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Thüringer Sozialgericht findet Sanktionen bei Hartz IV verfassungswidrig

Antikapitalismus

Vielleicht bricht das menschenunwürdige Sanktionsregime im Hartz IV-System bald zusammen. Es wäre eine Erlösung für sechs Millionen Hartz IV-Bezieher, die durch die Jobcenter und Arbeitslosenbehörden drangsaliert und permanent unter Druck gesetzt werden. Möglich werden könnte das durch eine Entscheidung des Thüringer Sozialgerichts, über das Junge Welt am Freitag berichtete. Das Gericht überwies einen Fall, in dem ein Mann aus Erfurt geklagt hatte, an das Bundesverfassungsgericht: „Nach zweimaliger Ablehnung von Arbeitsangeboten hatte das Jobcenter ihm demnach die Leistung von damals 391 Euro um 60 Prozent gekürzt. Er erhielt somit noch 156,40 Euro zum Leben. Nach Ansicht des Gerichts verletzt dies die Menschenwürde nach Artikel 1 des Grundgesetzes, sagte Behördensprecher Jens Petermann am Donnerstag auf jW-Nachfrage.“ (Quelle: Junge Welt)

Weiter heißt es: „Ferner verstoße die Praxis gegen das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Artikel 2) und Berufsfreiheit (Artikel 12). »Sanktionen können Gesundheit und Leben Betroffener gefährden«, so Petermann. Zudem führe ihre Androhung zu einem »verkappten Arbeitszwang«.“

Über die Zustände in diesen Behörden gibt es einen lesenswerten Brief, der auf Inge Hannemanss Blog nachgelesen werden kann.

Update 03.06.:

Trotz des Urteils des Thüringer Sozialgerichts: Arbeitsministerium will an Hartz-IV-Sanktionen festhalten, berichtet heute die Junge Welt.

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Regional- und Kommunalwahl in Spanien

Wahlen

„Linksruck bei Wahlen in Spanien“ titelt die FAZ nach den Regional- und Kommunalwahlen in Spanien. Durchaus zurecht, wenn auch nicht in allen Regionen nun der Sozialismus ausbrechen wird. Nein, der Linksruck bestand in allen Regionen einzig darin, dass die regierende Faschistennachfolgepartei PP ihre absolute Mehrheit verlor und Stimmen an die tendenziell linkspopulistische Podemos und deren regionalen Verbündeten sowie an die Mitte-rechts-Partei Ciutadans (die sich gegen die regionalen Autonomiebestrebungen wendet) verlor. Die Ergebnisse der Regionen im Überblick:

Summary of the 24 May 2015 Aragonese Courts election results
Party Vote Seats
Votes  % ±pp Won +/−
People’s Party (PP) 181,757 27,50 -12,19 21 -9
Spanish Socialist Workers‘ Party (PSOE) 141,528 21,41 -7,61 18 -4
We Can (Podemos) 135,554 20,51 New 14 14
Citizens-Party of the Citizenry (C’s) 62,188 9,41 New 5 5
Aragonese Party (PAR) 45,577 6,90 -2,25 6 -1
Aragonese Union (CHA) 30,344 4,50 -3,64 2 -2
United Left (IU) 27,936 4,23 -1,93 1 -3
Total 660,916 100,00   67 ±0
Summary of the 24 May 2015 Asturian General Junta election results
Party Vote Seats
Votes  % ±pp Won +/−
Spanish Socialist Workers‘ Party (PSOE) 142,08 26,45 -5,65 14 -3
People’s Party (PP) 115,935 21,58 0,05 11 1
We Can (Podemos) 102,178 19,02 New 9 9
United Left (IU) 64,114 11,93 -1,84 5 ±0
Citizens-Party of the Citizenry (C’s) 38,197 7,11 New 3 3
Asturias Forum (FAC) 44,283 8,24 -16,56 3 -9
Union, Progress and Democracy (UPyD) 4,295 0,80 -2,94 -1
Total 544,952 99.37   45 ±0

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Lese-Tipp: Butterwege – Hartz IV und die Folgen

Antikapitalismus

Hier eine Verlagsmitteilung zum neuen Buch vom Kölner Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge, einem der profiliertesten Hartz IV-Kritiker der Republik:

Soziale Kälte in einem reichen Land

Auf dem Weg in eine andere Republik?

Durch die Hartz-Reformen ist Deutschland zu einer anderen Republik geworden. Denn dieses Gesetzespaket hat nicht bloß das Armutsrisiko von (Langzeit-)Arbeitslosen und ihren Familien erhöht, sondern auch einschüchternd und disziplinierend gewirkt. Belegschaften, Betriebsräte und Gewerkschaften wurden unter Druck gesetzt, Lohn- und Gehaltseinbußen sowie schlechtere Arbeitsbedingungen zu akzeptieren. Ein ausufernder Niedriglohnsektor gehörte ebenso zu den Folgen wie gesellschaftliche Entsolidarisierungstendenzen und größere soziale Kälte.

