Browsing the blog archives for November, 2013.


Lust und Leiden von Koalitionsverhandlungen: die Grünen in Hessen

Bundestagswahl 2013, Parteien, Wahlen

Die Grünen tragen ja schon etwas länger schweren Ballast mit sich herum, nämlich das Problem ihrer Haltung zu schwarz-grünen Koalitionen. Die erste Koalition dieser Art unter Ole von Beust (CDU) in Hamburg bleibt schmerzhaft in Erinnerung, denn die Koalition hielt nicht die komplette Legislaturperiode und war nicht gerade konfliktfrei. Dieses Jahr beschäftigte Partei und Medien die Frage, ob auf Bundesebene ein Bündnis mit der Merkel-CDU eingegangen werden soll, doch dieses Jahr sollte sich trotz gewisser Zugeständnisse der CDU in der Vergangenheit (z. B. Energiewende/Abschaltung von AKW) noch ein Nein zu einer Koalition durchsetzen. Wenig beachtet (bislang) wird nun der überraschende Schwenk in Hessen, wo nach wochenlangen Sondierungen Rot-Rot-Grün nun nicht an der SPD, sondern an den Grünen scheitert. Übrigens könnte Selbiges auch in Thüringen drohen, wo nächstes Jahr Landtagswahlen stattfinden und die SPD ihre Zustimmung zu einer rot-roten Koalition unter linker Führung angedeutet hat.

Zurück zu den Hessen-Grünen. Sie haben auf einem Parteirat mit 51 zu sechs Stimmen für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der CDU gestimmt. Das erstaunt mich doch sehr, hätte ich doch das Lager der Widersacher von Koalitionen mit der (in Hessen besonders konservativen) CDU für wesentlich größer gehalten und größere innerparteiliche Turbulenzen vermutet. Wenn die Grünen auf Bundesebene mit der CDU/CSU koaliert, hätte ich sogar eine größere Parteiabspaltung bislang für nicht ausgeschlossen gehalten. Doch offensichtlich ist die Verbürgerlichung der Grünen schon weit vorangeschritten.

Aber was hatten die Grünen in Hessen vor der Wahl gesagt: „Wir haben als unser Wahlziel 15 Prozent plus X ausgegeben und werden bis zum 22. September um jede einzelne Stimme kämpfen, damit durch starke Grüne der Wechsel gelingt. In Hessen können wir die Abwahl von Schwarz-Gelb schaffen.“ Und: „Wir appellieren deshalb noch einmal an alle Wählerinnen und Wähler, die den Wechsel in Hessen wollen, ihre Stimme nicht an eine Partei zu verschenken, die nicht sicher dem nächsten Hessischen Landtag angehört. Wer Linkspartei wählt, läuft Gefahr, mit Bouffier aufzuwachen. Wir brauchen in Hessen den inhaltlichen Wechsel.

Ein weiterer Kommentar erübrigt sich eigentlich. Doch nun sieht man ganz klar, dass diejenigen, die Bouffier abwählen wollten, nicht durch Stimmabgabe an die Linkspartei ihre Stimme verschenkt haben. Nun kann man gespannt sein, wie der inhaltliche Wechsel in einem schwarz-grünen Bündnis aussehen wird. Ich wünsche viel Freude mit dem nächsten Wahlergebnis, liebe Grüne!

Quelle: So lügen die Grünen (Der Freitag)

Übrigens auch ganz lesenswert ist der Artikel „Gabriel droht mit Untergang der SPD“ (auch auf der Seite von Der Freitag). Ich bin nun doch gespannt, ob sich die SPD von Gabriel erpressen lässt und ihm glaubt, dass das Ernstnehmen des eigenen Programms viele Arbeitsplätze kosten würde.

