
Unter diesem Link findet der interesierte Leser eine erweiterte Bibliographie des französischen Philosophen Andre Gorz.

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Zeitschrift Marxistische Erneuerung, Nr. 106 (Juni 2016) wird in den nächsten Tagen ausgeliefert und kann jetzt bestellt werden.
Für nähere Informationen siehe Inhaltsverzeichnis und Editorial im Anhang.
Vorschau: Z 107 (September 2016) Schwerpunkt: Debatte um „Transformation des Kapitalismus“
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Z 106 (Juni 2016), 232 Seiten. Einzelheftbezug (10,-Euro) oder Abonnement (35.- Euro, vier Hefte)
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oder www.zeitschrift-marxistische-erneuerung.de
+ Rückwirkendes Abonnement ist möglich.
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Ich genoss gerade die Lektüre eines hervorragenden marxistischen Aufsatzes, den ich allen Lesern als mutmachende und den Widerstand gegen unsere katastrophale Welt (oder in den Worten Jean Zieglers „kannibalische Weltordnung“) anfachende Lektüre empfehlen möchte. Der Aufsatz heißt Von der Notwendigkeit der Utopie in finsteren Zeiten und ist geschrieben von Thomas Metscher.
Einige Auszüge hier:
[…]
Zu konstatieren ist auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Seins: der Verlust begriffener Zukunft als Teil des Verlusts von Geschichtlichkeit ist so universal geworden, dass er sich ins alltägliche Leben und im Bewusstsein des Alltags bis zur Unerkennbarkeit eingenistet hat. Er ist factum brutum des Alltags – Tatsache alltäglichen Lebens – geworden, Teil dessen, ‚was der Fall ist’ und deshalb doppelt schwer auszumachen. Er durchdringt die Poren des Alltags in einer Weise, dass er als etwas Selbstverständliches erfahren wird, die Menschen seiner Allmacht kaum mehr bewusst sind. Die Welt ist schlecht, klagen die Leute, die Politiker korrupt, die Kapitalisten geldgeil, die Banker omnipotent, doch was ist dagegen zu machen? Selten geworden ist bei den gewöhnlichen Leuten die Haltung, die Verhältnisse, so wie sie sind, für richtig zu befinden. Doch werden sie als unabänderlich erlebt. Die Verhältnisse sind wie sie sind, und sie sind nicht zum Guten zu wenden. Was einst die Götter waren, ist heute das Kapital. Es ist das Schicksal. Krisen ereignen sich wie das Wetter, Kriege wie Orkane, Sturmfluten, Tsumanis. Charakteristisch deshalb die Resignation, nichts tun zu können.
[…] Was dem alltäglichen Bewusstsein also mangelt, ist die Erkenntnis, dass die Welt, in der wir leben, ihre Dinge, ihre Relationen, die Weltverhältnisse von Menschen gemacht sind und von Menschen verändert werden können – vielleicht verändert werden müssen bei Strafe des Untergangs. Verstellt ist das Erkennen der Wirklichkeit des Vergangenen wie der Wirklichkeit des Möglichen und damit das Denken konkreter Zukunft. Verstellt ist das Erkennen des Künftigen im Gegenwärtigen, mit Walter Benjamins griffiger Formulierung.[1] Solche Art von Erkennen ist gemeint, wenn ich von begriffener Zukünftigkeit spreche und die konkrete Utopie als einen Modus der Wissenschaft und der Künste verstehen will. Für diese Überlegung wesentlich ist, dass solche Utopie im Leben und Bewusstsein des Alltags ihre Wurzel hat oder haben muss und nichts ihm Aufgesetztes sein kann – deshalb hier auch die Reflexion auf ihn. Der Begriff von Zukunft, dies ist zu erkennen, gehört zu den elementaren Bedingungen menschlich-kultureller Reproduktion.