»Hartz IV« ist europaweit die berühmteste Chiffre für den Abbau sozialer Leistungen und gilt hierzulande als tiefste Zäsur in der Wohlfahrtsstaatsentwicklung nach 1945: Zum ersten Mal wurde damit eine für Millionen Menschen in Deutschland existenziell wichtige Lohnersatzleistung, die Arbeitslosenhilfe, faktisch abgeschafft und durch eine bloße Fürsorgeleistung, das Arbeitslosengeld II, ersetzt. Aber mehr als das: Durch die Agenda 2010 des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder, die Hartz-Reformen und besonders das am 1. Januar 2005 in Kraft getretene Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt ist Deutschland zu einer anderen Republik geworden. Denn dieses Gesetzespaket hat nicht bloß das Armutsrisiko von (Langzeit-)Erwerbslosen und ihren Familien spürbar erhöht, sondern auch einschüchternd und disziplinierend auf viele Beschäftigte gewirkt. Ein ausufernder Niedriglohnsektor, der fast ein Viertel aller Beschäftigten umfasste, gehörte ebenso zu den Folgen wie Entdemokratisierungstendenzen und größere soziale Kälte.

Rezensionen: Junge Welt, Nachdenkseiten

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Diktatur über Griechenland nimmt weiter zu

Antikapitalismus

Geht’s noch? Die Troika-Diktatoren, allen voran die EU-Bürokratie, wollen Griechenland nun sogar vorschreiben, bei wem sich das (pro forma) souveräne Land verschulden darf. Es genügt nicht, dass mit allen erpresserischen Mitteln versucht wird, dass Land zu ruinösen Bedingungen zu zwingen, die gesamte Schulden zurückzuzahlen, obwohl ganz offensichtlich damit weite Teile der Bevölkerung in einen Elend gestürzt wird, das mit nur aus Entwicklungsländern kennt. Nun darf Athen nicht mal mehr Geld von Russland annehmen, obwohl damit vielleicht Schulden von IWF und EU-Ländern zurückgezahlt werden könnten:

„Wie der stellvertretende russische Finanzminister Sergej Stortschak dem Onlineportal Swobodnaja Pressa sagte, hat die EU Griechenland förmlich verboten, das in Rede stehende russische Geld anzunehmen. Angesichts der laufenden »Hilfsprogramme« dürfe Athen nirgendwo anders Schulden machen als bei seinen bisherigen Gläubigern in Brüssel und Washington.“ („Der Knebel bleibt drin“, Junge Welt von heute)

Hintergrund: Griechenland bespricht gerade mit Moskau die Möglichkeit, sich an der Gas-Pipeline »Turkish Stream« zu beteiligen und dafür drei oder fünf Milliarden Euro Transitgebühren für russisches Gas im voraus erhalten zu können. Dieses Geld kann Griechenland natürlich für sehr verschiedene Zwecke gut gebrauchen. Doch damit es den Griechen nicht zu gut geht, grätscht die EU-Kommission dazwischen. Das hat mit einer demokratischen Politik alles nichts mehr zu tun!

 

Wie die Demokratie auch mittels Geheimdienstaktivitäten beseitigt wird, hat wieder eine gute Ausgabe der Anstalt (ZDF) dargestellt. Sieh es hier.

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Rechtskonservativer Sieger in Polen

Wahlen

Bei der zweiten Runde der polnischen Präsidentschaftswahlen am Pfingstsonntag waren die zwei stärksten Kandidaten der ersten Runde in der Auswahl: der amtierende Präsident von der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO), Bronisław Komorowski, und der Kandidat der rechtskonservativen „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) Andrzej Duda. In der ersten Runde hatte Duda einen Vorsprung von einem Prozent und konnte diesen in der Stichwahl ausbauen: Nach letzten Meldungen kam er auf 53 Prozent, Komorowski auf 47 Prozent. Nach dem starken Abschneiden des parteilosen Rechtspopulisten Paweł Kukiz in der ersten Runde kommt dieses Ergebnis nicht völlig überraschend, denn die linken und linksliberalen Kräfte scheinen in Polen derzeit völlig geschwächt zu sein oder konnten keine überzeugenden Kandidaten aufbieten.

Die Wahlbeteiligung stieg von 48 (1. Runde) auf 56 Prozent.

Presse:

Neues Deutschland

ARD

t-online.de

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In Deutschland fehlt es an (bezahlter) Arbeit

Antikapitalismus

Es gibt kein Jobwunder in Deutschland, auch wenn die Lage am Arbeitsmarkt hierzulande sicherlich viel besser ist als in Spanien oder Griechenland. Trotzdem fehlt es an Arbeit, dies belegen Zahlen der aktuellen Arbeitskräfteerhebung:

„Im Jahr 2014 wünschten sich nach Ergebnissen der Arbeitskräfteerhebung rund 6 Millionen Menschen im Alter von 15 bis 74 Jahren Arbeit oder mehr Arbeitsstunden. Im Vergleich zum Vorjahr sank ihre Zahl um 336.000 Personen (-5,3 Prozent).

Trotz der günstigen Entwicklung am Arbeitsmarkt bleibt somit weiterhin ein erhebliches Potenzial an Arbeitskräften ungenutzt. Neben 2,1 Millionen Erwerbslosen setzte sich das ungenutzte Arbeitskräftepotenzial im Jahr 2014 aus 1,0 Millionen Personen in Stiller Reserve und insgesamt 2,9 Millionen Unterbeschäftigten zusammen. Im Vorjahresvergleich sanken sowohl die Zahl der Erwerbslosen (-92.000) als auch die Stille Reserve (-42.000) um gut 4 Prozent. Die Zahl der Unterbeschäftigten hatte mit -6,5 (-202.000) jedoch den stärksten Anteil am Rückgang des ungenutzten Arbeitskräftepotenzials.

