
In der sächsischen Linkspartei hat sich ein Liebknecht-Kreis von linken, radikalsozialistischen Parteimitgliedern gegründet, um für mehr sozialistischen Pluralismus in der sächsischen Linken einzutreten und zugleich die Schärfung des Profils der Landespartei »als kämpferische und deutlich vernehmbare Opposition mit linkssozialistischer Orientierung« zu fordern. Es ist zu begrüßen, dass sich nun die Gegner einer Anbiederung an rot-grüne Regierungskoalitionen sammeln und auf eine Einhaltung des gültigen Parteiprogramms pochen. Denn dessen Grundprinzipien werden zunehmend aufgeweicht, weil sich die Parteirechte (z. B. Forum Demokratischer Sozialismus) in Illusionen über rot-rot-grüne Koalitionen begibt und sich hierfür „hübsch machen“ will, indem sie sich in zentralen programmatischen Grundsätzen (Frieden, gegen Bundeswehreinsätze im Ausland, gegen die Kürzungspolitik in der Eurokrise etc.) kompromissbereit zeigt. In Sachsen treten diese Probleme in landespezifisch zugespitzter Weise auf, denn selbst in einem Land, in dem es seit Jahren eine rechtskonservative Stimmenmehrheit bei Landtagswahlen gibt, werden rot-rot-grüne Regierungsträume statt konsequenter antikapitalistischer Oppositionsarbeit gepflegt.
Im Folgenden seien wesentliche Auszüge des Referats, das Volker Külow, Vorsitzender der Linken in Leipzig, bei der Gründungsversammlung des Kreises gehalten hat, dokumentiert:
„Eine Reihe von parteiinternen Ereignissen der letzten Wochen, nicht zuletzt die Erklärung von Sahra Wagenknecht zu Vorgängen in der Bundestagsfraktion, haben deutlich gemacht: Der Zustand unsere Partei, auch ihrer Führungsgremien, lässt zu wünschen übrig. Genossinnen und Genossen mit Reputation wie Dora Heyenn in Hamburg und Manfred Sohn in Niedersachsen werden fast wie politische Gegner behandelt. Der Kreisvorstand von Stralsund tritt nahezu geschlossen zurück. Es geht bei diesen Dingen nur vordergründig um Personalfragen. Primär geht es um inhaltliche Probleme und tief greifende Differenzen. Das Streiten um tragfähige Positionen ist notwendig. Aber der Streit führt bei uns selten zu gemeinsamen Positionen.
Die Partei dividiert sich auseinander, weil sich unter dem Druck vor allem medialer Kampagnen und Anpassung einander unvereinbare Positionen verhärten und Konflikte zuspitzen. Die Partei Die Linke verliert an solidarischem Zusammenhalt. Es ist in der Hauptsache ein Streit um zwei Linien der Politik, die nicht miteinander vereinbar sind.
Unverwechselbare Alleinstellungsmerkmale, wie sie im Erfurter Grundsatzprogramm aus dem Jahr 2011 stehen, werden verwässert: Antikriegspartei, Partei der sozialen Gerechtigkeit, Partei der Aufklärung über die gesellschaftlichen Zustände und last but not least Partei einer gerechten Sicht auf den Sozialismusversuch DDR. […]
Die Verteidigung unserer programmatischen Grundsätze von Erfurt ist aber unabdingbar, es ist die Voraussetzung unserer weiteren Existenz als sozialistische Partei. Wenn wir sie aufgeben, werden wir zu einer zweiten Sozialdemokratie in Deutschland, die bekanntlich nicht gebraucht wird. Die Bundesrepublik benötigt vielmehr eine solidarische, kämpferische sozialistische Partei, die vorrangig für die Interessen der abhängig Beschäftigten und Prekarisierten kämpft. Von dieser Hauptfunktion ist derzeit unser Erscheinungsbild aber zu wenig geprägt. Sozialistischer Pluralismus ist ein wichtiges Prinzip unserer Partei. Politische Beliebigkeit, wie sie sich ausbreitet, ist davon das genaue Gegenteil. […]
Mehr innerparteiliche Demokratie
Liebe Genossinnen und Genossen, all das macht deutlich: Innerparteiliche Demokratie und deren Wahrnehmung im Interesse einer sozialistischen Erneuerung der Linken in Sachsen sind zum Gebot der Stunde geworden. Innerparteiliche Demokratie bedeutet Rechte und Regeln, deren Anwendung dafür sorgt, dass zum einen der eigentliche Souverän in der Partei tatsächlich die Mitgliedschaft ist und zum anderen eines gewährleistet wird: die programmatischen Grundsätze sind bindend für alle. Auch für den Landesvorstand und die Landtagsfraktion. In unserem Statut sind Rechte, Regeln und auch Strukturen verankert, die dies ermöglichen. Wir wollen sie mit Leben erfüllen. Einen Selbstregulierungsmechanismus zur Einhaltung unserer programmatischen Grundsätze gibt es allerdings nicht. Alles hängt davon ab, ob die Basis sie verteidigt.