No Comments

Lesenswertes in den Medien – Hochschulpolitik

Hochschulpolitik

Was ist diese Woche alles passiert? Einiges, interessant finde ich u. a. dieses:

In Jena protestieren nun auch Studierende und Universitätsangehörige, und zwar nicht ganz so brav wie in Halle: Sogar eine Sitzung des Universitätsrates wurde torpediert und zum Abbruch gezwungen. Mehr dazu: Studenten gegen Streichpläne (Junge Welt), PM des StuRa Jena

Die Landesregierung hat endlich eingesehen, dass ihre 50 Millionen Euro großen Kürzungspläne in der bisher gedachten Form nicht umsetzbar ist. gerade zu lächerlich und typisch für unsere provinzielle Landesregierung ist,d ass siech Haseloff und Bullerjahn nun streiten, wer das offiziell in der Öffentlichkeit bekannt macht. Dabie ist das eigentlich klar: Beide wollen das Land kaputt sparen, also müssen doch beide zusammen vor die Presse treten, oder? Siehe: „Haseloff und Bullerjahn nach 50-Millionen-Abschied im Streit“ (mz-web.de)

Wieso regt sich da kein größerer Protest? Bis zu 90 Prozent des wissenschaftlichen Nachwuchses an den Unis ist befristet beschäftigt, hat also keine sichere Perspektive und die Hochschulrektorenkonferenz entscheidet knapp gegen eine Selbstverpflichtung, die der übermäßigen Befristungspraxis an den Hochschulen entgegenzuwirken soll. Mehr dazu: »Jetzt muß endlich die Politik eingreifen« (Junge Welt)

Maulkorb für Hartz-IV-kritischen Studenten: Wer sich als (angehender) Beschäftigter nicht dem Repressionsapparat der Jobcenter und Arbeitsagenturen unterordnet, fliegt raus. Das musste nicht nur Inge Hannemann erfahren (solidarische Grüße nach Altona, hier ihr Blog – sehr empfehlenswert!), sondern auch ein Student an der Hochschule der BA. Siehe: „Bundesagentur für Maulkörbe“ (Junge Welt)

No Comments

Chile wählt rechte Regierung ab

Wahlen

In Chile fanden am vergangenen Sonntag die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt. Die vorläufigen Ergebnisse bestätigen die Vorwahlumfragen: Das rechte Lager hat eine klare Niederlage erlitten und Michelle Bachelet – eine der populärsten PolitikerInnen des Landes – wird höchst wahrscheinlich wieder Präsidentin, auch wenn sie mit fast 47 Prozent noch einmal in die Stichwahl (15.12.) muss. Die Ergebnisse im Überblick:

Wahl des Präsidenten (Provisional results including 99.98% of ballot boxes)

Candidate

Party/coalition

First round

Votes

 %

Michelle Bachelet PS/New Majority

3,073,570

46.69

Evelyn Matthei UDI/Alliance for Chile

1,647,490

25.02

Marco Enríquez-Ominami PRO/If You Want It, Chile Changes

723,066

10.98

Franco Parisi Independent

665,959

10.11

Marcel Claude PH/Everyone to La Moneda

184,966

2.80

Alfredo Sfeir Green Ecologist Party

154,701

2.35

Roxana Miranda Equality Party

82,291

1.25

Ricardo Israel Regionalist Party of the Independents

37,795

0.57

Tomás Jocelyn-Holt Independent

12,820

0.19

Valid votes

6,582,474

100.00

Null votes

67,361

1.00

Blank votes

46,394

0.69

Total votes

6,696,229

100.00

Registered voters/turnout

13,573,143

49.33

Voting age population/turnout

13,160,122

50.88

Source: Servel

Senat (Provisional results including 99.96% of ballot boxes)

Electoral pact/party

Votes

 %

Seats

Total seats

 % seats

New Majority

2,281,907

50.64

12

21

55.26

Alliance

1,712,448

38.00

7

16

42.10

New Constitution for Chile

176,139

3.90

0

0

0.00

Humanist Party

156,428

3.47

0

0

0.00

If You Want It, Chile Changes

110,051

2.44

0

0

0.00

Independents

68,698

1.52

1

1

2.63

Valid votes

4,505,671

100.00

20

38

100.00

Null votes

166,357

3.43

Blank votes

177,299

3.65

Total votes

4,849,327

100.00

 