Unterbeschäftigte sind Erwerbstätige, die den Wunsch nach zusätzlichen Arbeitsstunden haben und dafür auch zur Verfügung stehen. Im Jahr 2014 waren in Deutschland 7,3 Prozent der Erwerbstätigen im Alter von 15 bis 74 Jahren nach eigenen Angaben unterbeschäftigt. 14,9 Prozent der Teilzeitbeschäftigten und 4,4 Prozent der Vollzeitbeschäftigten wünschten sich zusätzliche Arbeitsstunden.“ (Quelle: http://www.finanznachrichten.de)

Neben diesen Unterbeschäftigten gibt es 915.000 Überbeschäftigten, die sehr gerne weniger arbeiten wollen. Schade, dass sie nicht einfach zu den Unterbeschäftigten gehen können und ihnen einen Teil der Arbeit überlassen können. Selbst nach einem solcher Umverteilung fehlte es an bezahlten Arbeitsplätzen, die nur durch eine gesamtgesellschaftliche Arbeitszeitverkürzung geschaffen werden können. Siehe Offener Brief 2013 von Massarrat und Bontrup

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OECD-Sozialbericht zu Einkommensunterschieden

Antikapitalismus

Diese Woche erschien der Sozialbericht der OECD, einer Organisation der führenden Industrienationen der (westlichen) Welt und bestätigte wieder einmal die erhebliche soziale Ungleichheit in Deutschland, die wir dem kapitalistischen Wirtschaftssystem und dem mangelhaften Widerstand gegen dessen Mechanismen zu verdanken haben. T-Online meldet dazu:

„Die Einkommensunterschiede in Deutschland sind nach OECD-Angaben größer als in vielen anderen Industrieländern. Dies geht aus dem neuen Sozialbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor, der die Entwicklung in 34 Industrienationen untersucht. In Deutschland verdienen demnach die obersten zehn Prozent der Erwerbstätigen 6,6-mal so viel wie die untersten 10 Prozent, heißt es in der am Donnerstag veröffentlichten Analyse.

[…] Während der Jahre der Finanzkrise zwischen 2008 bis 2011 seien die realen Einkommen bei den oberen zehn Prozent leicht angestiegen, im unteren Bereich blieben sie gleich. Anfang der 2000er Jahre hatte es noch einen deutlicheren Anstieg der Ungleichheit in Deutschland gegeben. Trotz Krise wurde dieser Trend aber nicht fortgesetzt – anders als bei der Mehrzahl der OECD-Länder.

[…] Auch wenn man das Vermögen betrachtet, ist die Ungleichheit in Deutschland größer als im Durchschnitt der dabei 19 untersuchten Industriestaaten. Die reichsten zehn Prozent der Deutschen besitzen laut Bericht 60 Prozent der Nettohaushaltsvermögen, im OECD-Schnitt sind es 50 Prozent. Diese Daten seien aber schlecht zu erfassen.“

Links zum Bericht (englisch) und eine sehr kurze Zusammenfassung

Bericht „Ein gutes Land für Reiche“ der Jungen Welt (Zitat: „Zehn Prozent der deutschen Bevölkerung besitzen dem Bericht zufolge 60 Prozent der Nettohaushaltsvermögen. Im OECD-Schnitt (die Organisation umfasst 34, zumeist dem politischen Westen zuzurechnende Mitgliedsstaaten) liegt diese Quote bei lediglich 50 Prozent. Die ärmeren 60 Prozent der Bevölkerung verfügen in Deutschland lediglich über sechs Prozent des Gesamtvermögens aller Haushalte.“)

Update 01.06.

Unter „OECD-Sozialstudie: „Ungleichheit so groß wie nie““ findet man einen ausführlichen Bericht zu dieser Studie bei www.kommunisten.de.

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TV-Tipp: Wieder Doku gegen TTIP

Antikapitalismus

In der ARD wurde am Montag eine TV-Dokumentation zum geplanten Freihandelsabkommen TTIP ausgestrahlt. Sie hat den Titel „Die Story im Ersten: Wohlstand für alle. Was bringen Freihandelsabkommen?“ Naja, eines steht fest: Wohlstand für alle (in gleichem Ausmaß) gibt es durch Freihandelsabkommen in der kapitalistischen Praxis nie. Die Ungleichheiten des Wohlstands wächst noch stärker als ohne solche kapitalistische Abkommen. Das sollte spätestens nach dem Sehen dieser Doku klar sein.

Zu TTIP veröffentlichte ich schon mehrere Beiträge: https://blogs.urz.uni-halle.de/wahlen/tag/ttip/

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Regierung gibt Angriff auf Streikrecht zu

Antikapitalismus

Die Bundesregierung hat in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion im Bundestag (implizit) zugegeben, dass mit dem geplanten Tarifeinheitsgesetz Streiks von Minderheitsgewerkschaften unterbunden werden können. Das Tarifeinheitsgesetz steht diese Woche (Freitag) auf der Tagesordnung des Bundestages.

