Seit hundert Tagen regiert in Thüringen eine Mitte-links-Koalition aus LINKE, SPD und Grünen. Wenig überraschend ist der Kommunismus noch nicht wieder ausgebrochen und die Bundeswehr musste nicht wie ihre historische Vorgängerin (die Reichswehr) 1923 in Thüringen einmarschieren, um eine auf falschem, also kommunistischen Wege abgleitende Regierung aus dem demokratisch legitimierten Amtssesseln fegen (zu dieser Geschichte hier kurz und hier etwas ausführlicher). Welche Bilanz wird in den deutschen Medien gezogen? Hier eine kleine Rundschau:
In der Jungen Welt meint Ekkehard Lieberam, Vertreter des Marxistischen Forums in der Linkspartei, dass von dieser Regierung nicht viel zu erwarten sei und dass deren Entzauberung bald bevorstehe: „Der Sinn einer Regierungsübernahme als vorgebliches Mittel progressiver Gesellschaftsgestaltung steht auf dem Prüfstand. Nach 100 Tagen Amtszeit erwarten noch immer viele Menschen in Thüringen eine politische Wende weg vom neoliberalen Mainstream und hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit. 1 Mit der Geschichte von Linksregierungen vertraute Sozialisten und Kommunisten befürchten, dass sich all dies bereits mittelfristig wieder einmal als Illusion erweisen wird.“ Die Linkspartei entwickele sich zu einer zweiten Sozialdemokratie und setzt fatalerweise auch auf Bundesebene immer stärker auf eine Regierungsbeteiligung, weshalb programmatische Grundsätze (Antikriegspartei, Widerstand gegen Hartz IV, Partei der Aufklärung über die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse im entfesselten Kapitalismus und Partei einer differenzierten Sicht auf die DDR-Geschichte) über Bord geworfen werden.
Die FAZ schreibt von der wohltuenden Ruhe, die die Regierung im Gegensatz zu der skandalumwitterten Großen Koalition unter CDU-Ministerpräsidentin Lieberknecht, in die Politik brachte. ‚Diese zur Schau gestellte Ruhe ist Teil einer länger angelegten Strategie, einem Bündnis unter Führung der Linkspartei den Schrecken zu nehmen. In seinem Buch ‚Die Linke – Partei neuen Typs?’ spricht Benjamin Immanuel Hoff, Minister in der Staatskanzlei, von einem ‚rot-grün-roten Projekt … durch das Handeln selbst’.“ Damit gibt Hoff der Analyse von Lieberam recht. Inhaltlich steht laut LINKE-Landeschefin Hennig-Wellsow die Ablehnung der Antiterrorgesetze und des Bundeswehr-Attraktivitätssteigerungsgesetzes zu Buche sowie: „Im Land werde die Gemeinschaftsschule als Zeichen des linken Politikwechsels ausgebaut, das Bildungsfreistellungsgesetz ins Plenum eingebracht und die ‚Herdprämie’, das Landeserziehungsgeld, abgeschafft.“
Beim ZDF ist man erstaunt, dass Ramelow so wenig Fehler macht – wieso das denn? Glaubt man beim ZDF tatsächlich immer noch, dass „Sozialisten“ (ob Ramelow dieses Attribut verdient, ist anzuzweifeln) völlig unfähig zum Regieren sind? Weiter heißt es zum Ramelow-Motto „Versöhnen statt spalten“: „Lippenbekenntnis oder Paradigmenwechsel? Um das zu beurteilen, braucht es mehr als 100 Tage. Der versprochene Politikwechsel ist bislang eher im Atmosphärischen zu suchen.“ Und: „Doch die vielleicht deutlichste Veränderung ist an Bodo Ramelow selbst zu beobachten. Der einst heißspornige Oppositionsführer tritt nun abwägend und staatsmännisch in Erscheinung.“ Solches Lob belegt vielleicht am eindrucksvollsten, was die radikale Linke, die wirklich einen sozialistischen Umsturz anstrebt, von der rot-rot-grünen Regierung zu erwarten hat.
Weitere Berichte:
Neues Deutschland
MDR (Video) – 100 Tage ohne Skandal
Frankfurter Rundschau
Huffington Post (sprechen ernsthaft vom zweiten kommunistische Ministerpräsident, lachhaft!)
Die Welt
Was hat die Regierung aus Sicht der Linkspartei schon erreicht? Hier eine Übersicht:
Mehr Lehrer
Schon jetzt haben wir 184 neue Lehrerinnen und Lehrer eingestellt. Wir werden pro Jahr 500 dringend nötige Lehrerinnen und Lehrer in die Schulen holen.
Bildungsfreistellungsgesetz vorgelegt
Endlich werden auch in Thüringen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Recht auf bezahlte Freistellung für Weiterbildung haben.
Gute Kinder-Betreuung statt „Herdprämie“
20 Millionen Euro werden nun für den Ausbau von Kitas und den Einstieg in ein gebührenfreies Kita-Jahr frei, weil wir die „Herdprämie“ („Landeserziehungsgeld“) abschaffen.
NSU-Untersuchungsausschuss
Thüringen klärt den rechten NSU-Terror und das Versagen der Behörden weiter konsequent mit einem zweiten Untersuchungsausschuss auf.
V-Leute-Praxis eingeschränkt
Der fatale Einsatz von V-Leuten in der Nazi-Szene wird auf den Prüfstand gestellt. Ihr Einsatz in engsten Grenzen ist jetzt nur noch im Falle von Terror-Gefahr erlaubt.
Einstieg in eine humanitäre Flüchtlingspolitik
Thüringen heißt Menschen willkommen. Der Winterabschiebe-Stopp war ein Akt humanitärer Notwendigkeit und Einstieg in eine andere Flüchtlingspolitik.
Selbstbedienung gestoppt
In Zukunft dürfen die Fraktionen des Landtages keine unzulässigen Zulagen an Abgeordnete zahlen. Damit beenden wir endlich das Selbstbedienungs-System der CDU – so wie es die Thüringer Verfassung will.
Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsrefom angeschoben
Der Einstieg in eine Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsrefom ist beschlossene Sache. Unser Ziel sind bürgernahe, leistungsfähige und ausfinanzierte Strukturen.
Stärkung der Kommunen
Wir haben ein 135 Millionen Euro Hilfspaket für die unterfinanzierten Kommunen geschnürt, damit Jugendhilfe, Kultur, Schwimmbäder, Wohnen, Mobilität, … in den Gemeinden, Städten und Kreisen gestärkt werden kann.
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