
Irgendwie nerven sie, vor allem wenn man sich alle Jahresrückblicke aller Medien betrachtet, doch will ich deshalb nicht auf einen Jahresrückblick verzichten. Es sollen in Form eines Länder-Tickers noch einmal die wichtigsten politischen Tendezen reflektiert werden.
Ukraine: die „Orangene Revolution“ ist abgewählt worden. Bei den Präsidentschaftswahlen in der Ukraine siegt der prorussische Kandidat Janukowitsch gegen die Führer der „Revolution“ Timoshenko und Juschtschenko.
Irak: Bei den Parlamentswahlen im März gab es keinen eindeutigen Sieger: Sieger wurde die Liste von Ex-Ministerpräsident Allawi mit 91 von 325 Sitzen, der amtierende Regierungschef Maliki 89 Sitze. Die Regierungsbildung dauerte Monate und erst vor wenigen Tagen konnte Maliki (einen Teil des) das neue Kabinett präsentieren. Von Frieden und Fortschritt nicht viel zu sehn.
Frankreich: Bei den Regionalwahlen erlitt Präsident Sarkozy und sein konservatives Regierungsbündnis eine Schlappe. Die Union de la gauche (Sozialisten, Grüne, Kommunisten etc.) errang im Landesschnitt 53,51 % aller Stimmen, Sarkozys UMP-Liste 35,38 % und die Front national 9,17 %. Auch die Rentenreform sorgte für Sympathieverluste und nur ein Wunder scheint Sarkozys Wiederwahl 2012 möglich zu machen.
Ungarn: Katastrophe für die Linken bei den Parlamentswahlen. Die Rechtskonservative Fidesz erringt eine Zwei-Drittel-Mehrheit, die Sozialdemokratenaten gewannen nur 58 der 386 Mandate und die offen rechtsextremistische Jobbik errang immerhin 47 Mandate. Ergebnis dieses Rechtsrucks ist z.B. das vor Kurzem beschlossene, völlig undemokratische Mediengesetz.
Großbritannien: Bei den Parlamentswahlen siegen die Tories, verpassen aber die absolute Mehrheit. Daher kommt es erstmals seit langem zu einer Koalition aus Konservativen und Liberalen. Regierungspartei Labour verlor 91 Mandate und Parteichef Brown dankte ab. Die geplante Studiengebührenerhöhung (ein Bruch mit einem zentralen Wahlversprechen der Liberalen) auf fast 10.000 Pfund verursacht massiven, teils gewaltsamen Widerstand.
Tschechische Rep.: Die Mitte-rechts-Regierung wurde zwar nicht bestätigt, aber dank der neuen Parteien TOP 09 und “Věci veřejné” bleibt die Demokratische Partei und das bürgerliche Lager an der Macht. Sozialdemokraten verloren 18 Parlamentssitze, die Kommunisten bleiben stabil bei 26.
Slowakei: Im Nachbarland fanden ebenfalls Parlamentswahlen statt, bei der die regierende linksnationalistische Regierung unter Sozialist Fico abgewählt wurde. Eine Vierparteienkoalition von Konservativen und Liberalen erhielt zusammen 44 %, Ficos Smer nur 34,8 % und sein ehem. Partner die Nationalpartei verlor stark und kam auf 5%.
Bei den Kommunalwahlen im November haben die bürgerlichen Parteien Verluste erlitten und die Sozialisten konnten wieder zulegen.
Niederlande: Auf Grund fehlender Sperrklausel war das Parlamentswahlergebnis wieder sehr unübersichtlich: stärkste Kraft mit 20,5 % wurde der rechtsliberale VVD vor Sozialdemokraten (19,5 %) und der rechtspopulistischen PVV (15,5 %). Insgesamt acht Parteien sind im Parlament vertreten. Nach lagwierigen Verhandlungen wurde eine Minderheitsregierung aus Rechtsliberalen und Christdemokraten, gestützt auf den Populisten Wilders und seine PVV, gebildet – mal sehen, wie lange das gut geht…
Belgien: Noch länger dauert die Regierungsbildung im Nachbarland Belgien. Bis heute amtiert geschäftsführend die alte Regierung, weil auch sechs Monate nach der vorgezogenen Parlamentswahl keine Koalition gefunden wurde. Belgiens Parteiensystem ist an Hand der Sprachengrenzen völlig zersplittert. Stärkste Parteien in Flandern wurde die Regionalisten (N-VA) und Christdemokraten, in Wallonien die Sozialisten und die Rechtsliberalen. Vor der Wahl zerbrach eine Koalition aus Liberalen, Christdemokraten und wallonischen Sozialisten am Sprachenstreit.