Im alltäglichen Bewusstsein nun ist, wie wir erkennen müssen. der Begriff von Zukunft deformiert. In ihm ist Zukunft auf Horizonte eingeschmolzen, die allein noch den Bereich des Privaten betreffen: Beruf, Karriere, soziale Beziehungen, Familie, Freizeit. Nur in den seltensten Fällen wird im gegenwärtigen Alltagsbewusstsein der Horizont des Privaten überschritten und aus Politisch-Geschichtliche hin erweitert. Zwar gibt es immer wieder politischen Widerstand und sozialen Protest, es gibt Ansätze zur Entwicklung selbstbestimmten Bewusstseins (und dass es sie gibt, ist stets ein Hoffnungszeichen), doch bleibt die Revolte punktuell und fällt folgenlos in sich zurück. Dass eine andere Welt möglich sei, erklingt wie ein Aufschrei, und in ihm hörbar werden Stimmen von Zukünftigkeit. Sie fügen sich jedoch nicht mehr zu einem Ganzen, bleiben ohne Perspektive und Folgerungen, enden in Rückfall und Resignation. Auch gibt es Ansätze von Zusammenschluss und Organisation, doch sind sie noch nicht stark genug, um die Vereinzelten zum Ganzen einer Bewegung zu formen, und sie haben, wie es im Fidelio heißt, „mächtige Feinde“ – die herrschenden Mächte, ihre Vertreter, Agenturen, Institutionen. Jeder Versuch der Befreiung stößt auf sie, zumal dann, wenn die Agenturen der Macht das Gespenst wieder auftauchen sehen, das sie tot und beerdigt glauben, den Kommunismus.
Die Agenturen der Macht sind wohlorganisiert. Eine ganze Bewusstseinsindustrie arbeitet daran, den weltgeschichtlichen Status quo zum finalen Geschichtszustand zu erklären. Dazu gehört, die Erinnerung an alternative geschichtliche Formen auszulöschen, mit ihr jeden Ansatz einer begriffenen Zukunft, die zukünftige Formen erkennbar machen könnte. Mit der Erinnerung an die Vergangenheit werden auch die Bilder der Zukunft liquidiert. Die Bewusstseinsindustrie weiß sehr wohl, dass im geschichtlichen Wissen Zukunft und Vergangenheit zusammengeschweißt sind. So liegt der Sinn in der Diskreditierung der ersten Versuche des Aufbaus einer sozialistischen gesellschaftlichen Ordnung gerade darin, den Blick auf eine zukünftige zu verstellen. Denn ginge es auch nur dem Ansatz nach um ein wahres Geschichtsverständnis, so wären Widersprüche auszumachen, Falsches wäre neben Richtigem zu stellen, zu den beträchtlichen Fehlern träten Leistungen, die schwierigsten Bedingungen abgerungen wurden. Aus einem solchen Geschichtsverständnis könnte für die Zukunft gelernt werden – ein neues Bild der Zukunft könnte entstehen. Doch genau dies soll nicht sein. Zementiert wird das oktroyierte Bewusstsein. Verhindert werden Lernen und Lernfähigkeit. Konstituiert wird, was in der Aufklärung ‚Vorurteil’ hieß, und gegen das diese die Kraft der Kritik richtete.
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Folgende Nachricht der Z-Redaktion möchte ich hiermit dokumentieren:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
hiermit möchten wir Sie auf das Heft Nr. 104 (Dezember 2015) von Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung aufmerksam machen, das jetzt mit folgenden Themen bestellt werden kann:
„Griechenland, die EU und die Linke“
– Fortsetzung der sozialreaktionären Austeritäts- und Umverteilungspolitik (J. Goldberg)
– Rolle der europäischen und griechischen Linken (C. Schuhler)
– Debatte um das „Wie weiter?“ in der europäischen Linken (K. Dräger)
– SYRIZA vor der Zerreißprobe? (N. Biver)
– Risiken der Exit-Option (M. Schrooten)
„Kapitalismusanalysen“
– Theorie der digitalen Arbeit (Chr. Fuchs)
– Marxistische Geldtheorie (St. Krüger)
– Staat und Ökonomie (Fr. Carl/P. Oehlke)
– Wirtschafts- und Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland (K. Steinitz)
Weitere Themen
– Fluchtabwehr und Aufstieg der Rechten (G. Wiegel)
– Thomas Morus’ Utopia (Th. Metscher)
– Marx-Engels-Forschung (J. Lütten)
– Film- und Literaturanalysen (W.D. Hund, E. Abendroth)
– Stadt als soziales Kampffeld (Ölkrug, Dieckmann, Clausen, Kaltenegger)
Für nähere Informationen siehe Inhaltsverzeichnis und Editorial.
Vorschau: Z 105 (März 2016) Schwerpunkt „Kapitalismus und Migration“
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Z 104 (Dezember 2015), 224 Seiten. Einzelheftbezug (10,-Euro) oder Abonnement (35.- Euro, vier Hefte)
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Rückwirkendes Abonnement ist möglich.