Source: Servel

Abgeordnetenhaus (Provisional results including 99.96% of ballot boxes)

Electoral pact/party

Votes

 %

Seats

 % seats

New Majority

2,966,056

47.74

67

55.83

Alliance

2,247,442

36.17

49

40.83

If You Want It, Chile Changes

338,122

5.44

1

0.83

Humanist Party

209,106

3.36

0

0.00

New Constitution for Chile

172,985

2.78

0

0.00

Regionalist Party of the Independents

72,356

1.16

0

0.00

Independents

206,381

3.32

3

2.50

Valid votes

6,212,448

100.00

120

100.00

Null votes

221,155

3.30

Blank votes

257,438

3.84

Total votes

6,691,041

100.00

 

Source: Servel

Das linke Bündnis, das Bachelet unterstützt, erhielt also im Parlament eine klare absolute Mehrheit von 67 von 120 Sitzen. Das Bündnis besteht aus Sozialisten, Kommunisten, Christdemokraten, Radikalen Sozialdemokraten und anderen linksbürgerlichen Parteien. Der Präsident des regierenden rechten Lagers, Pinera, trat nicht noch einmal zur Wahl an. Die neue Kandidatin Evelyn Matthei gewann nur 25 Prozent der Stimmen, ihre Rechtsallianz (Unabhängige Demokratische Union und Nationale Erneuerung) konnte wenigstens bei der Abgeordnetenhauswahl und der Wahl des Senats über 36 Prozent der Stimmen gewinnen und damit eine verfassungsändernde Mehrheit des Linksbündnisses leider verhindern.

Bei der Präsidentschaftswahl ist eine linke Mehrheit für Bachelet ziemlich sicher, da sie mit Stimmen von Anhängern des linksliberalen Enríquez-Ominami, der im 1. Wahlgang 11 Prozent der Stimmen erhielt, sowie der ökologischen/ökosozialistischen Kandidaten Marcel Claude und Alfredo Sfeir rechnen kann.

Siehe auch:

http://www.jungewelt.de/2013/11-20/040.php

http://en.wikipedia.org/wiki/Chilean_general_election,_2013

http://www.neues-deutschland.de/artikel/915282.chile-bachelet-gewinnt-erste-wahlrunde.html

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/amerika/praesidentschaftswahl-in-chile-der-siegerin-fehlten-drei-prozent-12669407.html

No Comments

Neue Lese-Tipps: Kirchenreichtum und Ideologiekritik

Was sonst noch in der Welt passiert

In der Jungen Welt macht Johann-Albrecht Haupt informative „Anmerkungen zum unermeßlichen Reichtum der Kirchen in Deutschland und der ­notwendigen Ablösung der »Staatsleistungen«„. Er beschäftigt sich mit vier Fragen: 1. Ist die Kirchensteuer legitim? 2. Wofür erhalten die Kirchen Geld vom Staat und von Dritten? 3. Ist die Kirche reich? 4. Was hat es mit den »Staatsleistungen« auf sich? Er kritisiert zurecht, dass die Kirchen nicht wie jede andere Vereinigung ihre Mitgliedsbeiträge selbst eintreibt und stattdessen kostenlos die Infrastruktur der staatlichen Finanzämter benutzen darf. Weiterhin verweist er darauf, dass der Staat auch für kirchliches Personal, das ausschließlich oder überwiegend im kirchlichen Interesse tätig wird (Religionslehrer, Theologie-Professoren …), die Kosten übernimmt. Zum Reichtum der Kirchen hält er fest: „Die katholische Kirche ist reich. Wie groß ihr Reichtum ist, weiß niemand, vermutlich nicht einmal sie selbst. Die Intransparenz in Finanzdingen ist erschreckend. Man kann bewußte Verheimlichung durch die »öffentlich (!)-rechtlichen Körperschaften« vermuten.“ Und schließlich kritisiert er die völlig abstrusen „Staatsleistungen“, die die Bundesländer aufgrund eines Gesetzes von 1803 wegen der Kirchenfürstenenteignung unter Napoleon noch heute verfassungswidrigerweise zahlen. Und obwohl überall in den Landesetats gespart werden muss, bleibt die Kirche außen vor. Und das Absurdeste: Die Kirchen wären auf die etwa 481 Mio. Euro jährlich gar nicht angewiesen, da sie aus den Kirchensteuern und eigenen Wirtschaftsunternehmungen viel mehr Einnahmen haben. Zum Wahnsinn/ zur mangelhaften Trennung von Sttat und Kirche bezüglich der Finanzen siehe auch: Carsten Frerk, »Violettbuch Kirchenfinanzen«, Alibri-Verlag 2010.

