eine ausreichende Eigenkapitalbildung aus (Vgl. Engartner (2008): 98).

Die Privatisierung wird außerdem mit der Erwartung stärkeren Wirtschaftswachstums verbunden. Mitte der 1970er Jahre endete in den meisten Industrieländern eine nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs einsetzende Phase andauernden Wachstums, die auch in Deutschland zu sinkenden Steuereinnahmen, Erhöhung der Staatsschulden durch höhere Ausgaben für Sozialleistungen und ausfallenden Sozialversicherungsbeiträgen führte. Vor dem Hintergrund maroder Schulgebäude, drohender und umgesetzter Theater- und Schwimmbäderschließungen wurde den Bürgern erfolgreich das Bild eines überforderten Staates, der einige Aufgaben an Private abgeben müsse, präsentiert (Vgl. ebd. (2008): 99f.). Ein weiteres großes Problem in dieser Zeit war aus neoliberaler Sicht die ausufernde Inflation, die den damals noch sehr mächtigen Gewerkschaften und ihren hohen Lohnforderungen angelastet wurden (Vgl. Schäfer (2008): 7).

Die ineffiziente Misswirtschaft des Staates wird kritisiert wegen der „Tatsache, dass den Steuerzahler(inne)n als den eigentlichen Eigentümer(inne)n und Nutzer(inne)n jegliche Einflussnahme auf Unternehmensentscheidungen versagt bleibt, sämtliche Betriebsverluste hingegen auf sie abgewälzt werden […]“. Die Verschwendung werde durch die fehlende Möglichkeit des Konkurses öffentlicher Unternehmen noch verschärft (Engartner (2008): 100).

Die EU-Kommission „glaubt, dass die Privatisierung von öffentlichen Leistungen – inklusive der Wasserversorgung – der Gesellschaft Vorteile bringen kann, wenn sie sorgfältig umgesetzt wird“ (Zitiert nach Rösner (2012)). Sie wolle daher einen Rechtsrahmen setzen, der für die Vermeidung des Missbrauchs durch private Monopolanbieter sorgt. Mit der gegenwärtig geplanten Konzessionsrichtlinie soll in der gegenwärtigen Krise des Binnenmarktes die wirtschaftliche Situation in Europa verbessert werden, indem sich mehr private Unternehmen im Bereich öffentlich finanzierter Infrastruktur wirtschaftlich engagieren können. Dazu soll nun das Vergabeverfahren öffentlicher Aufträge vereinfacht werden, um auch kleineren mittelständischen Unternehmen einen besseren Zugang zu öffentlichen Aufträgen zu verschaffen (Vgl. ebd.).

Der zuständige EU-Kommissar Barnier will europaweit einheitliche Regeln zur Vergabe von öffentlichen Konzessionen schaffen mit dem Ziel, mehr Wettbewerb und Chancengleichheit zwischen Unternehmen sowie vor dem Hintergrund der Staatsschuldenkrise eine bessere Transparenz beim Einsatz von Steuergeldern zu erreichen. Einen Zwang zur Privatisierung sieht er in der neuen Richtlinie nicht, weil die Kommunen frei entscheiden können, an wen sie öffentliche Aufträge wie die Wasserversorgung vergeben (Wiener Zeitung (2013)). Gegner der Richtlinie kritisieren, dass nach dem Richtlinienentwurf eine Kooperation mehrerer Kommunen, die sich einzeln die Wasserversorgung nicht leisten können, in Form von Wasserverbänden keine öffentlichen Aufträge mehr annehmen dürften. So entstehe für solche Kommunen durch die Vorgabe einer EU-weiten Ausschreibung ein indirekter Druck zur Vergabe der Wasserversorgung an Private (Vgl. ebd.).

Zusammenfassend gesagt sehen neoliberale und konservative Denker eine Überforderung des Staates durch einerseits zu hohe Ansprüche der Bürger und andererseits eine für die wachsende Komplexität der Aufgaben zu geringe Leistungskapazität der Regierung. Diese Überforderung bzw. Überlastung könne durch das Übertragen von öffentlichen Aufgaben an den Markt behoben werden, was den Staatshaushalt entlaste und zur Verringerung der Schulden beitrage.

Unabhängig davon, ob die EU-Kommission wirklich eine Privatisierung oder Liberalisierung der Wasserversorgung plant, sollen im folgenden Abschnitt die empirischen Folgen bisher realisierter Privatisierungen dargestellt werden.

 

Zitierte Quellen:

  • Engartner, Tim (2008): Privatisierung und Liberalisierung. Strategien zur Selbstentmachtung des öffentlichen Sektors. In: Christoph Butterwegge, Bettina Lösch und Ralf Ptak (Hg.): Kritik des Neoliberalismus. 2. Aufl. Wiesbaden: VS, Verl. für Sozialwiss, S. 87–133.
  • Butterwegge, Christoph; Lösch, Bettina; Ptak, Ralf (Hg.) (2008): Kritik des Neoliberalismus. 2. Aufl. Wiesbaden: VS, Verl. für Sozialwiss.
  • Hennis, Wilhelm (Hg.) (1977): Regierbarkeit. Studien zu ihrer Problematisierung. 2 Bände. Stuttgart: Klett.
  • Lehner, Franz (1979): Grenzen des Regierens. Eine Studie zur Regierungsproblematik hochindustrialisierter Demokratien. Königstein/Ts: Athenäum-Verl.
  • Matz, Ulrich (1977): Der überforderte Staat. Zur Problematik der heute wirksamen Staatszielvorstellungen. In: Wilhelm Hennis (Hg.): Regierbarkeit. Studien zu ihrer Problematisierung, Bd. 1. 2 Bände. Stuttgart: Klett, S. 82–102.
  • Offe, Claus (1982): „Unregierbarkeit“. Zur Renaissance konservativer Krisentheorien. In: Jürgen Habermas (Hg.): Stichworte zur „geistigen Situation der Zeit“/ Bd. 1 Nation und Republik, Bd. 1. 4. Aufl. 2 Bände. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 294–318.
  • Rösner, Christian (2012): EU will Wien ans Wasser. In: Wiener Zeitung, 10.12.2012. Online verfügbar unter http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wien/stadtpolitik/ 507915_EU-will-Wien-ans-Wasser.html, zuletzt geprüft am 12.03.2013.
  • Schäfer, Armin (2008): Krisentheorien der Demokratie. Unregierbarkeit, Spätkapitalismus und Postdemokratie. MPIfG (Köln). Köln. Online verfügbar unter http://www.mpifg.de/pu/mpifg_dp/dp08-10.pdf, zuletzt geprüft am 21.03.2013.