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Das von den Leserzahlen her größte marxistische Monatsmagazin Rotfuchs hat nun einen neuen und wie ich meine schöneren Internetauftritt. Dies erleichtert auch die Verlinkung zu den Artikeln der aktuellen November-Ausgabe:
OBS-Arbeitspapier Nr. 19
Bürgerbeteiligung im Fernsehen – Town Hall Meetings als neues TV-Format?
Die liberale Demokratie in Deutschland ist auf dem Weg zur Zuschauerdemokratie. Politische Beteiligung und Mitbestimmung nehmen ab. Der mit diesem OBS-Arbeitspapier vorliegende Essay von Nils Heisterhagen möchte einen Anstoß geben, Bürgerbeteiligung über das Fernsehen zu entwickeln. Bürger – so Heisterhagen – brauchen eine politische Bühne, denn die Mediendemokratie kommt nicht ohne eine solche aus. Diese Bühne darf nicht allein den Politik- und Medienprofis vorbehalten bleiben.
Bei Town Hall Meetings – so die Idee – ist es möglich, die politischen Eliten mit den Alltagssorgen der Menschen zu konfrontieren. Und wer das Gefühl hat, wirklich mitreden zu können, dessen politisches Interesse und dessen Beteiligung wächst.
Vorstehender Text ist einer Seite der Otto-Brenner-Stiftung entnommen. Das angesprochene Arbeitspapier kann hier heruntergeladen werden. Ja, es stimmt, dass wir eine Zuschauerdemokratie geworden sind, der Weg dorthin ist schon abgeschlossen. Politische Beteiligung in Form einer Parteimitgliedschaft in der Einheitspartei CDU-SPD-Grüne-FDP macht für den einfachen Bürger kaum noch Sinn und Spaß, weil es zu wenig signifikante Einflussmöglichkeiten gibt. Ob TV-Shows, bei denen Bürger statt Talkshow-Moderatoren Fragen an Politiker stellen, das Demokratidefizit aufheben können, bezweifle ich. Aber der Leser oder die Leserin soll es selbst beurteilen.
Heute folgt der zweite Teil meiner Leseprotokolle, in denen ich Beiträge aus der aktuellen Ausgabe der Z. Zeitschrift für Marxistische Erneuerung zusammenfasse (zu Teil 1 hier). Aus meiner Sicht wichtige Aussagen sind wieder fett hervorgehoben. Heute geht es um zwei Beiträge, einmal um arbeits- und gesellschaftspolitische Perspektiven der Industrie 4.0 und zum anderen um zur aktuellen Verbreitung und Nutzung digitaler Arbeitsmittel
Butello/Engel: Industrie 4.0: arbeits- und gesellschaftspolitische Perspektiven, in: Zeitschrift Marxistische Erneuerung, H. 103/2015, S. 29-41
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Heute folgt der zweite Teil meiner Leseprotokolle, in denen ich Beiträge aus der aktuellen Ausgabe der Z. Zeitschrift für Marxistische Erneuerung zusammenfasse (zu Teil 1 hier). Aus meiner Sicht wichtige Aussagen sind wieder fett hervorgehoben. Übrigens waren auch in Jungen Welt in letzter Zeit wieder interessante Beiträge zum Thema Digitalisierung der Arbeit zu lesen: Arbeitshetze 4.0 (von Marcus Schwarzbach, der auch in der Z geschrieben hat), Unsterblichkeit als Parteiprogramm (von Thomas Wagner, über die Gründung einer Partei der Transhumanisten).
2) Peter Brödner: Industrie 4.0 und Big Data, in: Zeitschrift Marxistische Erneuerung, H. 103/2015, S. 75-84.
These: Industrie 4.0 sei zunächst erst einmal ein „medialer Hype“ (75)
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Das heute begonnene Leseprotokoll soll die Inhalte von Aufsätzen, Artikeln u. Ä. zum Thema Digitalisierung der Arbeit und damit zusammenhängende Fragen für die Zukunft der Arbeit zusammenfassen. Die marxistische Theorie, aber auch die politisch-gewerkschaftliche Praxis muss sich den Veränderungen, die der zunehmende Einsatz von digitalen Arbeitsmitteln, Computern und dem „Internet der Dinge“ hervorrufen, stellen. Eine vordringliche Frage ist, ob und wie die Digitalisierung der Arbeitswelt emanzipatorische Wirkung für einen Kommunismus der Zukunft hat. Gibt es nun Chancen für einen digitalen „Wissenskommunismus“ (Gorz)? Die Leseprotokolle von Texten, die sich mit diesen Fragen beschäftigen, sollen den Bloglesern Anregungen und Basisinformationen liefern. Besonders wichtige Erkenntnisse meiner Lektüre sind fett hervorgehoben.