Auch lesenswert ist Tomasz Konicz‘ Beitrag zum Extremismus der Mitte, der am Montag noch fortgesetzt wird.

No Comments

Will sich die SPD wirklich für linke Koalitionen öffnen?

Parteien

„Zugleich sind wir uns darüber im Klaren, dass in der Großen Koalition nicht alle diese Ziele im von uns für möglich und richtig erachteten Maße zu erreichen sind. Die politische Entwicklung endet aber nicht mit dem Jahr 2017. Für die Zukunft schließen wir keine Koalition (mit Ausnahme von rechtspopulistischen oder -extremen Parteien) grundsätzlich aus.“ (Beschluss „Perspektiven. Zukunft. SPD!“, S. 5)

 

Als Bedingungen für eine Koalition nennt die SPD:

„Es muss eine stabile und verlässliche parlamentarische Mehrheit vorhanden sein.

Es muss einen verbindlichen und finanzierbaren Koalitionsvertrag geben, der mit sozialdemokratischen Wertvorstellungen vereinbar ist und eine höchstmögliche Realisierung unserer Leitziele ermöglicht.

Es muss eine verantwortungsvolle Europa- und Außenpolitik im Rahmen unserer internationalen Verpflichtungen gewährleistet sein.“ (Ebd., S. 6)

 

Damit soll der allgemeinen Ausschließeritis gegenüber der Linkspartei ein Ende bereitet werden. Doch ist das wirklich ein Zugehen auf die Linke? Was wir hier vorliegen haben, ist lediglich eine demokratische Selbstverständlichkeit, dass unter demokratischen Parteien Koalitionen zumindest diskutabel sind und nicht aus irgendwelchen taktischen Erwägungen ausgeschlossen werden. Ein klares Bekenntnis zu einer linken Koalition wird nicht formuliert. In den Äußerungen von Gabriel und anderen führenden „Genossen“ hört man heraus, dass es an der LINKEN ist, sich auf einen SPD-genehmen Kurs zu begeben. Dann seien Koalitionen auch möglich. Darauf zielt ja auch die dritte Bedingung der „verantwortungsvollen Europa- und Außenpolitik“, was im Prinzip eine versteckte Absage an die LINKE ist, da diese aus Sicht der SPD momentan keine verantwortungsvolle Position einnimmt.

Die LINKE soll also ihre ablehnende Haltung gegenüber der bisherigen Eurokrisenbewältigungsstrategie aufgeben und so wie die SPD zukünftig alle von Merkel vorgelegten Rettungspakte (Rettung der Banken und Spekulanten ist gemeint!) brav abnicken. Außerdem soll die LINKE nicht mehr so auf das abgestaubte Völkerrecht pochen und gegenüber humanitären Interventionen, sprich Auslandskriegseinsätzen der Bundeswehr, eine tolerantere Haltung einnehmen. Kurz gesagt: Die LINKE soll sich der imperialistischen Burgfriedenspolitik der Einheitspartei CDU-CSU-SPD-Grüne-FDP anschließen.