Nächster Teil: „Sind Privatunternehmen effizienter? – Blick auf die Empirie“

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Effizientere Märkte? Über den Nutzen der Privatisierung der Wasserversorgung (Teil 2)

Antikapitalismus

Der Markt in der neoliberalen Theorie

Heute folgt Teil 2 meiner Arbeit zum vermeintlichen Nutzen von Privatisierungen am Beispiel der Wasserversorung (Teil 1 hier).

Die These des gegenüber dem Staat effektiveren und effizienteren Marktes gehört zu den Grundannahmen des Liberalismus. Einer der prominentesten Vertreter des modernen Neoliberalismus ist Milton Friedman, der sich selbst und seine Grundsätze dem Liberalismus im Sinne des 18. und frühen 19. Jh., der die Rolle des Individuums und dessen Freiheit betonte, zuordnet (Vgl. Friedman (2002): 27-29). Wie begründet sich bei ihm die hervorgehobene Stellung des Marktes bei der gesellschaftlichen Steuerung?

In „Kapitalismus und Freiheit“ stellt Friedman die These auf, dass eine Vermehrung von wirtschaftlicher Freiheit bzw. ein Weniger an Interventionen des Staates zu mehr bürgerlicher und politischer Freiheit führt. Für ihn gehören Freiheit und wettbewerbsorientierter Kapitalismus untrennbar zusammen, Freiheit und Sozialismus können dagegen nie zusammen auftreten (Vgl. ebd.: 17). Friedman argumentiert mit der Grundüberzeugung, dass „die Bewahrung der individuellen Freiheit das Hauptziel aller sozialen Einrichtungen ist; […] staatliche Eingriffe in die private Sphäre die größte Bedrohung für diese Freiheit sind; […] freie Märkte für Güter und Ideen die entscheidende Vorbedingung für die individuelle Freiheit bleiben“ (Ebd.: 19).

In dieser Sicht ist jede Form von Regierungshandeln potenziell freiheitsgefährdend, doch zwei in der amerikanischen Verfassung festgeschriebene Prinzipien sichern die individuelle Freiheit: die Beschränkung des Spielraums der Regierung und die dezentrale Verteilung der Macht der Regierung durch den Föderalismus. Demnach gehört zu den Aufgaben der Regierung bzw. des Staates vorrangig das Schützen der bürgerlichen Freiheiten vor äußeren Bedrohungen (damals z. B. vor dem Kommunismus der Sowjetunion), die Sorge für Gesetz und Ordnung, die Sorge für die Einhaltung privater Verträge und des Funktionierens des Wettbewerbs auf den Märkten. Zu den staatlichen Aufgaben gehört nach Friedman außerdem das Definieren der Eigentumsrechte, das Ermöglichen von Veränderungen an Gesetzen, die Schiedsrichter-Rolle bei der kontroversen Auslegung der Gesetze, das Schaffen eines monetären Systems sowie die Unterstützung der privaten Wohlfahrt und der Fürsorge der Familien für Kinder und Geisteskranke (Vgl. ebd.: 25f. und 59). Bevor der Staat weitere Aufgabe übernimmt, sollte immer berechnet werden, ob freiwillige Kooperationen der Bürger oder privater Unternehmergeist sie besser erfüllen könnten.

Friedman begründet die beschränkte Staatsgewalt nicht nur mit der Bewahrung der Freiheit. Ein weiterer Grund sei, dass große zivilisatorische Fortschritte und Erfindungen in Architektur, Wissenschaft, Industrie etc. ihren Ursprung nie im Handeln einer Regierung, sondern in genialen Leistungen von Individuen hatten. Die Leistungsfähigkeit dieser vielfältigen individuellen Handlungen könne der Staat nicht in gleicher Weise hervorbringen. Staatliche Normierung, wie z. B. uniforme Standards im Wohnungsbau oder bei Lebensmitteln, kann zwar unter bestimmten Umständen das Leben vieler Menschen verbessern, würde aber langfristig „Fortschritt durch Stagnation ersetzen und an die Stelle der Vielfalt uniforme Mittelmäßigkeit setzen“ (Ebd.: 26f.).

Für Friedman hat wirtschaftliche Freiheit eine doppelte Bedeutung für eine freiheitliche Gesellschaft: Zum einen sei sie selbst Teil der individuellen Freiheit und daher ein Ziel für sich. Zum anderen sei sie ein notwendiger Bestandteil, um politische Freiheit zu verwirklichen. Der Wettbewerbskapitalismus bringe wirtschaftliche Freiheit, weil er wirtschaftliche und politische Macht trennt und gegenseitig neutralisiert (Vgl. ebd.: 30-32). Dies belegt er zunächst mit der historischen Evidenz, dass es in der menschlichen Geschichte keine politisch freie Gesellschaft gab, die nicht zugleich auch so etwas wie freie Märkte hatte. Außerdem gäbe es eine logische Verbindung zwischen politischer Freiheit und freien Märkten, die mit der Lösung des Grundproblems sozialer Ordnung, nämlich der Koordination der Wirtschaftsaktivitäten einer großen Gruppe von Menschen, zusammenhängt. Grundvoraussetzung für eine gelingende Koordination ist die Arbeitsteilung, die aber die Schwierigkeit hervorruft, die durch sie entstehenden Abhängigkeiten mit der individuellen Freiheit in Einklang zu bringen (Vgl. ebd.: 35f.).