1) Ursula Huws: Widersprüche der digitalen Ökonomie, in: Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung, H. 103/2015, S. 15-28.
a) Kommodifizierung (Umwandlung in Waren) von Kunst und Kultur
b) Kommodifizierung von öffentl. Dienstleistungen
c) Kommodifizierung der zwischenmenschl. Beziehungen
Marxisten können sich über neue Ausgaben von marxistischen Zeitschriften freuen.
1) Das Heft 3 der Z. Zeitschrift marxistische Erneuerung beschäftigt sich mit dem hochaktuellen und für ein Verständnis des gegenwärtigen Kapitalismus höchst bedeutsamen Thema „Digitale Arbeit und Gewerkschaften“. Folgende Beiträge sind hierzu zu lesen:
Widersprüche der digitalen Ökonomie – Informationskapitalismus und Kybertariat
Industrie 4.0 – arbeits- und gesellschaftspolitische Perspektiven – Zwischen Dystopie und Euphorie
Zur aktuellen Verbreitung und Nutzung digitaler Arbeitsmittel
Work around the clock? Digitale Arbeit – Herausforderung für Betriebsräte und Gewerkschaften
Gewerkschaften und die digitale Arbeitswelt
Die Digitalisierung der Arbeitswelt und die Debatte um eine neue Arbeitszeitpolitik
Produktivkraftsprung: Digitale Vernetzung
Industrie 4.0 und Big Data -Kritik einer technikzentrierten Perspektive
Zur Theoriebildung und Analyse der digitalen Arbeit – Die globale Produktion digitaler Hard- und Software (Teil I)
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Genau heute vor 100 Jahren hat sich der prominente Marxist und Staatsmann Wladimir Lenin zu der politischen Idee der Vereinigten Staaten von Europa geäußert. Lenin zu zitieren gilt in der postmodernen, sich von Klassentheorie und -kampf distanzierenden Linken als absolutes „No go“ und unschicklich, weil Lenin ja Vorbote bzw. Vollstrecker des Totalistarismus in Russland war. Wie auch immer man zu Lenins politischer Praxis stehen mag, so lohnt sich die Lektüre des einen oder anderen Gedankens von Lenin, um die heutige kapitalistische Wirklichkeit (z. B. die EU) zu verstehen. So auch seine Äußerungen zu den Vereinigten Staaten von Europa im Sozial-Demokrat Nr. 44 vom 23. August 1915 (nachzulesen in: Lenin Werke, Band 21, Seite 342-346; Dietz Verlag Berlin, 1972; siehe auch Interview mit Alfred Kosing in jW):
In Nr. 40 des „Sozial-Demokrat“ teilten wir mit, dass die Konferenz der Auslandssektionen unserer Partei beschlossen hat, die Frage der Losung „Vereinigte Staaten von Europa“ bis zur Erörterung ihrer ökonomischen Seite in der Presse zu vertagen (1).
Die Diskussion über diese Frage hatte auf unserer Konferenz einseitig politischen Charakter angenommen. Das war zum Teil vielleicht dadurch hervorgerufen, dass diese Losung im Manifest des Zentralkomitees direkt als politische Losung formuliert ist („die nächste politische Losung …“ – heisst es dort), wobei nicht nur von republikanischen Vereinigten Staaten von Europa gesprochen, sondern noch speziell betont wird, dass diese Losung sinnlos und verlogen ist, „wenn die deutsche, die österreichische und die russische Monarchie nicht auf revolutionärem Wege beseitigt werden.“
Gegen eine solche Fragestellung im Rahmen der politischen Beurteilung dieser Losung zu polemisieren – z.B. von dem Standpunkt aus, dass sie die Losung der sozialistischen Revolution verdunkle oder abschwäche u. dgl. mehr, wäre vollkommen falsch. Politische Umgestaltungen in wahrhaft demokratischer Richtung, erst recht aber politische Revolutionen können keinesfalls und niemals, unter keinen Umständen die Losung der sozialistischen Revolution verdunkeln oder abschwächen. Im Gegenteil, sie bringen sie stets näher, verbreitern ihre Basis, ziehen neue Schichten des Kleinbürgertums und der halbproletarischen Massen in den sozialistischen Kampf hinein. Andererseits aber sind politische Revolutionen unvermeidlich im Verlauf der sozialistischen Revolution, die man nicht als einzelnen Akt betrachten darf, sondern als eine Epoche stürmischer politischer und ökonomischer Erschütterungen, des schärfsten Klassenkampfes, des Bürgerkriegs, der Revolutionen und Konterrevolutionen betrachten muss.