Junge Welt berichtet: „Die Abgeordnete Beate Müller-Gemmeke hatte wissen wollen, ob die Arbeitsgerichte künftig auf Grundlage des Tarifeinheitsgesetzes einen Streik als unverhältnismäßig untersagen könnten. Der Antwort der Staatssekretärin zufolge kann ein Gericht einen Arbeitskampf untersagen, »soweit ein Tarifvertrag erzwungen werden soll, dessen Inhalte evident nicht zur Anwendung kommen«. Dies wäre der Fall, wenn die zum Ausstand aufrufende Gewerkschaft nicht die zahlenmäßig stärkste im betreffenden Konzern ist.“

Siehe auch: Süddeutsche Zeitung

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Hartz IV: Zweifelhafte Förderung Langzeiterwerbsloser

Antikapitalismus

In 111 der insgesamt 424 Jobcentern übertraf 2014 die Zahl der Sanktionen die der erfolgreichen Vermittlungen in einen Job oder eine sogenannte Maßnahme. Zu diesem Ergebnis kommt Paul M. Schröder vom Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Berufshilfe in einer jetzt veröffentlichten Auswertung der Statistiken der Bundesagentur für Arbeit (BA).

Das Institut schreibt: „1.001.103 im Jahr 2014 neu festgestellte Sanktionen (Kürzung des Existenzminimums) gegen 441.686 erwerbsfähige Leistungsberechtigte! Durchschnittlich 2,27 neu festgestellte Sanktionen gegen jeden der 441.686 erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit mindestens einer neu festgestellten Sanktion: in Berlin durchschnittlich 2,55 (Rang 1 im Ländervergleich), im Jobcenter Passau Stadt durchschnittlich 4,08 (Rang 1 im Jobcentervergleich), in den Jobcentern gE („gemeinsame Einrichtungen“) durchschnittlich 2,37. (Anmerkung aus aktuellem Anlass: Dillingen an der Donau mit durchschnittlich 3,10 auf Rang 13 im Jobcentervergleich. vgl. BSG-Entscheidung B 14 AS 19/14 R vom 29. April 2015)

Nachrichtlich: In 111 Jobcentern übertraf die Zahl der neu festgestellten Sanktionen, die der „Integrationen“, in 108 von 303 Jobcentern gE und in 8 von 94 Jobcentern zkT mit vollständigen Daten. (Anm.: Insgesamt gibt es zur Zeit 105 „zugelassene kommunale Träger“) In Berlin wurden im Jahr 2014 durchschnittlich 137,7 Sanktionen pro 100 „Integrationen“ neu festgestellt (Rang 1 im Ländervergleich), in den Jobcentern Passau Stadt und Passau (Landkreis) 241,0 bzw. 222,8 (Rang 1 und 2 im Jobcentervergleich)! Und: Würde die „Sanktionsquote“ analog zur „Integrationsquote“ (K2) im Kennzahlenvergleich nach § 48a SGB II berechnet, würde die durchschnittliche „Sanktionsquote“ 22,8 Prozent betragen – 32,5 in Berlin (Rang 1 im Ländervergleich) und 72,2 bzw. 72,0 in den beiden Passauer Jobcentern (Stadt und Landkreis: Rang 1 und 2 im Jobcentervergleich) und 6,8 Prozent in den Jobcentern Odenwaldkreis und Oder-Spree (Rang 393 und 394 im Jobcentervergleich).

Die gesamten BIAJ-Materialien „Der etwas andere Blick auf die Ergebnisse der Sanktionsstatistik im Jahr 2014“ vom 12. Mai 2015 finden Sie hier: Download (PDF*)“ (Siehe auch Junge Welt von heute)


 

Aber es sollen 43.000 (von über eine Million) Langzeiterwerbslose von einer neuen (?) Idee aus dem Arbeitsministerium von A. Nahles (SPD) profitieren: „Doch die Ministerin hat einen Plan: Jetzt will sie Unternehmen Gutes tun. Noch höhere Zuschüsse zu den Lohnkosten sollen sie erhalten, wenn sie Menschen einstellen, die länger als ein Jahr Hartz IV beziehen. 750 Millionen Euro soll das für 43.000 Betroffene ausgelegte sozialdemokratische »Sonderprogramm« kosten. Das geht aus einer Antwort des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) auf eine Anfrage der Grünen hervor.“ (Junge Welt von heute)

Weiter heißt es dort: „In Ermangelung zusätzlicher Mittel will Nahles für ihren Plan den Fördertopf der Jobcenter für »langfristige Maßnahmen« anzapfen. Aus diesem werden etwa mehrjährige Berufsausbildungen für junge Erwachsene finanziert. Im Klartext heißt das: Eine dreiviertel Milliarde soll den Jobcentern entzogen und Unternehmen für billige Arbeitskräfte geschenkt werden. Jugendlichen ohne Lehrstelle droht damit noch häufiger als bisher die Abschiebung aufs Abstellgleis. Verschiedene Gruppen von Erwerbslosen würden also einmal mehr gegeneinander ausgespielt, kritisierte die Abgeordnete der Linksfraktion, Sabine Zimmermann, zu Recht.“

Siehe auch: Zeit Online

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Das wahre Ausmaß der Arbeitslosigkeit (April 2015)

Antikapitalismus

Nach Januar und März folgen heute die nächsten Arbeitslosenzahlen, inkl. Blick hinter die Fassade der Jubelmeldungen der Agentur für Arbeit:

Tatsächliche Arbeitslosigkeit* Offizielle Arbeitslosigkeit Nicht gezählte Arbeitslose gesamt davon älter als 58
Januar 3.788.810 3.031.604 757.206 170.015
Februar 3.816.102 3.017.003 799.099 168.869
März 3.745.322 2.931.505 813.817 167.935
April 3.638.060 2.843.000 795.060