Nur liebe SPD, da hätte ich eine Frage: Wenn die LINKE diese Profil bildenden Positionen aufgeben und die gleiche Haltung wie die anderen Parteien einnehmen soll, warum sollte die LINKE dann weiter als eigenständige Organisation existieren? Dann fordert doch konsequenterweise, dass sich die LINKE auflösen und geschlossen der SPD beitreten soll. Und hört auf, diesen Beschluss als eine Öffnung für eine rosa-grün-rote Koalition darzustellen. Das ist lächerlich! Eine derart angepasste LINKE wäre eine leicht linkere Zweit-SPD, die wie gesagt so keiner braucht, dann kann auch gleich die SPD gewählt werden (oder die links denkenden Teile der Bevölkerung gehen ins Nichtwählerlager über).

 

In diesem Beschluss stehen aber noch andere putzige Dinge. Die SPD will z. B. „Themenlabore“ (ebd., S. 8) einrichten. Auf so einen PR-Begriff muss man erst mal kommen. Warum nennt man das nicht einfach Arbeitskreise, da weiß jeder Bürger, was gemeint ist. Oder will man damit seine Modernität betonen? Solche Begriffe führen m. E. eher dazu, die plötzlich entdeckte „kulturelle Kluft“ zwischen Partei und (zumindest früher) anvisierter Zielgruppe, den kleinen Leuten, zu vergrößern. Als einer der Gründe des schlechten Wahlergebnisses wird nun die kulturelle Kluft benannt (Rede von Gabriel). Das hat aber gedauert, bis diese Kluft festgestellt wurde. Schon vor vier Jahren war doch offensichtlich, dass viele Arbeiter, Arbeitslose und andere schlecht betuchte Schichten der Bevölkerung der SPD den Rücken gekehrt haben, weil sie durch die Agenda 2010 gesellschaftlich abgestiegen sind und keine Aufstiegschancen mehr gesehen haben. Wer arm ist in diesem Land, bleibt es in der Regel auch; und die Schere zwischen Arm und Reich ist trotz langer SPD-Regierungsbeteiligung immer weiter auseinandergegangen. Aber das Problem der Kluft zwischen Parteien und Bevölkerung ist ein allgemeines Problem des bürgerlich-demokratischen Parteiensystems. In allen Parteien sind hoch gebildete Menschen überproportional vertreten (CDU 52 %, SPD 50 % Anteil von Abiturienten bei 25 % Anteil in Gesamtbevölkerung). Arbeiter sind etwa ein Viertel der Bevölkerung, in der SPD-Mitgliedschaft finden sich aber nur zu 16 % Arbeiter (CDU 7 %). [Die Zahlen sind entnommen: Klein, Markus (2011): Wie sind die Parteien gesellschaftlich verwurzelt?. In: Spier, Tim et. al. (Hrsg.): Parteimitglieder in Deutschland, S. 39-59.]

Um diese Kluft zu überwinden, müsste die SPD wieder eine Sprache, aber auch eine Politik der Otto-normal-Bürger verwenden und betreiben. Da kommen wir zum Thema Öffnung nach links: Dazu würde nicht nur eine Anpassung der LINKEN an die SPD, sondern auch eine Anpassung der SPD an die LINKE, vor allem in der politischen Praxis. In der Theorie und in der Opposition spuckt die SPD gerne arbeitnehmerfreundliche Töne. Aber sobald sie in verantwortungsvolle Ämter einer Regierung gerät, kuscht sie vor den Beschwerden der führenden Kapitalverbände, die (siehe fünf Wirtschaftsweisen) vor jeder progressiven Veränderung zuungunsten des Kapitals eifrig warnen. Dann sind Themen wie Bürgerversicherung oder Steuerhöhungen für Großverdiener/-vermögende plötzlich obsolet.

 