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Die neue finnische Regierung aus liberalen und konservativen Parteien startet ein für Europa einmaliges Experiment: Sie will laut Greenpeace Magazin ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) einführen. Damit ist es nicht die politische Linke, sondern die Rechte, die als erstes in Europa das BGE einführt, auf Probe. Das ist insofern bemerkenswert, weil meiner Ansicht nach in der BGE-Debatte zuletzt linke Befürworter die diskursive Oberhand hatten. Aber, und das sollte beachtet werden, es gibt schon mindestens vierzig Jahre sowohl eine linke als auch eine rechte Variante des BGE (siehe Gorz 1986), die sich konzeptionell erheblich unterscheiden.
Vom finnischen Modell weiß man noch nicht viel, das BGE ist dort erstmal nur im Koalitionsvertrag als Vorhaben fixiert worden. Besonders wichtig ist für die Beurteilung der gesellschaftlichen Konsequenzen die Höhe des BGE: „Grüne sprechen von 440, Linke schlagen 620 Euro monatlich vor, und wirtschaftsliberale Politiker sprechen von einer Höhe zwischen 850 und 1000 Euro“ [Quelle: Greenpeace Magazin). Bemerkenswert ist auch die enorm hohe Zustimmung für BGE in finnischen Umfragen: 79 % wollen dessen Einführung.
Dass nun Finnland Richtung Katastrophe steuert, ist natürlich Blödsinn und übertriebene Panikmache. Ein BGE bedeutet, sofern es ausreicht, um elementare Grundbedürfnisse zu decken, dass die Finnen sorgenfreier zur Arbeit gehen können, nicht mehr jede schlechte Arbeitsbedingung hinnehmen müssen. Ob die Auswirkungen auf einen dann höchst wahrscheinlich schlankeren Sozialstaat eher positiv oder negativ sind, kann vorher schlecht vorhergesagt werden. Klug wäre es in jedem Fall, die BGE-Einführung so zu gestalten, dass eine Rückkehr zum alten System möglich ist.
Sollte das Vorhaben konkreter werden, werde ich darüber berichten.
Siehe auch:
Gorz, André (1986): „Garantierte Grundversorgung aus rechter und linker Sicht“, in: Michael Opielka und Georg Vobruba (Hg.): Das garantierte Grundeinkommen. Entwicklungen und Perspektiven einer Forderung. Frankfurt am Main (Fischer-Taschenbuch-Verl.), S. 53–62.
Crowdfunding-Projekt „Mein Grundeinkommen“
Ab dem 20. April kann die erste Ausgabe des Jahres 2015 der Zeitschrift „Luxemburg“, die von der Rosa-Luxemburg-Stiftung herausgegeben wird, bezogen und heute schon online gelesen werden. Thema ist „Mehr als prekär“ und es gibt u. a. Beiträge vom französischen Soziologen Loïc Wacquant zu „Schattenseiten einer gespaltenen Stadt“ sowie vom österreichischen Sozialwissenschaftler und Informatiker Christian Fuchs zu „Krise, Kommunikation, Kapitalismus„. Das vollständige Inhaltsverzeichnis findet ihr hier.
Publikationstext:
Prekarisierung meint längst nicht mehr nur die Ausweitung unabgesicherter, schlecht bezahlter Arbeitsverhältnisse – also mehr bad-jobs – sie ist in alle Lebensbereiche eingewandert: Zeitstress, die Unmöglichkeit das eigene Leben planen zu können, Verdrängung aus den Städten und wachsende Reproduktionslücken. Prekarisierung ist neue ›Normalität‹ – und doch betrifft sie nicht alle gleichermaßen, sind die Möglichkeiten, mit vielfältigen Verunsicherungen umzugehen, stark klassenabhängig. Oft ist vom ›Prekariat‹ die Rede – doch wer ist damit gemeint? »Alle wollen ihm entfliehen, niemand will dazu gehören«, schreibt Loïc Wacquant in LuXemburg 1/2015 über das »postindustrielle Prekariat«.
