Wer nicht mehr weiterweiß, bildet einen Arbeitskreis. Doch nicht immer bringen solche Arbeitskreise bzw. Kommissionen gute, wünschenswerte Ergebnisse. Der Ältestenrat des Bundestages hat am 24. November 2011 eine Kommission eingesetzt und sollte „Empfehlungen für ein Verfahren für die künftige Anpassung der Abgeordnetenentschädigung und für die zukünftige Regelung der Altersversorgung von Abgeordneten“ vorlegen. Die Abgeordnetenbezahlung ist immer wieder (genauer: bei jeder Diätenerhöhung) ein beliebtes Ziel der Parteienkritiker a la Hans Herbert von Arnim und auch des öffentlichen Stammtisches in Form von empörten Leserbriefen u. Ä. Würde man einen zufällig ausgewählten deutschen Bürger fragen, ob er die Diätenhöhe der Bundestagsabgeordneten angemessen findet, ist es sehr wahrscheinlich, dass dieser Bürger das verneinen würde. Ich will klarstellen, dass ich die Diäten an sich nicht unbedingt zu hoch finde. Als vom Volk gewählter Repräsentant hat ein Abgeordneter eine sehr verantwortungsvolle Arbeit, die sehr viel Zeit (für Fraktionssitzungen, Bürgersprechzeiten, Konferenzen, Lesen von Vorlagen etc.) in der Woche beansprucht (ein leerer Plenarsaal bedeutet eben nicht, dass der Großteil der Abgeordneten Faulpelze und Vortragsreisende wie Steinbrück sind). Wüssten die Bürger genau, was ein Abgeordneter so in einer normalen Woche alles leistet, würde ihr Urteil über die Abgeordnetenbezüge wohl etwas differenzierter ausfallen. Zumindest würden nur die wenigsten Bürger mit so einem Berufspolitiker tauschen wollen. Problematisch bei der Abgeordnetenbesoldung ist m. E. viel mehr das Drumherum, das Rund-um-sorglos-Paket bezüglich der Altersbezüge.
So viel zur Vorrede. Die Kommission sollte also eine Reform hinsichtlich der Abgeordnetenbezüge vorschlagen. Was dabei herauskommen ist, kann man nur als enttäuschend und unzureichend empfinden. In der Kommission waren übrigens folgende Persönlichkeiten vertreten:
Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (Vorsitzender), Universität Kiel, ehemaliges Mitglied des Bundestages, Bundesminister a. D.
Dr. h. c. Wolfgang Schultze (stellvertretender Vorsitzender), ehemaliger stellvertretender Bundesvorsitzender der
IG Chemie-Papier-Keramik, ehemaliges Mitglied des Niedersächsischen Landtages
Prof. Dr. Brun-Otto Bryde, Universität Gießen, Richter des Bundesverfassungsgerichts a. D.
Rainer Funke, Rechtsanwalt, ehemaliges Mitglied des Bundestages, Parlamentarischer Staatssekretär a. D.
Martina Neise, Rechtsanwältin, Daimler AG
Prof. Dr. Stefanie Schmahl, LL. M. (E), Universität Würzburg (Jura-Prof.)
Prof. Dr. Suzanne S. Schüttemeyer, Universität Halle-Wittenberg (Prof. für Politikwiss.)
Holger Schwannecke, Rechtsanwalt, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks
Carl-Dieter Spranger, ehemaliges Mitglied des Bundestages, Bundesminister a. D.
Prof. Dr. Felix Welti, Universität Kassel, Richter des Landesverfassungsgerichts Schleswig-Holstein
Prof. Dr. Wolfgang Zeh, Universität Speyer, Direktor beim Deutschen Bundestag a. D.
Fragen könnte man, was eine Anwältin von Daimler in dieser eher gelehrten Runde zu suchen hat, aber das wird schon seine Gründe haben. Am 20. März hat die Kommission ihren Bericht vorgelegt. Demnach „sieht die Kommission die Bezüge eines Richters an einem obersten Gerichtshof des Bundes als angemessene Ausgangsgröße für die Abgeordnetenentschädigung an. Ausgehend von dieser Größe soll die Entschädigung nach Ansicht der Kommission künftig dem vom Statistischen Bundesamt errechneten Nominallohnindex und damit der Entwicklung der Bruttomonatsverdienste der abhängig Beschäftigten in Deutschland folgen. Die Anpassung soll jeweils zum 1. Juli eines Jahres erfolgen und vom Bundestagspräsidenten in einer Drucksache veröffentlicht werden.“ (Quelle: Bundestag) Diese Kopplung der Diätenerhöhung an die Entwicklung der Löhne der normalen Arbeitnehmer ist der einzige Lichtblick des Berichts, damit sind die abrupten Erhöhungen in unregelmäßiger Folge obsolet. Wie dann in Zukunft aber die Bindung an die Richtergehälter gesichert werden kann, bleibt offen.