Und dann will die SPD einen „sozialdemokratischen Ideenvorrat aufbauen“ (ebd., S. 10). Das finde ich besonders bemerkenswert, wo doch die SPD gerade dieses Jahr ihren 150. Geburtstag gefeiert hat. Könnte es nicht sein, dass sich da in 150 Jahren ein nicht unerheblich großer Ideenvorrat angesammelt hat? Karl Marx, August Bebel, Karl Kautsky, Rosa Luxemburg, Rudolf Hilferding – selbst Eduard Bernstein möchte ich als SPD-Veteranen nennen, auf deren Ideen sich die SPD beziehen könnte, vor allem natürlich auf Herrn Bernstein, der die Wende der SPD zur Reformpartei eingeleitet hat. „Vor allem in ökonomischen Fragen brauchen wir wieder eine zeitgemäße theoretische wie praktische Basis für sozialdemokratische Reformpolitik“, schreiben die Genossen in ihrem Beschluss (ebd., S.10. Da würde ich zeitgenössische Ökosozialisten und einen kurzen oder längeren Blick in den Nachhaltigkeitsdiskurs empfehlen. Dann kommen nämlich auch keine rückwärtsgewandten Forderungen wie „Erstens müssen wir unsere Wirtschaft auf einen stabilen und nachhaltigen Wachstumspfad bringen“ in SPD-Beschlüsse herein. Wer angesichts der Klimaveränderungen und Naturkatastrophen immer noch nicht begriffen hat, dass Wirtschaftspolitik nicht mehr unentwegt „Wachstum, Wachstum, Wachstum“ heißen kann, dass nun stärker darüber nachgedacht werden muss, wie bestimmte Wirtschaftsbereiche abgebaut und mit weniger Wachstum (genauer: Negativwachstum) höhere Lebensqualität erreicht werden sollten, dem kann keine große Zukunft prognostiziert werden. Die SPD ist keine Fortschrittspartei mehr, dies belegt dieser Leitbeschluss einmal mehr. Nicht umsonst haben sich Grüne und WASG/LINKE von der SPD abgespalten.

Siehe auch:

„SPD sieht rot-rot-grün künftig als Option“ (Frankfurter Rundschau)

Himmelfahrt mit Gabriel“ (Junge Welt)

No Comments

Aufruf „Volksentscheid jetzt bundesweit“ unterzeichnen!

Was sonst noch in der Welt passiert

Sehr geehrter Herr Gabriel,
Sehr geehrter Herr Seehofer,

die Zeit ist reif für mehr Demokratie: Volksbegehren und Volksentscheide haben sich in Städten, Gemeinden und in den Bundesländern längst bewährt – neun von zehn Bürger/innen befürworten sie auch auf Bundesebene.

Nutzen Sie die Zwei-Drittel-Mehrheit einer Großen Koalition und ermöglichen Sie uns Bürger/innen, selbst Gesetzesvorschläge ins Spiel zu bringen und Gesetze zu hinterfragen. Stimmen Sie dem Koalitionsvertrag nur zu, wenn bundesweite Volksentscheide eingeführt werden.

Mit freundlichen Grüßen, …

Siehe: https://www.campact.de/volksentscheid/appell/teilnehmen/

No Comments

Linksrutsch in New York?

Wahlen

Bricht der Sozialismus in den USA aus? Nein keineswegs, das ist in etwa so vorstellbar wie eine Konversion aller Deutschen zu Veganern. Aber die New Yorker haben mit Bill de Blasio den ersten Demokraten seit 20 Jahren zum Bürgermeister gewählt. Und di Blasio ist nicht ein durchschnittlicher Demokrat, sondern ein Vertreter vom äußerst linken Flügel, wobei dieser linke Flügel in Europa sicherlich keine Schlagzeilen auslesen würde. Doch für US-amerikanische Verhältnisse hat er doch ganz schön radikale Forderungen erhoben: Steuererhöhungen für Bürger mit einem Einkommen von mehr als $ 500.000, um in das völlig marode öffentliche Bildungssystem zu investieren; 150-Millionen-Dollar-Investitionen in die City University of New York; Senkung von Studiengebühren; außerdem hatte di Blasio steigende Mieten, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich sowie ausufernde Polizeikontrollen gegenüber Schwarzen und anderen Minderheiten angeprangert. Sprich, er hat die soziale Spaltung im größten kapitalistischen Land thematisiert, was an sich im politischen Establishment verpönt ist. Ob er die soziale Spaltung aber wirklich politisch angehen wird und soziale Verbesserungen durchsetzen kann, bleibt abzuwarten. Vielleicht ist er nur ein typischer Sozialdemokrat, der vor der Wahl links blinkt und soziale Wohltaten verspricht, sich dann aber gegen die herrschenden Kreise nicht durchzusetzen traut. Also bitte abwarten und keine übermäßigen Erwartungen schüren!