 

offene Stellen (Bund) Langzeit-arbeitslose erwerbsfähige ALG I- und ALG II-Empfänger
Januar 485.172 1.074.000 5.299.000
Februar 518.890 1.060.000 5.274.000
März 542.049 1.049.000 5.221.000
April 551.595 1.054.000 5.152.000

Pressemeldung hierzu: Junge Welt

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TV-Tipp: Share Economy – Die Schattenseiten

Antikapitalismus

Share Economy heißt vereinfacht gesagt, dass Privatleute wie du und ich über Internetplattformen (Airbnb, Wimdu, Uber, Helpling etc.) Dienstleistungen an andere Privatleute anbieten und dafür Geld zu bekommen; z. B. kann ich ein Zimmer der Wohnung an Touristen vermieten oder als „Taxifahrer“ Leute durch die Stadt kutschieren. Doch das hat mit gemeinnützigem Teilen nichts zu tun, es ist warenförmiger Kapitalismus, bloß ohne sozialstaatliche oder andere rechtliche Absicherung. Die Risiken dieser Einkommensquelle müssen die Privatleute und nicht die vermittelnde Internetplattform, die sich ordentlich Provisionen sichert, tragen. Die Probleme mit Uber & Co. können bei dieser TV-Dokumentation vom ZDF angesehen werden:

Kommunismus wäre, wenn jeder Mensch die angebotenen Dienste entgeltlos untereinander tauschen würden bei staatlich oder gesellschaftlich gesicherter Existenz, wenn die Internetplattform diese Tauschbeziehungen rechtsstaatlich absichert und keinen Profit aus der Vermittlung der Dienstleistungen ziehen würde.

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Über materielle und soziale Kinderarmut

Antikapitalismus

Folgendes ist eine Pressemitteilung zu einer aktuellen Studie der unternehmernahen Bertelsmann-Stiftung, die altbekannte Informationen zur Kinderarmut in Deutschland zusammengetragen hat. Vielleicht hört die Politik auf solche Kapitalfreundlichen Stimmen eher, als wenn der Paritätische Wohlfahrtsverband über die unsoziale Armut in Deutschland klagt, aber nur vielleicht. Es könnte sehr wohl auch sein, dass diese Studie auf den Berg der unbeachteten und abgehefteten Studien über das asoziale Wesen des Kapitalismus landet.

Die Bertelsmann Stiftung hat untersucht, wie Kinder aufwachsen, deren Eltern wenig Geld haben und kommt zu dem Ergebnis: Die staatliche Unterstützung für arme Familien orientiert sich zu wenig an den Bedarfen der Kinder und wird ihnen deshalb oftmals nicht gerecht.

Gütersloh, 10. Mai 2015. Jedes fünfte Kind in Deutschland gilt als armutsgefährdet. 2,1 Millionen unter 15-Jährige wachsen in Familien auf, deren Einkommen unter der Armutsgefährdungsgrenze liegt. Eine repräsentative Befragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) verdeutlicht, was Armut für den Alltag der Kinder bedeutet. Er ist geprägt von Verzicht und einem Mangel an Teilhabe. Für eine zweite Untersuchung haben Armutsforscherinnen der Universität Frankfurt vertiefende Interviews mit Eltern und Fachkräften geführt. Demnach kann das staatliche Unterstützungssystem Armut nur unzureichend auffangen.

Als armutsgefährdet wird statistisch eingestuft, wer von weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Netto-Einkommens lebt. Diese Schwelle liegt für eine vierköpfige Familie bei 1.848 Euro im Monat. Von den 2,1 Millionen armutsgefährdeten Kindern leben 950.000 – das sind 8,9 Prozent aller Kinder in Deutschland – in Haushalten, die staatliche Grundsiche-rung erhalten. Die Familien der restlichen 1,15 Millionen Kinder (10,8 Prozent) beziehen keine SGB-II-Leistungen.

Zusätzlich zu diesen 2,1 Millionen Kindern leben 480.000 Kinder (4,5 Prozent) in Familien, deren Einkommen mit SGB-II-Leistungen oberhalb der Armutsschwelle liegen. „Es gibt in Deutschland ein hohes Maß an verdeckter Armut, weil Familien trotz sehr geringem Einkommen kein Sozialgeld bekommen oder beantragen. Aber für fast eine halbe Million Kinder gelingt es dem Sozialstaat, sie über die Armutsschwelle zu heben“, sagte Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung.

Für viele Kinder ist Unterversorgung der Normalfall

Das IAB hat den Lebensstandard von Kindern aus SGB-II-Haushalten untersucht und mit der Situation von Kindern in gesicherten Einkommensverhältnissen verglichen. Während im Bereich der elementaren Grundversorgung nur geringe Benachteiligungen vorliegen, zeigen sich in anderen Bereichen deutlichere Unterschiede.

20 Prozent der Kinder im Grundsicherungsbezug leben aus finanziellen Gründen in beengten Wohnverhältnissen. Das tun nur 3,9 Prozent der Kinder, die in gesicherten Einkommensver-hältnissen aufwachsen. 76 Prozent der Kinder, deren Eltern SGB-II-Leistungen erhalten, können keinen Urlaub von mindestens einer Woche machen – gegenüber 21 Prozent der übrigen Kinder. 14 Prozent der Kinder im SGB-II-Bezug leben in Haushalten ohne Internet (Übrige: 1 Prozent), 38 Prozent in Haushalten ohne Auto (Übrige: 1,6 Prozent). 31 Prozent von ihnen wachsen in Haushalten auf, in denen es aus finanziellen Gründen nicht möglich ist, wenigstens einmal im Monat Freunde zum Essen nach Hause einzuladen (Übrige: 3,3 Pro-zent). Bei 10 Prozent der Kinder mit SGB-II-Bezug besitzen nicht alle Haushaltsmitglieder ausreichende Winterkleidung (Übrige: 0,7 Prozent).