„Einig ist sich die Kommission der Vorlage zufolge darin, dass es zur Sicherung der Unabhängigkeit der Abgeordneten und ihrer wirtschaftlichen Existenz ein finanziell hinreichend ausgestattetes Altersversorgungssystem geben muss.“ (Ebd.) Das ist schon weniger einleuchtend. Klar sollen auch Abgeordnete für ihre Arbeit entsprechende Anwartschaften auf eine Rente/Pension erhalten. Aber muss es beim jetzigen System bleiben? Fünf Kommissionsmitglieder wollen das alte System nur leicht reformieren. Fünf andere Mitglieder wollten ein Modell, „das aus einem schon vorhandenen Alterssicherungssystem, einer parlamentsgewährten Zusatzversorgung und eventuell einer Eigenvorsorge besteht“ (ebd.). Ein Mitglied befürwortete ein Modell, das auf eine reine Eigenvorsorge setzt. Nach dem alten System sieht die Altersversorgung so aus: „Für jedes Jahr der Mitgliedschaft im Bundestag erhält ein Mitglied 2,5 Prozent der Abgeordnetenentschädigung nach § 11 AbgG. Pro Jahr sind dies derzeit 207 Euro. Die Höchstgrenze, die nach 27 Mitgliedsjahren erreicht wird, liegt derzeit bei 67,5 Prozent der Abgeordnetenentschädigung, also aktuell 5 571 Euro.“ Anspruch auf eine Pension erwirbt jeder Abgeordnete, der mind. ein Jahr sein Mandat ausgeübt hat (das Rentenalter hat man übrigens schon auf 67 erhöht, immerhin!). Wenn man eine große Diätenreform will, dann würde ich mal radikal vorschlagen, dass jeder Abgeordnete auf seine Diät wie jeder normale Arbeitnehmer ein Rentenversicherungsbeitrag zahlt und nach den entsprechenden Regeln ab dem 67. Lebensjahr eine gesetzliche Rente bezieht. Da werden dann keine utopischen Renten über 5000 Euro mehr für lang gediente Abgeordnete bei herauskommen, aber am Hungertuch würde keiner leiden müssen. Eine denkbare Annäherung an meinen Vorschlag wäre das von fünf Kommissionsmitgliedern (Herr Prof. Dr. Bryde, Frau Neise, Herr Prof. Dr. Schmidt-Jortzig, Frau Prof. Dr. Schüttemeyer, Herr Prof. Dr. Welti) getragene „Bausteinmodell“ (siehe den Bericht, S. 27f.).
Im Ergebnis der Kommissionsvorschläge würden die Abgeordneten keine Abstriche bei ihren Bezügen machen müssen. Die Diät würde nicht sinken, sondern im Gegenteil wieder um einige Hundert Euro ansteigen. Zusätzlich wird eine regelmäßige Diätenerhöhung durch die Kopplung an die Lohnentwicklung der Arbeitnehmer garantiert (es sei denn, in Deutschland werden auch mal so „tolle Reformen“ wie in Griechenland durchgeführt). Die am Beamtenrecht orientierte, üppige Altersversorgung wird bestenfalls nur modifiziert, die steuerfreie Kostenpauschale bleibt (was nicht verwerflich ist, siehe Bericht, S. 31) und dann bleiben auch die „Funktionsvergütungen“ für Ausschussvorsitzende, stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Parlamentarische Geschäftsführer und die Vorsitzenden von Arbeitsgruppen/-kreisen bestehen. Damit wird dem gängigen Vorurteil des „Selbstbedienungsladens“ Bundestag (der übrigens auch weiterhin selbst über die Diäten entscheiden soll) weitere (teils unberechtigte) Nahrung gegeben. Von Versagen auf der ganzen Linie – wie Karl Doemens – will ich nicht sprechen. Aber grandios ist das Ergebnis der Kommission wirklich nicht.
Siehe auch:
„Experten über Abgeordnete: Schlaflos, gestresst, unterbezahlt“