Gewonnen hat er jedenfalls mit deutlicher Mehrheit: 73,3 Prozent gegen den Republikaner Joseph J. Lhota. Auch die anderen Wahlergebnisse aus der vergangenen Woche deuten auf eine Tendenz zur Mäßigung der politischen Rechtsentwicklung hin. Der Kandidat der Tea Party verlor in Virginia und in New Jersey konnte sich ein gemäßigter Republikaner die Wiederwahl zum Gouverneur sichern. Im Moment scheint der Höhepunkt dieser antietatistischen Rechtspopulisten vorbei zu sein.

 

http://www.taz.de/Wahlen-in-den-USA/!126930/

http://www.welt.de/politik/ausland/article121623762/Tea-Party-scheitert-mit-bedingungsloser-Opposition.html

http://www.sueddeutsche.de/politik/bill-de-blasio-neuer-buergermeister-von-new-york-triumph-des-linken-populisten-1.1811517

http://www.jungewelt.de/2013/11-07/038.php

http://www.jungewelt.de/2013/11-08/034.php

No Comments

Aktionsbündnis wieder aktiv: Landesweiter Aktionstag am 11. November

Hochschulpolitik

Das hallesche Aktionsbündnis gegen die Kürzungspolitik der Landesregierung rüstet sich für neue Proteste: Für den 11. November plant das „Aktionsbündnis MLU – Perspektiven gestalten” zusammen mit den Kulturschaffenden der Initiative „5 vor 12“ sowie dem Stadtelternrat einen Laternenumzug unter dem Motto „Ohne uns gehen die Lichter aus!“. Auch in anderen Teilen des Landes sind Proteste geplant. So findet in Magdeburg gleichzeitig ebenfalls ein Laternenumzug statt.

Dazu erklärt Bündnissprecher Clemens Wagner: „Die Haushaltsberatungen beweisen, dass die Landesregierung an ihren rücksichtslosen Kürzungsabsichten festhält. Die Umsetzung wird massive, negative Auswirkungen auf alle Menschen in unserem Land haben: Sei es, dass Spitzenforschung nicht mehr möglich ist und die Hochschullehre sich verschlechtert, sei es eine zunehmende Gefährdung der Unterrichtsversorgung in den Schulen, oder dass Eltern immer tiefer in die Tasche greifen müssen um die KiTa-Gebühren zu bezahlen”.

Die Landesregierung plant, im Hochschulbereich im nächsten Jahr 26,5 Millionen Euro zu kürzen. Besonders betroffen wären die Studentenwerke, die Universitätskliniken in Halle und Magdeburg sowie die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Ab dem Jahr 2015 soll es zu Kürzungen in Höhe von fünf Millionen Euro jährlich kommen, was eine Reduzierung des Studienangebotes, die Schließung von Fakultäten oder ganzer Hochschulen zur Folge haben wird.

Aber nicht nur bei den Hochschulen wird gekürzt: So droht den Theatern in Dessau, Eisleben und Halle eine Streichung von insgesamt sieben Millionen Euro. Und bei den Schulen wird sich die jetzt schon mangelhafte Absicherung der Unterrichtsversorgung noch verschärfen. Auch dagegen formiert sich zunehmend Widerstand: „Die Eltern in Halle machen sich große Sorgen, wie es in den nächsten Jahren mit dem Unterricht an den Schulen weitergeht. Und natürlich würden sich viele freuen, wenn ihre Kinder auch nach der Schulzeit in Sachsen-Anhalt eine gute Ausbildung genießen könnten”, so der Vorsitzende des Stadtelternrates Thomas Senger.