Es seien nur zwei Koordinationsmechanismen vorstellbar: eine mit Zwangsmaßnahmen, zentral gelenkte Koordination und eine auf freiwilliger Kooperation einzelner Individuen basierende Koordination. Letztere marktwirtschaftliche Koordination ist nur möglich und sinnvoll, wenn beide Parteien einer wirtschaftlichen Transaktion von ihr profitieren und die Transaktion von beiden freiwillig und bei vollständigem Wissen über die Transaktion erfolgt. Der freiwillige Austausch ermöglicht also eine Koordination ohne Zwangsmaßnahmen in einer auf Wettbewerb und privatem Unternehmertum beruhenden Marktwirtschaft. Vorausgesetzt wird dabei, dass die Individuen wirklich frei sind, an einem bestimmten Tauschvorgang teilzunehmen oder nicht teilzunehmen. Für diese Freiheit bedarf es Gesetzen, die physischen Druck von Individuen auf andere verhindern und das Einhalten von Verträgen garantieren. Des Weiteren sollen Gesetze Monopole verhindern und Probleme durch negative Effekte bei Dritten (externe Effekte) regeln. Dann sei garantiert, dass kein Käufer gezwungen ist, bei einem einzigen Verkäufer einzukaufen, oder dass kein Arbeitnehmer genötigt ist, bei einem bestimmten Arbeitgeber zu arbeiten, denn der Markt bietet immer eine Alternative (Vgl. ebd.: 36-38).

Der Vorzug des Marktes ist also, dass er die von der Regierung zu regelnden Probleme reduziert. Es gibt zwar einen Kreis nicht teilbarer Bereiche, in denen es auf politischem Wege zu einer Einigung aller kommen muss und eine proportionale Repräsentation aller Interessen nicht möglich ist (z. B. die Landesverteidigung). Dieser Problemkreis dürfe aber nicht beliebig erweitert werden, weil dies den Zusammenhalt der Gesellschaft gefährden und die Gefahr der Spaltung vergrößern würde (Vgl. ebd.: 47). Die Frage ist, gehört die Wasserversorgung zu diesem unteilbaren Bereich, der nicht vom Markt, sondern durch den Staat reguliert werden muss? Würde es den sozialen Zusammenhalt gefährden, wenn die Menschen durch staatliche Anbieter mit Wasser versorgt werden?

Bei der Bekämpfung von Monopolen unterscheidet Friedman zwischen durch Subventionen des Staates oder Unternehmensabsprachen entstandenen Monopolen und sog. „technischen Monopolen“. Letztere seien wesentlich seltener als die anderen Monopole und entstehen, wenn es aus technischen Gründen effizienter ist, wenn nur ein Unternehmer ein Netz installiert. Hierbei wären wiederum drei Formen eines technischen Monopols vorstellbar: ein Privat-, ein Staatsmonopol oder die Form einer öffentlichen Kontrolle. Friedman hält im Gegensatz zu Henry Simons und Walter Eucken das Privatmonopol für das geringste der drei Übel, weil private Monopolisten auf die sich schnell wandelnden Bedingungen, die zu technischen Monopolen führen, am besten reagieren könnten (Vgl. ebd.: 52f.). Einen validen empirischen Nachweis für diese Behauptung liefert Friedman allerdings nicht. Er schränkt nur ein, dass eine öffentliche Kontrolle oder das staatliche Monopol dann vorzuziehen sind, wenn sich das Monopol auf unentbehrliche Dienstleistungen und Waren bezieht und „wenn die Monopolstellung sehr stark ist“ (Ebd.: 53).

Hieraus ließe sich der Schluss ziehen, dass auch Neoliberale das Wasser dem Zugriff des Marktes entziehen würden, weil es doch als unentbehrlich zu betrachten ist. Trotzdem wird das Wasser in einigen Ländern von Privatunternehmen geliefert und plant die EU-Kommission eine Liberalisierung des Wassermarktes. Wie begründet die EU-Kommission ihr Vorhaben? Warum ist der Staat bzw. öffentliche Sektor aus neoliberaler Sicht so ineffizient bei wirtschaftlichen Aktivitäten?

 

Zitierte Quelle:

  • Friedman, Milton (2002): Kapitalismus und Freiheit. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Eichborn

 

Nächster Teil: „Staatsversagen und Regierungsüberlastung in der neoliberalen Theorie

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Präsidentschaftswahl Venezuela: Bolivarischer Sozialismus siegt knapp

Wahlen

Der Tod von Hugo Chavez nur wenige Tage nach Beginn seiner dritten Amtszeit war für die Mehrheit der Venezolaner und für viele solidarische linke Gruppen ein Schock. Er war auch eine Herausforderung für das bislang unvollendete Projekt des bolivarischen Sozialismus des 21. Jahrhunderts, den Chavez in Venezuela und mittels des lateinamerikanischen Staatenbündnisses ALBA auch in Lateinamerika aufbauen wollte. War der Prozess der bolivarischen Revolution schon soweit vorangeschritten, dass er auch ohne die charismatische Führungspersönlichkeit Chavez fortgesetzt werden kann?

Die erforderliche Neuwahl des Präsidenten zeigt: ja, auch ohne Chavez steht die Mehrheit der Venezolaner hinter dem Aufbau des Sozialismus. Der Wunschnachfolger von Chavez, Nicolás Maduro (PSUV), siegte aber nur mit knapper Mehrheit von 50,7 Prozent. Damit blieb Maduro (auf Grund der Wahlumfragen) überraschend deutlich hinter den 54,42 Prozent, die Chavez im vergangenen Oktober erhielt. Doch 50,7 Prozent ist eine absolute Mehrheit, er ist der Sieger der Wahl – das würde jede Zeitung schreiben, wenn Merkel im September zusammen mit der FDP auf 50,7 Prozent kommen würde (was sehr unwahrscheinlich ist). Doch wenn ein venezolanischer Sozialist auf 50,7 Prozent kommt, dann schreibt die FAZ: „Der Wahlsieger […] tritt sein Amt als Verlierer an.“ Die Süddeutsche Zeitung schreibt: „Erschöpft ist der Chavismus so oder so [also unabhängig davon, ob die Stimmen korrekt ausgezählt wurden oder nicht].“ Es wird vom zu großen Einfluss Kubas gesprochen und vom falschen Kandidaten. Ist das eine unparteiische oder faire Berichterstattung?