Australien: In Australien konnten sich die regierende Labour Party nur knapp im Amt retten. Wegen massiver Verluste verloren sie ihre absolute Mehrheit, dank der Grünen und zweier unabhängiger Abgeordneten bleibt Julia Gillard Premier Minister.
Schweden: Auch in Schwedens Parlament sitzen nun Rechtspopulisten, die „Schwedendemokraten“ errangen 5,7 %. Weder die Mitte-Rechts-Allianz von Regierungschef Reinfeldt noch das linke Bündnis konnten die absolute Mehrheit erringen. Im Amt bleibt die Mitte-Rechts-Koalition als Minderheitsregierung, die sich fallweise ihre Unterstützer suchen muss. Im „Volksheim“ bleiben die Sozialdemokraten weiter geschwächt (nur 30,8%), Tradition bringt keine Stimmen.
Venezuela: Hier konnte Präsident Chavez und seine PSUV wieder einen Sieg einfahren, büßen aber die Zwei-Drittel-Mehrheit ein. Die PSUV errang 96 Sitze, das Oppositionsbündnis „Tisch der demokratischen Einheit“ 64 von 165 Sitzen. Die bolivarische Revolution geht aber weiter.
Österreich: Bei der Landtagswahl in der Steiermark siegte die SPÖ knapp vor der ÖVP und viel verändert sich nicht. Das ist gut, denn auch die kleine KPÖ behielt immerhin 2 Mandate in ihrer Hochburg. Auch bei der Wahl in Wien konnte sie ein Mandat verteidigen.
Moldawien: Hier herrscht seit anderthalb Jahren ein politisches Patt, sodass kein Staatspräsident gewählt werden konnte. Bei den Parlamentswahlen im November blieb bei leichten Verlusten die Kommunistische Partei stärkste Kraft, doch keine der liberalen oder sozialdemokratischen Parteien wollten bisher mit ihr zusammenarbeiten.
Weißrussland: Vor wenigen Tagen wurde Präsident Lukaschenko wieder mit rund 79 % der Stimmen im Amt bestätigt. Die deutschen Leitmedien haben wie immer über Wahlbetrug geklagt, ohne stichhaltige Bewe4ise dafür zu haben. Aussagen von Wahlbeobachtern fanden während des Wahlvorgangs keine Unregelmäßigkeiten. Trotzdem regiert Lukaschenko autoritär und die Chancen der Opposition sind gering.
Deutschland:
Landtagswahl in NRW: CDU klarer Wahlverlierer (-10,2 %), Linke erstmals im Landtag, keine klaren Mehrheiten, sodass erstmals eine rot-grüne Minderheitsregierung in NRW regiert, gestützt vor allem auf die angeblich regierungsunfähigen Linken.
Bundespräsident: Im dritten Wahlgang setzt sich Christian Wulff dank der Enthaltung der Linken durch. Der von SPD und Grünen vorgeschlagene J. Gauck erhielt in allen Wahlgängen auch Stimmen von CDU und FDP. Die Kandidatin der Linken (Luc Jochimsen) und der NPD (Rennicke) waren chancenlos.
Jahr der Rücktritte: Angela Merkel blutet ihre Partei aus? Jedenfalls hat die CDU erhebliche Personalabgänge zu verkraften. In NRW wurde Landeschef Rüttgers abgewählt und trat zurück. Bundespräsident Köhler trat wegen einer Lappalie zurück, Hessens Ministerpräsident Koch wechselt in die Wirtschaft, Hamburgs Oberbürgermeister Ole von Beust tritt zurück (warum, ist kaum klar) und löst damit de facto die erste schwarz-grüne Koalition auf Landesebene auf.
Auch sonst hat Schwarz-Gelb nicht viel erreicht, außer die Opposition, insbesondere die Grünen zu stärken. Guido Westerwelle wirtschaftet die FDP ab, die bei Forsa-Umfragen zweimal hintereinander nur 3 % Zustimmung fand. Mal sehen, ob die FDP überhaupt noch in die Landesparlamente hineinkommt.
Italien: Auch Berlusconi musste wieder eine Krise meistern, doch dank abtrünniger Parteigänger von Fini hat er die Misstrauensvoten in Senat und Abgeordnetenhaus wieder einmal überstanden. Doch hat er nur noch eine hauchdünne Mehrheit und Neuwahlen scheinen nicht mehr fern zu sein.