„Mit zunehmender Breite des Bündnisses wird deutlich, dass die Bevölkerung den Kurs der Landesregierung ablehnt. Die Menschen akzeptieren nicht länger, dass in immer weiteren Bereichen der Gesellschaft die Leistungen gestrichen oder gekürzt werden. Sie erwarten zurecht, dass ihre Kinder gut lernen können und dass für ihre Familien auch weiterhin Theaterbesuche möglich und bezahlbar sind”, so Anne Voß, ver.di-Fachbereichsleiterin für Bildung, Wissenschaft und Forschung.

Informationen zur Aktion am 11.11.:

  • Motto: „Ohne uns gehen die Lichter aus!”
  • Start des Laternenumzugs: 17:30 Uhr auf dem Universitätsplatz Halle
  • Umzug: Universitätsplatz – Oper – Joliot-Curie-Platz – Kleinschmieden – Marktplatz
  • Abschluss: gegen 18 Uhr wird der Umzug auf dem Markt erwartet. Dort werden nach einer kurzen Ansprache symbolisch die Lichter gelöscht.
  • Die Teilnehmenden werden gebeten, selbst Laternen, Kerzen oder andere Leuchtelemente mitzubringen (ausgeschlossen sind Fackeln).

Presseinformation als pdf

No Comments

Ergebnis der Wahlen in Argentinien

Wahlen

In Argentinien wurden am 27. Oktober die Hälfte der Abgeordneten und ein Drittel der Sitze im Senat neu gewählt. Die meisten Medien sprechen von einer (großen) Niederlage für die amtierende Präsidentin Fernández de Kirchner und ihr linksperonistisches Bündnis „Frente para la Victoria“ (Front für den Sieg – FPV), die Junge Welt von „Herbeihalluzinierte[n] Niederlagen“. Im Vergleich zu den Teilwahlen vor vier (Abgeordnetenhaus) bzw. sechs Jahren (Senat) hat sich die FPV stabil gehalten, da schon damals ein relativ schlechtes Ergebnis erzielt wurde. Die Mehrheit in beiden Kammern ist weiter gegeben und die FPV immer noch größtes Parteienbündnis im Land mit 33.15 Prozent. Auch künftig verfügt sie zusammen mit kleineren Bündnispartnern im Abgeordnetenhaus mit insgesamt 132 Mandaten (von 257 insg.) und im Senat mit 39 Mandaten (von 72) über die Mehrheit. Die rechtsperonistische Frente Renovador kam auf 17,0 Prozent, noch hinter der sozialdemokratischen „Unión Cívica Radical“, die 21,38 Prozent der Stimmen erhielt (Zahlen auf Abgeordnetenhaus bezogen). Die Konservativen („Propuesta Republicana“) waren mit 9,0 Prozent chancenlos, die linksradikalen Parteien der vornehmlich trotzkistischen „Frente de Izquierda y de los Trabajadores“ konnten bei ihrer ersten Wahlteilnahme bei 5,1 Prozent drei Sitze gewinnen. Insgesamt haben linke und linksliberale Parteien eine überwältigende Mehrheit in Argentinien, das damit in guter Gesellschaft in Südamerika ist. Durch das Wahlergebnis ist aber eine Verfassungsänderung, die Fernández de Kirchner eine dritte Amtszeit ermöglichen könnte, ausgeschlossen. Das ist aber aus demokratietheoretischer Sicht auch nicht schlecht.

Siehe auch:

http://argentinienportal.com.ar/content/kongresswahl-argentinien-regierung-erleidet-verheerende-wahlniederlage

http://argentinienportal.com.ar/content/kommentar-ist-der-kirchnerismo-jetzt-am-ende

http://en.wikipedia.org/wiki/Argentine_legislative_election,_2013

http://www.jungewelt.de/2013/10-29/034.php

http://www.tagesschau.de/ausland/argentinien228.html

http://www.neues-deutschland.de/artikel/837427.argentinier-lassen-kirchner-im-dorf.html

Wahlanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Zum komplizierten Parteiensystem Argentiniens:

http://argentinienportal.com.ar/content/wahl-2013-alles-wichtige-zur-kongresswahl

http://argentinienportal.com.ar/content/hintergrund-die-aktuelle-politische-konstellation

1 Comment