Nein, das ist von der bürgerlich-liberalen Presse nicht zu erwarten. Sie verteidigt die Interessen ihrer Geldgeber, also der bürgerlichen Kapitalistenklasse. Sie schreiben aus der Sicht des Wahlverlierers Capriles, der sich im Wahlkampf unglaubwürdigerweise zum Teil als ausgewiesenen Sozialisten zu vermarkten suchte. Dabei hat er die gesamte rechte bis reaktionäre Opposition hinter sich vereint. Trotzdem reichte es auch diesmal nicht, auch wenn er sich im Vergleich zu Oktober um fast fünf Prozent (ein Plus von ca. 1,1 Mio. Stimmen) auf 49,0 Prozent verbessert hat. Nur in der bürgerlichen Demokratie sind 49 Prozent eben nicht die Mehrheit.

Die Ergebnisse der übrigen Kandidaten lauten:

Eusebio Mendez

New Vision for my Country

19,475

0.13 %

María Bolívar

United Democratic Party for Peace and Freedom

13,278

0.08 %

Reina Sequera

Worker’s Party

4,229

0.02 %

Julio Mora

Democratic Unity Party

1,928

0.01 %

PS: Die Vorwürfe der Wahlfälschung sind bislang nicht bewiesen, eine Überprüfung von 54 Prozent der abgegebenen Stimmen hat keine Unregelmäßigkeiten

Quellen:

Junge Welt:

»Verlierer«, »Mann Havannas«, »Entzauberer«

Warnung vor Putsch

»Die Revolution braucht eine kollektive Führung«

FAZ: 16.04., S. 1

Süddeutsche Zeitung: „Erbe ohne Charisma

Wikipedia

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Senat einstimmig gegen geplante Kürzungen bei Hochschulen

Hochschulpolitik

Die letzte Senatssitzung hat wieder die Kondition aller Senatsmitglieder und der zahlreich erschienenen Öffentlichkeit beansprucht. Nach fast fünfeinhalb Stunden waren alle Tagesordnungspunkte abgearbeitet, wobei vor allem die Diskussion der aktuellen Kürzungspläne im Mittelpunkt der Sitzung stand.

 

Senat verabschiedet Resolution gegen Kürzungspläne

Zunächst hat Rektor Prof. Sträter die Pläne der Regierung und die Ergebnisse eines Gesprächs von LRK (Landesrektorenkonferenz) und Spitzenpolitikern der Landesregierung vorgetragen. Der Rektor führte aus, dass das Land für 2014 einen Einjahreshaushalt plane und daher auch die Zielvereinbarung der MLU mit dem Land nur um ein Jahr verlängert wird. Für eine langfristige Planungssicherheit wäre allen Mitgliedern des Senats eine fünfjährige Laufzeit der Zielvereinbarung lieber gewesen. Oberstes Zeil der Landesregierung ist das Vermeiden von neuen Schulden und das Abtragen der Altschulden in Höhe von etwa 20 Mrd. Euro. Der Finanzminister rechnet damit, dass wegen des Auslaufens des Solidarpaktes 2019 1,5 Mrd. Euro weniger für den Landeshaushalt zur Verfügung steht. Daher müsse man nun sparen, und zwar auch im Wissenschaftsetat (beträgt derzeit rund 613 Mio. Euro). Der Finanzminister plant für 2014 ein sofortiges Kürzen des Wissenschaftsetats um 26,5 Mio., ab 2015 dann um jährlich 5 Mio. Euro bis 2025. Im Wissenschaftsetat sind nicht nur die Landeszuschüsse für die Universitäten und Hochschulen, sondern auch die Ausgaben für die Universitätskliniken, Studentenwerke, Forschungsförderung, Graduiertenförderung und anderes enthalten. Der Rektor kritisierte die schlechte Pressekampagne der Regierung, wo z. B. fälschlicherweise behauptet wurde, dass das Land 55.000 Studierende finanzieren würde. Schön wär’s, dann hätte die MLU nie eine Strukturdebatte anfangen brauchen, denn in Wahrheit finanziert das Land nur etwa 34.000 Studierende landesweit.

Der Rektor sprach von wenig erquicklichen Gesprächen mit den Politikern, die die positiven Wirkungen der Universität für regionale Wirtschaft und die Wissenschaft nicht wirklich sehen bzw. verstehen wollen. Außerdem wird kaum verstanden, dass man nicht von heute auf morgen fünf Mio. Euro einsparen und irgendwelche freiwerdenden Professuren streichen kann, ohne die Gesamtstruktur ganzer Institute oder Fachbereiche anzugreifen. Der Rektor beendete diesen TOP mit folgender Zusammenfassung, wie er sich das weitere Vorgehen vorstellt, ohne dass der Senat dazu ein Votum abgab:

  • Der Rektor erarbeitet in Abstimmung mit dem Rektorat einen Profilvorschlag, der in der Koordinierungskommission beraten wird.
  • Dazu erfolgt eine enge Abstimmung mit den Dekanen.
  • Diskussionen im Senat werden in den regulären Senatssitzungen geführt. Die für Mai angekündigte Klausursitzung wird voraussichtlich auf Juli verschoben.
  • Ein detaillierter Zeitplan wird im Laufe der Zeit erarbeitet.

Aktueller Stand der internen Profildiskussion

Die interne Struktur- und Profildiskussion in der Koordinierungskommission, die bis zur Senatssitzung dreimal tagte, kam zu dem Ergebnis, dass sie ihren Auftrag vom Dezembersenat nicht erfüllen konnte. Das vorliegende Datenmaterial, mit dem eine Stärke-Schwäche-Analyse jeder Fakultät erarbeitet und das Profil der Universität vorbereitet werden sollte, sei nicht aussagekräftig genug. Strukturüberlegungen allein auf einer Stärken-Schwächen-Analyse vorzunehmen, die auf Zahlen basieren, sei nicht möglich. Deshalb schlug die Kommission vor, den Rektor zu beauftragen, einen Profilvorschlag zu erarbeiten, der die Eckpunkte der zu erwartenden Empfehlungen des Wissenschaftsrats berücksichtigt und auf den bestehenden Forschungsschwerpunkten aufbaut. Zeitlich soll dies bis zur Veröffentlichung des Berichts des Wissenschaftsrats am 12.07.2013 erfolgen, und das Rektorat und der Senat müssen sich für das Wochenende am 13.07/14.07.2013 auf Klausursitzungen einstellen. Geplant ist dann, am 15.07.2013 mit einer mit den Gremien abgestimmten Vorstellung zum Bericht des Wissenschaftsrats vor die Presse zu treten. Damit ist zum wiederholten Male ein Anlauf des Rektorats zur Profilbildung gescheitert. Immerhin ist die Erkenntnis, dass es unmöglich ist, eine freiwillige Strukturanpassung (also eine Kürzung des Budgets in Höhe von 6,5 Mio. Euro) ohne Eingriff in das Profil der MLU durchzuführen, nun auch beim Rektorat angekommen. Das „Aktionsbündnis MLU – Perspektiven gestalten“ hat schon im vergangenen Jahr darauf hingewiesen, dass in unserer unterfinanzierten Universität keine Stellen mehr wegfallen können, ohne die Struktur und das Profil der Universität nachhaltig zu zerstören. Abschließend wurde eine von Mitarbeitern und Studierenden eingebrachte Resolution einstimmig vom Senat verabschiedet, deren Wortlaut hier  zu lesen ist.