Das Aufwachsen von Kindern in armutsgefährdeten Familien ist vielfach geprägt von einem Bündel an Problemen. Das zeigen Familieninterviews der Armutsforscherinnen Sabine Andresen und Danijela Galic (Universität Frankfurt). Zur chronischen Geldnot kommen oft-mals Krankheiten, Trennung der Eltern, beengte Wohnverhältnisse und unsichere Schulwege der Kinder hinzu. Erziehung bedeutet für die Eltern häufig Nein-Sagen und Erklärung von Verzicht. Handlungsspielräume haben sie kaum. Dies bezeichnen die Eltern als große Belas-tung. Denn auch für einkommensschwache Eltern sind ihre Kinder der Lebensmittelpunkt: Sie wünschen sich für ihre Kinder vor allem gute Bildung, und sie sind bereit, eigene Bedürf-nisse zurückzustellen. Eines ihrer wichtigsten Sparziele ist Freizeitgestaltung mit der Familie.

Eltern und kommunale Fachkräfte sehen dieselben Defizite

Das Gefühl fehlender Selbstbestimmung führt bei einkommensschwachen Eltern oftmals zu Resignation und Erschöpfung. Ausgelöst wird dieses Gefühl auch durch Unzufriedenheit mit staatlicher Unterstützung. Eltern, die von staatlicher Grundsicherung leben, klagen über zu viele behördliche Anlaufstellen, wechselnde Ansprechpartner und bürokratische Hürden. Sie vermissen, von den Behörden als Familie mit spezifischen Problemlagen wahrgenommen zu werden. Auch aus Sicht der befragten Fachkräfte aus Verwaltung und Bildungseinrichtungen scheitert Hilfe oft an Zeitmangel, Bürokratie und fehlender Passgenauigkeit.

„Materielle Unterversorgung und fehlende soziale Teilhabe sind eine schwere Hypothek, mit der Kinder ins Leben starten“, sagte Dräger. Wirksame Armutsbekämpfung müsse die Bedarfe der Kinder in den Mittelpunkt stellen. Das könne zugleich der Schlüssel sein, um das Vertrauen der Eltern in staatliche Angebote zu gewinnen, die sich an sie selbst richten.

Bislang, so die Andresen/Galic-Studie, konzentriere sich die Familien- und Sozialpolitik zu stark auf die Integration von Müttern und Vätern in den Arbeitsmarkt. Die Studienautorinnen empfehlen die Einrichtung zentraler Anlaufstellen mit festen Ansprechpartnern, die die jeweilige Familiensituation kennen. Zugleich sollten strukturelle Veränderungen Fachkräften mehr Entscheidungsspielräume und eine passgenaue Unterstützung ermöglichen. Zudem setzt sich die Bertelsmann Stiftung dafür ein, das Existenzminimum für Kinder zu überprüfen und die staatliche Grundsicherung anzupassen.

Zusatzinformationen

Silke Tophoven, Claudia Wenzig und Torsten Lietzmann (IAB) haben Daten der bundesweit repräsentativen Befragung „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS) des IAB (7. Welle, 2013) ausgewertet. Die Datenbasis macht eine differenzierte Betrachtung von Kindern in einkommensarmen Haushalten sowie von Unterversorgungslagen von Familien im SGB-II-Bezug möglich. Für die qualitative Studie „Kinder. Armut. Familie. Alltagsbewältigung und Wege wirksamer Unterstützung“ haben Sabine Andresen und Danijela Galic 27 Interviews mit Familien in prekären Lebenslagen sowie drei Gruppendiskussionen mit Fachkräften aus dem Unterstützungssystem ausgewertet.

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Ergebnis der Bremer Bürgerschaftswahl

Wahlen

Seit gestern Abend sind die Stimmen in Bremen ausgezählt und die Sitzverteilung festgestellt: Statt der in den ersten Hochrechnungen prognostizierten Ein-Stimmen-Mehrheit für Rot-Grün haben SPD und Grüne nun eine Mehrheit von 44 zu 39 Stimmen, also zwei Stimmen über der absoluten Mehrheit, trotz der starken Stimmenverluste beider Parteien (SPD -5,8 %, Grüne -7,4 %). Wie kommt das?

Gesamt Stadt Bremen Bremerhaven
Partei Prozent Sitze Prozent Sitze Prozent Sitze
Wahlberechtigte
Wähler 50.1 52.1 40.5
Ungültige Stimmzettel 3.0 2.9 4.0
Gültige Stimmen 100.0 83 100.0 68 100.0 15
SPD 32.8 30 32.6 24 34.0 6
CDU 22.4 20 22.2 16 23.9 4
GRÜNE 15.1 14 15.8 12 11.2 2
DIE LINKE 9.5 8 9.9 7 7.0 1
FDP 6.6 6 6.7 5 5.5 1
AfD 5.5 4 5.6 4 5.0 0
BIW 3.2 1 2.7 0 6.5 1
Die PARTEI 1.9 0 1.9 0 1.8 0
PIRATEN 1.5 0 1.4 0 2.5 0
Tierschutzpartei 1.2 0 1.2 0 1.4 0
NPD 0.2 0 1.4 0

