
Ja nun, was haben die Demoskopen denn da wieder vermasselt? War doch vor der Unterhauswahl in Großbritannien vieles nicht klar, doch eines schien festzustehen: Es wird keine klaren Mehrheiten geben, wer regiert, wird erst nach Tagen der Ungewissheit feststehen. Die Umfragen, von denen es in Großbritannien noch viel mehr gibt als in Deutschland, sahen beide Großparteien (Konservative und rechtssozialdemokratische Labour) gleichauf bei um die 33-34 %, dahinter die rechten Anti-EU-Populisten von UKIP mit ca. 12 % und die Liberaldemokraten mit etwa 9 %.
Das Ergebnis kann der folgenden Tabelle entnommen werden. Die Konservativen haben (in Stimmenanteilen) einen Vorsprung von 6 % bzw. von 100 Sitzen vor Labour und sogar die absolute Mehrheit. Die Mehrheit ist aber knapper als bei der letzen Wahl, als die Konservativen ja noch über 50 Stimmen der Liberaldemokraten benötigten, um eine für Großbritannien ungewöhnliche Koalitionsregierung zu schmieden. Bei den kleinen Parteien ragt natürlich die SNP, die schottische Regionalpartei, heraus, die ihre Mandatszahl von 6 auf 56 erhöhen konnte. Die UKIP konnte mit ihren 12,6 % Stimmenanteil nur ein Mandat gewinnen – ein demokratischer Witz aus meiner Sicht. Mehr Mandate mit wesentlich weniger Stimmen gewannen die nordirischen Parteien (Democratic Unionist Party 8, Sinn Féin 4, Ulster Unionist Party 2 und Social Democratic & Labour Party 3 Mandate) und auch die walisische Regionalpartei Plaid Cymru. Auch die Grünen werden mit einem Mandat weiter im Unterhaus vertreten sein. Die radikale Linke konnte wieder kein Mandat erobern, weder die gewerkschaftlich-trotzkistische TUSC (0,1 %) noch die Socialist Labour Party (<0,1%); die der Europäischen Linkspartei zugehörige Left Unity und die marxistischen Parteien Socialist Party of Great Britain und Communist Party of Britain traten nur in etwa zehn Wahlkreisen an und bekamen weniger als 0,1 % der Stimmen.
Die Wahlbeteiligung lag übrigens bei 66 %, ein Prozent mehr als 2010, was aber auch bedeutet, dass nur etwa 24 % der Wahlberechtigten Camerons Konservative gewählt haben, also alles andere als eine klare Mehrheit der Briten wollte, dass Cameron weiter regiert.
Ergebnis-Übersicht:
Party | Leader | Votes | Seats | |||
Conservative Party | David Cameron | 11,334,920 (36.9%) | 332 (50.8%) | 332 / 650 | ||
Labour Party | Ed Miliband | 9,344,328 (30.4%) | 232 (35.7%) | 232 / 650 | ||
UK Independence Party | Nigel Farage | 3,881,129 (12.6%) | 1 (0.2%) | 1 / 650 | ||
Liberal Democrats | Nick Clegg | 2,415,888 (7.9%) | 8 (1.2%) | 8 / 650 | ||
Scottish National Party | Nicola Sturgeon | 1,454,436 (4.7%) | 56 (8.6%) | 56 / 650 | ||
Green Party | Natalie Bennett | 1,154,562 (3.8%) | 1 (0.2%) | 1 / 650 | ||
Democratic Unionist Party | Peter Robinson | 184,260 (0.6%) | 8 (1.2%) | 8 / 650 | ||
Plaid Cymru | Leanne Wood | 181,694(0.6%) | 3 (0.5%) | 3 / 650 | ||
Sinn Féin | Gerry Adams | 176,232 (0.6%) | 4(0.6%) | 4 / 650 | ||
Ulster Unionist Party | Mike Nesbitt | 114,935 (0.4%) | 2(0.3%) | 2 / 650 | ||
Social Democratic & Labour Party | Alasdair McDonnell | 99,809 (0.3%) | 3(0.5%) | 3 / 650 |
Quelle: engl. Wikipedia
Der Vergleich von Stimmenateilen und Sitz-Anteilen zeigt wieder den undemokratischen Charakter des britischen Mehrheitswahlrechts, bei dem ja ein Wahlkreis mit einfacher Mehrheit gewonnen wird – d. h., es ist unerheblich ob ein Kandidat den Wahlkreis mit 75 % gewinnt oder mit 25 %. Das dürfte auch ein Grund sein, warum die Umfragen so wenig Aussagekraft haben.
Siehe auch:
http://www.faz.net/aktuell/der-interaktive-atlas-zu-den-wahlen-in-grossbritannien-13570495.html
https://www.jungewelt.de/2015/05-09/001.php
http://www.neues-deutschland.de/artikel/970485.cameron-sieg-loest-politischen-erdrutsch-aus.html
https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_MPs_elected_in_the_United_Kingdom_general_election,_2015
Gesamtergebnis mit allen Parteien bei BBC
Karte mit Wahlkreisgewinnern: FAZ