Informationen des Rektorats

Zuvor informierte das Rektorat über die Vertretung der vakanten Kanzlerposition: Herr Förster wird die Position vorübergehend übernehmen. Die Funktion der Haushaltsbeauftragten übernimmt allerdings Prorektorin Dräger. Die Prorektorin für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, Gesine Foljanty-Jost, berichtete über die Dialogrunde zum Thema „Rahmenbedingungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs in Halle“ am 14.03.2013, die in Anwesenheit von Ministerin Birgitta Wolff  stattfand, und über die erfreuliche Entwicklung bezüglich der Not syrischer Studierender. Infolge des Spendenaufrufs in der vorletzten Senatssitzung konnte der „Verein Hilfe für ausländische Studierende e. V.“ bislang 10.000 Euro an Spenden einnehmen, was fast den gesamten Jahreseinnahmen des Vereins entspricht. Die syrischen Studierenden können durch eine ausländerrechtliche Regelung nun auch BAföG beantragen.

 

Zur Diskussion der Leitungsstruktur

Die Vakanz der Kanzlerposition wurde im Januarsenat auch zum Anlass genommen, über die derzeitige Leitungsstruktur zu diskutieren. Die Leitung einer Universität kann nach Rektorats- oder Präsidiumsverfassung, mit oder ohne Kanzler organisiert sein. Der Senat hat im Januar eine Arbeitsgruppe beauftragt, über eine Veränderung der Leitungsstruktur zu diskutieren. Deren Ergebnisse wurden dem Senat nun vorgelegt: Die Entscheidung über die Ausschreibung der Kanzlerposition wird bis spätestens Juli 2013 nach intensiver Erörterung in den Gremien getroffen. Sollte die Kanzlerposition beibehalten werden, erfolgt die unverzügliche Ausschreibung im Juli. Bei einer anderen Meinung wird im Wintersemester 2013/14 über die Änderung der Grundordnung diskutiert. Die Entscheidung wird durch eine Kommission vorbereitet, die unter der Leitung der Prorektorin Dräger steht und sich im folgenden Verhältnis der Statusgruppen zusammensetzen soll: 4:1:1:1. Für die Studierenden wird Senator Sebastian Lüdecke (ghg) in der Kommission mitarbeiten. Leitungsstrukturänderungen, die über die Grenzen des derzeitigen Hochschulgesetzes hinausgehen würden, sollen separat debattiert werden.

Weitere Beschlüsse

Der Senat beschloss dann eine Reihe von Änderungen von Studien- und Prüfungsordnungen, eine neue Fassung des Kooperationsvertrages der MLU mit dem Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und die Termine zum Studienjahresablauf 2014/15. Im nicht-öffentlichen Teil wurde das Berufungsverfahren W3 „Ertragsphysiologie der Kulturpflanzen“ abgeschlossen und neu ausgeschrieben. Außerdem wurde die Ausschreibung der W3-Professur „Bodenkunde und Bodenschutz“ und die Umwandlung eines Beamtenverhältnisses auf Zeit in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit für einen Professor beschlossen.

 

Siehe auch:

„Aus dem Akademischen Senat“

Resolution des Senats gegen geplante Kürzungen

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Bis 23. April für Hochschulwahl anmelden!

Hochschulpolitik

Es ist nicht mehr weit, nämlich bis zum 14. Mai, dann sind wieder Hochschulwahlen. Alle Studierende, die den Beitrag für die Studierendenschaft bezahlt haben (also Mitglied der Studierendenschaft sind), haben dann wieder die Möglichkeit, aus den Kandidaten ihre Vertreter in den studentischen (Studierendenrat und Fachschaftsrat) und universitären Selbstverwaltungsgremien zu bestimmen. Zuvor müssen sich aber möglichst viele Kandidaten finden, damit die Wahl auch wirklich eine (Aus-)Wahl wird.

Bis zum 23.04., 15 Uhr können sich alle Interessierten, die die Politik in der MLU mitgestalten oder verändern wollen, im Gebäude des Studierendenrats als Wahlvorschlag für die studentischen Gremien registrieren lassen. Die dafür auszufüllenden Formulare finden sich auf „http://www.hochschulwahl.info/informationen-zur-kandidatur/„. Dort gibt es auch die Links zu den Formularen für die universitären Gremien.

Gerade angesichts der aktuellen wahnwitzigen Kürzungsbestrebungen unserer neoliberalen Regierung ist es wichtig, dass sich engagierte Studierende finden, die sich für die Interessen der Studierenden und der Universität einsetzen und einen radikalen Abbau des Wissenschaftsstandortes Halle verhindern!

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Bald großer Mangel an Masterplätzen?