Quelle: www.election.de

 

Das liegt an dem tragischen Scheitern der AfD an der Fünfprozenthürde in Bremerhaven. Dazu muss man wissen, dass die Bürgerschaftswahl in Bremen eigentlich aus zwei getrennten Teilwahlen, jeweils in Bremen und Bremerhaven, besteht (siehe Tabelle). Für die Sitzzahl in der Bremer Bürgerschaft ist also nicht der Stimmanteil für das gesamte Bundesland entscheidend (2. Spalte der Tabelle), sondern die in den Teilwahlen errungenen Stimmanteile (4. und 6. Spalte) und Mandate. Nach dem Stimmanteil in Gesamt-Bremen hätte die AfD wahrscheinlich ein fünftes Mandat bekommen; die AfD hat aber in Bremerhaven mit 4,97 % (in Tabelle aufgerundet dargestellt) oder um zehn Stimmen die Fünfprozenthürde verpasst und dementsprechend kein Mandat in Bremerhaven geholt. Hier wirkt sich die nun etablierte Konkurrenz im eigenen rechtspopulistisch-rechtskonservativen Lager aus: Die Bürger in Wut (BIW) haben wie schon in den beiden vorangegangenen Wahlen einen Sitz in Bremerhaven gewonnen und mit 6,5 % entscheidende Wähler der AfD „weggenommen“. Gegenüber den ersten Prognosen konnte die SPD also zwei Sitze, einen von der AfD und einen weiteren von der CDU, gut machen und Rot-Grün insgesamt von 42 auf 44 Sitze kommen. Das ändert nichts daran, dass es für die SPD das schlechteste Ergebnis in ihrer seit 1946 ununterbrochen Regierungsgeschichte Bremens ist und dass sich Rot-Grün von der 2011 sensationell erreichten Zweidrittelmehrheit verabschieden muss.

Gewinne/Verluste:

Gewinne und Verluste, in Prozentpunkten: SPD -5,8; Grüne -7,4; CDU 2,0; Linke 3,9; BIW -0,5; FDP 4,2; AfD 5,5; Andere -2,0; Quelle: infratest dimap|Der Landeswahlleiter

Quelle: tagesschau.de

Die Wahlgewinner waren neben der AfD, die beim ersten Wahlantritt in Bremen wenigstens die Fünfprozenthürde überwand, die reanimierte FDP (wer zum Teufel braucht in Bremen die FPD?? – laut Wählerstatistik v. a. die Selbstständigen, dort hat sie 12 % geholt) und auch die Linkspartei, die ihr Ergebnis um 3,9 % steigern konnte und Bremen als zweitstärkstes Pflaster Westdeutschlands nach dem Saarland betrachten kann. Angesichts der hohen Armut und sozialen Ungleichheit in Bremen, gegen die Rot-Grün nichts unternommen hat (wegen Schuldenbremse und den üblichen vorgeschobenen „Sachzwängen“), ist ein starkes LINKES Ergebnis nicht überraschend, eigentlich müsste dieses noch höher liegen. Doch dies scheitert wohl auch daran, dass fast die Hälfte der Wähler zu Hause geblieben ist – Wahlbeteiligung: 50,1 %, 4,4 % weniger als 2011 (auch neuer Tiefstand).

Interessant ist da, dass nun auch die Wahlberichterstatter diese Grafik berechnet haben:

Ergebnis umgerechnet auf alle Wahlberechtigten, in %: Nichtwähler 50,0 , SPD 15,9 , Grüne 7,4 , CDU 11,0 , Linke 4,7 , FDP 3,2 , AfD 2,4 , Quelle: Infratest dimap

Quelle: tagesschau.de

Warum sind die Wähler nicht zur Wahl gegangen?

TODO

Quelle: tagesschau.de

Das sagt alles über das „demokratische“ System Deutschlands aus. Dass Politiker nur ihre eigene Interessen verfolgen, würde ich so nicht unterstellen, aber dass sie an den Interessen und Bedürfnissen der Arbeitslosen, prekäre Beschäftigten und von Armut Betroffenen vorbeiregieren, ist angesichts der großen Wahlenthaltung und der schlechten Ergebnisse für SPD, Grüne und CDU (die ihr Debakel von 2011 mit dieses Jahr 22,4 % kaum überwunden haben) offensichtlich. Die Interessen, die sie vertreten, entsprechen denen der Kapitalbesitzer, Unternehmer und hoch bezahlten Arbeitnehmergruppen.

 

Berichte:

Junge Welt

faz.net, taz.de, spiegel.de (Rücktritt von Bürgermeister Böhrnsen)

taz.de (Wahlbeteiligung)

zeit.de, tagesspiegel.de

detaillierte Statistik auf Bremer Wahlseite


 

mein Blog-Beitrag zur letzten Wahl 2011

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Präsidentschaftswahl in Polen

Wahlen

Nicht nur in Bremen wurde am Sonntag gewählt (aktueller Auszählungsstand hier verfolgbar), sondern auch in Polen. Dort wurde die erste Runde der Direktwahl des polnischen Präsidenten und Staatsoberhaupts abgehalten. Kein Kandidat konnte die erforderliche absolute Mehrheit erringen, sodass es in zwei Wochen (24. Mai) zu einer Stichwahl zwischen dem überraschend führenden rechtskonservativen Andrzej Duda und dem liberalen Amtsinhaber Bronisław Komorowski kommen wird. Bemerkenswert war das gute Ergebnis des parteilosen, rechtspopulistisch auftretenden Rockmusikers Paweł Kukiz und das desaströse der Ergebnis der Sozialdemokratie:

Andrzej Duda: 34,7 Prozent

Bronislaw Komorowski: 33,7 Prozent

Paweł Kukiz: 20,5 Prozent

Magdalena Ogórek (Sozialdemokraten): 2,4 Prozent


 

Presseschau:

tagesschau.de

Junge Welt

Neues Deutschland

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UK: Absolute Mehrheit für Konservative

Wahlen

Ja nun, was haben die Demoskopen denn da wieder vermasselt? War doch vor der Unterhauswahl in Großbritannien vieles nicht klar, doch eines schien festzustehen: Es wird keine klaren Mehrheiten geben, wer regiert, wird erst nach Tagen der Ungewissheit feststehen. Die Umfragen, von denen es in Großbritannien noch viel mehr gibt als in Deutschland, sahen beide Großparteien (Konservative und rechtssozialdemokratische Labour) gleichauf bei um die 33-34 %, dahinter die rechten Anti-EU-Populisten von UKIP mit ca. 12 % und die Liberaldemokraten mit etwa 9 %.

Das Ergebnis kann der folgenden Tabelle entnommen werden. Die Konservativen haben (in Stimmenanteilen) einen Vorsprung von 6 % bzw. von 100 Sitzen vor Labour und sogar die absolute Mehrheit. Die Mehrheit ist aber knapper als bei der letzen Wahl, als die Konservativen ja noch über 50 Stimmen der Liberaldemokraten benötigten, um eine für Großbritannien ungewöhnliche Koalitionsregierung zu schmieden. Bei den kleinen Parteien ragt natürlich die SNP, die schottische Regionalpartei, heraus, die ihre Mandatszahl von 6 auf 56 erhöhen konnte. Die UKIP konnte mit ihren 12,6 % Stimmenanteil nur ein Mandat gewinnen – ein demokratischer Witz aus meiner Sicht. Mehr Mandate mit wesentlich weniger Stimmen gewannen die nordirischen Parteien (Democratic Unionist Party 8, Sinn Féin 4, Ulster Unionist Party 2 und Social Democratic & Labour Party 3 Mandate) und auch die walisische Regionalpartei Plaid Cymru. Auch die Grünen werden mit einem Mandat weiter im Unterhaus vertreten sein. Die radikale Linke konnte wieder kein Mandat erobern, weder die gewerkschaftlich-trotzkistische TUSC (0,1 %) noch die Socialist Labour Party (<0,1%); die der Europäischen Linkspartei zugehörige Left Unity und die marxistischen Parteien Socialist Party of Great Britain und Communist Party of Britain traten nur in etwa zehn Wahlkreisen an und bekamen weniger als 0,1 % der Stimmen.

Die Wahlbeteiligung lag übrigens bei 66 %, ein Prozent mehr als 2010, was aber auch bedeutet, dass nur etwa 24 % der Wahlberechtigten Camerons Konservative gewählt haben, also alles andere als eine klare Mehrheit der Briten wollte, dass Cameron weiter regiert.

Ergebnis-Übersicht:

Party Leader Votes Seats
Conservative Party David Cameron 11,334,920 (36.9%) 332 (50.8%) 332 / 650
Labour Party Ed Miliband 9,344,328 (30.4%) 232 (35.7%) 232 / 650
UK Independence Party Nigel Farage 3,881,129 (12.6%) 1 (0.2%) 1 / 650
Liberal Democrats Nick Clegg 2,415,888 (7.9%) 8 (1.2%) 8 / 650
Scottish National Party Nicola Sturgeon 1,454,436 (4.7%) 56 (8.6%) 56 / 650
Green Party Natalie Bennett 1,154,562 (3.8%) 1 (0.2%) 1 / 650
Democratic Unionist Party Peter Robinson 184,260 (0.6%) 8 (1.2%) 8 / 650
Plaid Cymru Leanne Wood 181,694(0.6%) 3 (0.5%) 3 / 650
Sinn Féin Gerry Adams 176,232 (0.6%) 4(0.6%) 4 / 650
Ulster Unionist Party Mike Nesbitt 114,935 (0.4%) 2(0.3%) 2 / 650
Social Democratic & Labour Party Alasdair McDonnell 99,809 (0.3%) 3(0.5%) 3 / 650

Quelle: engl. Wikipedia

 

Der Vergleich von Stimmenateilen und Sitz-Anteilen zeigt wieder den undemokratischen Charakter des britischen Mehrheitswahlrechts, bei dem ja ein Wahlkreis mit einfacher Mehrheit gewonnen wird – d. h., es ist unerheblich ob ein Kandidat den Wahlkreis mit 75 % gewinnt oder mit 25 %. Das dürfte auch ein Grund sein, warum die Umfragen so wenig Aussagekraft haben.

Siehe auch:

http://www.faz.net/aktuell/der-interaktive-atlas-zu-den-wahlen-in-grossbritannien-13570495.html

https://www.jungewelt.de/2015/05-09/001.php

http://www.neues-deutschland.de/artikel/970485.cameron-sieg-loest-politischen-erdrutsch-aus.html

https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_MPs_elected_in_the_United_Kingdom_general_election,_2015

 

Gesamtergebnis mit allen Parteien bei BBC

Karte mit Wahlkreisgewinnern: FAZ

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