Der Liebknecht-Kreis Sachsen versteht sich nicht als weiterer linker Zirkel, sondern als ein Zusammenschluss der sozialistischen Linken in ganz Sachsen. Er will linke Funktionsträger und linke Mitglieder aus möglichst allen Kreisverbänden zusammenführen. Wir streiten mit offenem Visier für eine Alternative zur gegenwärtigen politischen Ausrichtung in den Führungsgremien der Landespartei. Uns eint, dass wir ohne Wenn und Aber auf dem Boden des Erfurter Programms stehen. Wir verteidigen dessen Grundsätze gegenüber denjenigen, die in der politischen Praxis einen Kurs der Anpassung an den herrschenden Politikbetrieb, der Annäherung an die SPD und der Regierungsbeteiligung um den Preis der Aufgabe unserer unverzichtbaren sozialistischen Positionen verfolgen. Wir werden das auf der Grundlage der statutarischen Regeln in Parteiversammlungen, im Landesrat, auf Parteikonferenzen und natürlich auch auf Parteitagen tun. Unser Anliegen ist nicht bloß die Kritik an einer verfehlten politischen Strategie, die von der Mehrheit des Landesvorstandes verfolgt wurde, sondern auch eine programmatische Erneuerung der sächsischen Linken auf sozialistischer Grundlage. Es gilt, inhaltlicher Beliebigkeit und dem Abgleiten von Oppositionspolitik in ein de facto unpolitisches Fordern nach »Mehr!« (Geld, Stellen, usw.) entgegenzutreten und attraktive und ernstzunehmende Entwicklungskonzepte für den Freistaat zu entwickeln. […]“
Eine ausführlichere Dokumentation des Referats ist auf dem Blog des Liebknecht-Kreises (LKS) zu finden. Spannend wird sein, ob es in weiteren Landesverbänden, in denen es Illusionen über die Regierungsbeteiligung der LINKEN gibt (aktuell in Thüringen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt, eigentlich in allen ostdeutschen Landesverbänden), zur Gründung von Liebknecht-Kreises kommt. Um es klarzustellen: Ich persönlich würde es begrüßen, wenn die Linkspartei (auf Bundesebene) an die Macht und damit in die Regierung kommt, aber doch nicht um den Preis, dass die antikapitalistischen, antimilitaristischen Positionen aufgegeben werden und bloß eine leicht sozialdemokratischere Verwaltung des unerträglichen Kapitalismus durchgeführt wird. Der Kapitalismus muss zugunsten einer solidarischen, humanistischen, also sozialistischen Gesellschaft überwunden werden. Dass dies mit rot-rot-grünen Koalitionen nicht möglich ist, muss endlich auch in der Funktionärsebene der Linkspartei ankommen! Es gibt doch genug negative Regierungserfahrungen auf Landesebene (Meckl.-Vorpommern 1998-2006, Berlin 2001-2011, Brandenburg seit 2009) – keine dieser Regierungen haben den Zuspruch für sozialistische Positionen der LINKEN erhöht.
Zum Liebknecht-Kreis auch ein Interview mit Volker Külow in der Jungen Welt und die neue Homepage.