Hochschulpolitik

Das berühmt-berüchtigte, von der Bertelsmann-Stiftung finanzierte Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) hat gerade wenig Erstaunliches herausgefunden: Wenn die große Mehrheit der Bachelorstudenten einen Master machen wollten, dann gäbe es sehr bald erhebliche Kapazitätslücken. Sollten 85 Prozent aller Bachelor-Studenten einen Master anstreben, könnten laut CHE allein 2016 rund 36000 Studienplätze fehlen. Realistisch halten die Forscher vom CHE, dass mindestens zwei Drittel der Bachelor einen Master dranhängen. Das war ursprünglich so nicht gedacht: Der Bachelor-Abschluss sollte ja berufsqualifizierend sein und zum Regelabschluss werden. „Daraus wurde deshalb nichts, weil sich bald zeigte, daß man mit dem Bachelor auf dem Arbeitsmarkt keine guten Karten hat und schlecht bezahlt wird. Dagegen hat man mit dem Master weitaus bessere Berufschancen“ (Junge Welt). Und aus diesem Grund ist die Nachfrage nach Masterplätzen viel größer als von der Politik gedacht; von 2011 100.000 Master-Studierenden könnte die Zahl bis 2016 auf 250.000 steigen. Es müsste nun mehr Geld für die Schaffung zusätzlicher Masterplätze in die Hand genommen werden. CHE-Geschäftsführer Ziegele meint jedenfalls: „Fakt ist, daß der Hochschulpakt 2020 kein geeignetes Instrumentarium enthält, um den erforderlichen Ausbau von Masterstudienplätzen zu stimulieren.“ (Ebd.)

Schon heute werden viele Master mit NC versehen, weil es an Plätzen mangelt. An der MLU ist die Lage derzeit in vielen Master-Studiengängen noch entspannt, auch wenn es hier und da Ausreißer gibt. Laut den Angaben der Uni-Verwaltung zur Kapazitätsauslastung ist z. B. der Master Accounting, Taxation and Finance zu 546 Prozent, der Master Betriebswirtschaftslehre zu 255 Prozent und der Master Volkswirtschaftslehre zu 225 Prozent ausgelastet. Eine solche Überlast ist aber im Wesentlichen auf diese Fakultät beschränkt. In den Master-Studiengängen der Philosophischen und Naturwissenschaftlichen Fakultäten häufig bei um die 50 Prozent, in einigen Fällen deutlich darunter oder sogar bei 0 Prozent. Entsprechend wenig Nachfrage gibt es z. B. im Master Historische und Vergleichende Sprachwissenschaft, im Master 45/75 LP Judaistik oder 45/75 LP Latinistik.

Siehe auch:

Studie des CHE „Auf dem Berg ist vor dem Berg“

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Ottmar Schreiner: Das „soziale Gewissen der SPD“ ist viel zu früh gestorben

Parteien

Er war einer der wenigen Aufrechten und Sozialdemokraten im traditionellen Sinne, die sich der endgültigen Wende der SPD von der linken Partei des kleinen Mannes zur Partei der „Neuen Mitte“ widersetzte. Er hat konsequent gegen die Agenda 2010 und Hartz IV argumentiert, obwohl er sich damit innerparteilich weitgehend isolierte. Sein Rückhalt war die saarländische Basis, die ihn 32 Jahre lang immer wieder in den Bundestag wählte. Diese Sozialdemokraten werden in der SPD immer weniger; er war wohl einer der Letzten, die dem linken Flügel der SPD eine bundesweit wahrnehmbare Stimme gegeben haben. Schade, dass er heute schon mit 67 Jahren einem Krebsleiden erlag.

Ein lesenswerter Nachruf von Silke Engel (als Audio hier).

Dem eigenen Gewissen verpflichtet“ (Frankfurter Rundschau)

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Chance verpasst: Keine revolutionäre Veränderungen bei Diäten der Abgeordneten

Parteien

Wer nicht mehr weiterweiß, bildet einen Arbeitskreis. Doch nicht immer bringen solche Arbeitskreise bzw. Kommissionen gute, wünschenswerte Ergebnisse. Der Ältestenrat des Bundestages hat am 24. November 2011 eine Kommission eingesetzt und sollte „Empfehlungen für ein Verfahren für die künftige Anpassung der Abgeordnetenentschädigung und für die zukünftige Regelung der Altersversorgung von Abgeordneten“ vorlegen. Die Abgeordnetenbezahlung ist immer wieder (genauer: bei jeder Diätenerhöhung) ein beliebtes Ziel der Parteienkritiker a la Hans Herbert von Arnim und auch des öffentlichen Stammtisches in Form von empörten Leserbriefen u. Ä. Würde man einen zufällig ausgewählten deutschen Bürger fragen, ob er die Diätenhöhe der Bundestagsabgeordneten angemessen findet, ist es sehr wahrscheinlich, dass dieser Bürger das verneinen würde. Ich will klarstellen, dass ich die Diäten an sich nicht unbedingt zu hoch finde. Als vom Volk gewählter Repräsentant hat ein Abgeordneter eine sehr verantwortungsvolle Arbeit, die sehr viel Zeit (für Fraktionssitzungen, Bürgersprechzeiten, Konferenzen, Lesen von Vorlagen etc.) in der Woche beansprucht (ein leerer Plenarsaal bedeutet eben nicht, dass der Großteil der Abgeordneten Faulpelze und Vortragsreisende wie Steinbrück sind). Wüssten die Bürger genau, was ein Abgeordneter so in einer normalen Woche alles leistet, würde ihr Urteil über die Abgeordnetenbezüge wohl etwas differenzierter ausfallen. Zumindest würden nur die wenigsten Bürger mit so einem Berufspolitiker tauschen wollen. Problematisch bei der Abgeordnetenbesoldung ist m. E. viel mehr das Drumherum, das Rund-um-sorglos-Paket bezüglich der Altersbezüge.

So viel zur Vorrede. Die Kommission sollte also eine Reform hinsichtlich der Abgeordnetenbezüge vorschlagen. Was dabei herauskommen ist, kann man nur als enttäuschend und unzureichend empfinden. In der Kommission waren übrigens folgende Persönlichkeiten vertreten:

Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (Vorsitzender), Universität Kiel, ehemaliges Mitglied des Bundestages, Bundesminister a. D.

Dr. h. c. Wolfgang Schultze (stellvertretender Vorsitzender), ehemaliger stellvertretender Bundesvorsitzender der

IG Chemie-Papier-Keramik, ehemaliges Mitglied des Niedersächsischen Landtages

Prof. Dr. Brun-Otto Bryde, Universität Gießen, Richter des Bundesverfassungsgerichts a. D.

Rainer Funke, Rechtsanwalt, ehemaliges Mitglied des Bundestages, Parlamentarischer Staatssekretär a. D.

