
Schon Karl Marx wusste 1843 („Die Judenfrage„, S. 364ff.), dass die Menschenrechte nicht wirklich für alle Menschen gelten, sondern nur für den egoistischen Bürger, für den Bourgeois. Es sind Rechte für das Individuum, das frei von staatlichen Zwängen seinen privaten Geschäften nachgehen will. Es ging den bürgerlichen Liberalen 1789ff. nicht darum, den Menschen wirklich zu befreien – höchstens die eigene Klasse. „Der Mensch wurde daher nicht von der Religion befreit, er erhielt die Religionsfreiheit. Er wurde nicht vom Eigentum befreit. Er erhielt die Freiheit des Eigentums. Er wurde nicht von dem Egoismus des Gewerbes befreit, er erhielt die Gewerbefreiheit“ (S. 369). Nun ist es heute nicht mehr wie 1843 und die Menschenrechte gelten pro forma wirklich für alle Menschen, doch in der Praxis wird es immer noch mitunter schwierig bei der Verwirklichung der Rechte, und zwar nicht nur in Schurkenstaaten, sondern durchaus auch in der „westlichen Welt“.
In der BRD gibt es im Strafrecht die Unschuldsvermutung; solange das Gegenteil nicht bewiesen ist, gilt jeder Angeklagte als unschuldig. Doch warum gilt dieser Grundsatz ausgerechnet im Bereich der Beziehungen zwischen Bourgeois, äh Unternehmer und Arbeitnehmer nicht? Im Arbeitsrecht gibt es dank der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die sog. „Verdachtskündigung“. Panorama hat am gestrigen Donnerstag darüber berichtet. Da geht eine Drogeriemarkt-Angestellte nichts Böses ahnend in ein Personalgespräch und erfährt, dass sie fristlos gekündigt wird. Warum? „[…] Dann hat er gesagt, ich hätte Geld aus der Kasse genommen und ich würde die fristlose Kündigung bekommen. Und gefühlt habe ich mich, also ich konnte es nicht glauben, das ist so das Schlimmste, was man jemandem unterstellen kann.‘
Wie gelähmt sei sie gewesen, habe vermutet, dass man sie loswerden wolle, weil sie gewerkschaftnah war. Dafür gibt es keinen Beweis. Aber einen Beweis, dass S. Geld gestohlen hat, legt man ihr in dem Gespräch auch nicht vor“ (Quelle: Panorama).