Martina Neise, Rechtsanwältin, Daimler AG

Prof. Dr. Stefanie Schmahl, LL. M. (E), Universität Würzburg (Jura-Prof.)

Prof. Dr. Suzanne S. Schüttemeyer, Universität Halle-Wittenberg (Prof. für Politikwiss.)

Holger Schwannecke, Rechtsanwalt, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks

Carl-Dieter Spranger, ehemaliges Mitglied des Bundestages, Bundesminister a. D.

Prof. Dr. Felix Welti, Universität Kassel, Richter des Landesverfassungsgerichts Schleswig-Holstein

Prof. Dr. Wolfgang Zeh, Universität Speyer, Direktor beim Deutschen Bundestag a. D.

 

Fragen könnte man, was eine Anwältin von Daimler in dieser eher gelehrten Runde zu suchen hat, aber das wird schon seine Gründe haben. Am 20. März hat die Kommission ihren Bericht vorgelegt. Demnach „sieht die Kommission die Bezüge eines Richters an einem obersten Gerichtshof des Bundes als angemessene Ausgangsgröße für die Abgeordnetenentschädigung an. Ausgehend von dieser Größe soll die Entschädigung nach Ansicht der Kommission künftig dem vom Statistischen Bundesamt errechneten Nominallohnindex und damit der Entwicklung der Bruttomonatsverdienste der abhängig Beschäftigten in Deutschland folgen. Die Anpassung soll jeweils zum 1. Juli eines Jahres erfolgen und vom Bundestagspräsidenten in einer Drucksache veröffentlicht werden.“ (Quelle: Bundestag) Diese Kopplung der Diätenerhöhung an die Entwicklung der Löhne der normalen Arbeitnehmer ist der einzige Lichtblick des Berichts, damit sind die abrupten Erhöhungen in unregelmäßiger Folge obsolet. Wie dann in Zukunft aber die Bindung an die Richtergehälter gesichert werden kann, bleibt offen.

„Einig ist sich die Kommission der Vorlage zufolge darin, dass es zur Sicherung der Unabhängigkeit der Abgeordneten und ihrer wirtschaftlichen Existenz ein finanziell hinreichend ausgestattetes Altersversorgungssystem geben muss.“ (Ebd.) Das ist schon weniger einleuchtend. Klar sollen auch Abgeordnete für ihre Arbeit entsprechende Anwartschaften auf eine Rente/Pension erhalten. Aber muss es beim jetzigen System bleiben? Fünf Kommissionsmitglieder wollen das alte System nur leicht reformieren. Fünf andere Mitglieder wollten ein Modell, „das aus einem schon vorhandenen Alterssicherungssystem, einer parlamentsgewährten Zusatzversorgung und eventuell einer Eigenvorsorge besteht“ (ebd.). Ein Mitglied befürwortete ein Modell, das auf eine reine Eigenvorsorge setzt. Nach dem alten System sieht die Altersversorgung so aus: „Für jedes Jahr der Mitgliedschaft im Bundestag erhält ein Mitglied 2,5 Prozent der Abgeordnetenentschädigung nach § 11 AbgG. Pro Jahr sind dies derzeit 207 Euro. Die Höchstgrenze, die nach 27 Mitgliedsjahren erreicht wird, liegt derzeit bei 67,5 Prozent der Abgeordnetenentschädigung, also aktuell 5 571 Euro.“ Anspruch auf eine Pension erwirbt jeder Abgeordnete, der mind. ein Jahr sein Mandat ausgeübt hat (das Rentenalter hat man übrigens schon auf 67 erhöht, immerhin!). Wenn man eine große Diätenreform will, dann würde ich mal radikal vorschlagen, dass jeder Abgeordnete auf seine Diät wie jeder normale Arbeitnehmer ein Rentenversicherungsbeitrag zahlt und nach den entsprechenden Regeln ab dem 67. Lebensjahr eine gesetzliche Rente bezieht. Da werden dann keine utopischen Renten über 5000 Euro mehr für lang gediente Abgeordnete bei herauskommen, aber am Hungertuch würde keiner leiden müssen. Eine denkbare Annäherung an meinen Vorschlag wäre das von fünf Kommissionsmitgliedern (Herr Prof. Dr. Bryde, Frau Neise, Herr Prof. Dr. Schmidt-Jortzig, Frau Prof. Dr. Schüttemeyer, Herr Prof. Dr. Welti) getragene „Bausteinmodell“ (siehe den Bericht, S. 27f.).

Im Ergebnis der Kommissionsvorschläge würden die Abgeordneten keine Abstriche bei ihren Bezügen machen müssen. Die Diät würde nicht sinken, sondern im Gegenteil wieder um einige Hundert Euro ansteigen. Zusätzlich wird eine regelmäßige Diätenerhöhung durch die Kopplung an die Lohnentwicklung der Arbeitnehmer garantiert (es sei denn, in Deutschland werden auch mal so „tolle Reformen“ wie in Griechenland durchgeführt). Die am Beamtenrecht orientierte, üppige Altersversorgung wird bestenfalls nur modifiziert, die steuerfreie Kostenpauschale bleibt (was nicht verwerflich ist, siehe Bericht, S. 31) und dann bleiben auch die „Funktionsvergütungen“ für Ausschussvorsitzende, stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Parlamentarische Geschäftsführer und die Vorsitzenden von Arbeitsgruppen/-kreisen bestehen. Damit wird dem gängigen Vorurteil des „Selbstbedienungsladens“ Bundestag (der übrigens auch weiterhin selbst über die Diäten entscheiden soll) weitere (teils unberechtigte) Nahrung gegeben. Von Versagen auf der ganzen Linie – wie Karl Doemens – will ich nicht sprechen. Aber grandios ist das Ergebnis der Kommission wirklich nicht.

Siehe auch:

„Experten über Abgeordnete: Schlaflos, gestresst, unterbezahlt“

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Effizientere Märkte? Über den Nutzen der Privatisierung der Wasserversorgung (Teil 1)

Antikapitalismus

Die Geschichte der Wirtschaftspolitik im 20. Jh. war von extremen Wandlungen gekennzeichnet. Bis in die 1920er Jahre dominierte ein wirtschaftsliberales Paradigma, das eine freie Marktwirtschaft ohne bedeutende staatliche Eingriffe vorsah. Diese Politik versagte und führte in die Große Depression, sodass die wichtigsten Länder der Welt auf ein Wirtschaftssystem mit umfangreichen staatlichen Interventionen umstellten, wofür der „New Deal“ unter Roosevelt das bekannteste Beispiel war. Der Keynesianismus war in den westlichen Staaten bis Mitte der 1970er Jahre das dominante Paradigma und die Anhänger einer freien Marktwirtschaft wurden eine kaum noch wahrgenommene Minderheit (Vgl. Crouch (2011): 24).

Durch die große Inflationskrise geriet der Keynesianismus in die Krise, die aus Sicht der neoliberalen Theorie durch zu hohe Lohnforderungen und Tarifabschlüsse sowie den Vorrang des wirtschaftspolitischen Ziels der Vollbeschäftigung ausgelöst wurde. Hayek, Friedman und andere „einflußreiche Meinungsmacher erklärten das sozialdemokratische Experiment einer Versöhnung von freier Marktwirtschaft und staatlicher Interventionen für endgültig gescheitert.“ (Ebd.: 36) Sie forderten, in der Wirtschaftspolitik die Stabilität des Preisniveaus zur ersten Priorität zu erklären und stärker auf die Selbstheilungskräfte des Marktes zu setzen.

Seit dem Ausbruch der Banken- und Wirtschaftskrise 2008 ist wiederum die neoliberale Theorie in der Krise und es wird über zu viel (unregulierter) Markt debattiert. Davon unbeeindruckt scheint die EU-Kommission zu sein, die mit einer neuen Konzessionsrichtlinie (Vgl. Europäische Kommission (2012)) die Privatisierung bislang öffentlicher Dienstleistungen, z. B. der Wasserversorgung, erleichtern könnte (Vgl. Böcking (2013)). Die Reaktionen auf diese Pläne der EU-Kommission waren heftig. Relativ zügig hat sich eine europäische Bürgerinitiative mit dem Namen „right2water“ gebildet, die die EU-Komission auffordert, die Trinkwasserversorgung als öffentliches Gut und Menschenrecht anzuerkennen und deshalb die Wasserwirtschaft von der Liberalisierungsagenda auszuschließen. Die erste erfolgreiche Europäische Bürgerinitiative konnte europaweit bis heute über 1,3 Mio. Unterschriften sammeln (Vgl. right2water (2013)).

Die Pläne zur Wasserprivatisierung reihen sich in eine lange Geschichte von Privatisierungsvorhaben ein. Schon in den 1990er Jahren wurde eine Reihe von staatlichen Monopolen durch EU-Vorgaben beseitigt und eine umfassende Liberalisierungspolitik umgesetzt. Zu deren Ergebnissen gehörte die Privatisierung der Post, der Telekommunikation und der Stromversorgung. Bislang gescheitert ist die Privatisierung bzw. der Börsengang der Deutschen Bahn, die sich aber genauso wie die Deutsche Post und Telekom in- und ausländischen Wettbewerbern stellen muss. Der Grund für die Liberalisierung bzw. Privatisierung lautete eigentlich immer gleich: Der Markt könnte diese Dienstleistungen effizienter, billiger und bei mindestens gleicher oder sogar besserer Qualität liefern. Immer wieder wurde diese Behauptung wiederholt, aber Beweise in unabhängigen, wissenschaftlichen Studien für diese These gibt es kaum.

Die folgende Arbeit möchte versuchen, die vom Neoliberalismus verbreitete These von der besseren Effizienz des Marktes bei der Erbringung vormals öffentlicher Dienstleistungen zu überprüfen. Da der gesamte Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht auf dem begrenzten Raum abgehandelt werden kann, soll die These anhand des aktuell diskutierten Fallbeispiels Wasserversorgung analysiert werden. Im Gegensatz zu Deutschland oder Österreich, wo ein Großteil der Wasserversorgung noch in öffentlicher, meist kommunaler Hand erfolgt, gibt es in anderen europäischen Ländern schon mehr Erfahrung mit privaten Wasserversorgern. In Frankreich wird z. B. 80 Prozent der Wasserversorgung von Privatunternehmen wie Veolia oder Suez erbracht (Vgl. Lauber (2006): Vorwort).

Im ersten Teil der Arbeit soll zunächst der theoretische Hintergrund der These erläutert werden. Hier soll also die Frage geklärt werden, warum aus (neo-)liberaler Sicht der Staat möglichst wenig in das freie Spiel der Marktkräfte eingreifen soll und was den Markt so effizient macht. Anschließend soll die eng mit der Effizienzthese verbundene These des Staatsversagens bzw. der Regierungsüberlastung kritisch vorgestellt werden. Danach werde ich dann zum Fallbeispiel Wasserprivatisierung kommen und bisherige in der Praxis gemachte Erfahrungen mit nicht-öffentlicher Wasserversorgung vorstellen.

An dieser Stelle soll noch eine begriffliche Präzisierung erfolgen: Privatisierung kann in unterschiedlicher Weise erfolgen. Es gibt zum einen Privatisierung als „Wahrnehmung von Aufgaben der Wasserver- und -entsorgung durch Unternehmen privater Rechtsform“ (Umweltbundesamt (1998): 9), wobei zwischen formeller Privatisierung, bei der das Unternehmen in kommunalem Eigentum verbleibt und nur privatrechtlich geführt wird, und materieller Privatisierung, bei der das Unternehmen zum Teil oder als Ganzes an einen privaten Wirtschaftsakteur übertragen wird, unterschieden werden kann. Zum anderen wird der Begriff Privatisierung auch im Sinne von Liberalisierung verwendet. „Unter Liberalisierung (des Wassermarktes) wird die Aufhebung der heutigen Gebietsmonopole der Wasserversorgung verstanden, die es den Kommunen ermöglichen, ausschließlich über die Art und Weise der Wasserversorgung in ihrem Territorium zu bestimmen“ (Ebd.). Die Liberalisierung führt also zur Öffnung eines Wirtschaftssektors für den freien Wettbewerb am Markt.

Für den Untersuchungsgegenstand in dieser Arbeit werden beide Formen von Privatisierung betrachtet.

 

Zitierte Quellen:

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