Und doch: Griechenland spielt uns die Musik einer Neugründung Europas von unten vor – aus der Krise sind nicht nur Linderungen der größten Not, sondern auch politische Perspektiven für uns alle entstanden. Ob sie sich stabilisieren können, ist die drängende Frage. Auch Arbeitskämpfe in prekärem Gelände sind keinesfalls aussichtslos. Die zahlreichen Streiks der letzten Jahre – viele in Branchen, die als ›unorganisierbar‹ oder wegen geschlechtlicher Zuschreibungen als nicht ›kampffähig‹ galten – haben es gezeigt.
MEHR ALS PREKÄR fragt nach strategischen Ansätzen im prekären Alltag, nach einem neuen »Anker«, nach Möglichkeiten alltagsnaher Organisierung, die hierzulande ein Umdenken hinsichtlich linker Praxen erfordern.
Wie können unterschiedliche Prekarisierungserfahrungen zum gemeinsamen Handeln anregen, und wo lassen sich klassenübergreifend gemeinsame Betroffenheiten ausmachen? Wie sind Bündnisse zwischen Kern und Rand, zwischen prekär Beschäftigen und Erwerbslosen oder zwischen PatientInnen und Pflegekräften zu schmieden? Wie kann Zukunft im Heute gestaltet werden?
Folgender Beitrag erschien zuerst auf dem Blog der AG Politische Theorie in der DNGPS:
Kein anderes politisches Buch hat in den letzten Jahren für derartige Furore gesorgt wie Thomas Pikettys „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ (eine Leseprobe findet man hier). Pikettys zentraler Befund: Im Zuge der kapitalistischen Entwicklung konzentriert sich der gesellschaftliche Reichtum immer stärker in den Händen der Kapitalbesitzer.
Was aber folgt daraus? Kann von Aufstieg durch Arbeit heute keine Rede mehr sein? Erodiert somit letztlich die Legitimationsgrundlage der gesamten kapitalistischen Ordnung?
Darüber diskutieren mit Thomas Piketty zum Erscheinen der deutschen Ausgabe (im Verlag C.H. Beck) im Haus der Kulturen der Welt: die Philosophin Susan Neiman, der Politikwissenschaftler und »Blätter«-Mitherausgeber Hans-Jürgen Urban und der Kulturwissenschaftler Joseph Vogl, moderiert von Mathias Greffrath.
Simultanübersetzung (Deutsch): Lilian-Astrid Geese (Haus der Kulturen der Welt)
Die »Democracy Lecture« der »Blätter für deutsche und internationale Politik« wird in Zusammenarbeit mit dem Haus der Kulturen der Welt organisiert.
Besprechungen des Buches:
Ekkehard Lieberam: Entschleierte Verhältnisse. Pikettys Ungleichheitsanalyse kritisch gewürdigt, Junge Welt vom 01.09.2014 (Online-Abo notw.)
Georg Fülberth: Die Empirie als Waffe. Thomas Pikettys kolossale Geschichte der Verteilungsverhältnisse im 20. Jahrhundert, Junge Welt vom 08.10.2014 (frei)
Thomas Steinfeld: Rendite schlägt Wachstum, Süddeutsche Zeitung vom 22.04.14
Gerade ist der dritte Band das Historisch-kritischen Wörterbuchs des Feminismus „KOLLEKTIV BIS LIEBE“ im Argument Verlag erschienen.
Hier ein Zitat aus der Verlagsinformation:
„Das feministische Wörterbuch versammelt Stichworte aus dem großen
„Historisch-kritischen Wörterbuch des Marxismus“, die insbesondere für
Frauenbewegung, Frauenforschung, Frauen im Aufbruch wesentlich und
nützlich sind. In vielen Disziplinen gibt es inzwischen
Wissenschaftlerinnen, die den tradierten Wissenschaftskorpus mit ihren
Fragen nach Frauen aufgebrochen haben. Es wächst die Nachfrage nach
marxistisch-feministischem Wissen. Dieses liefert das kleine Wörterbuch
in theoretisch versiertester Form: mit historischem Hintergrund,
umsichtig zutage geförderten Widersprüchen und nützlichen Verweisen.
Einstieg in kritischen Diskurs, Überblick über theoretische Grundlagen
werden mitgeliefert. Die Stichwörter umfassen sowohl kundige
Diskussionen klassischer Begriffe als auch denkrelevant gewordenes
Vokabular aus der Lexik der Gegenwart. Band 1 ging von „Abtreibung bis
Hexe“, Band 2 von „Hierarchie/Antihierarchie bis Köchin“, der 3. Band
umfasst die Stichwörter „Kollektiv bis Liebe“.“
Hier finden die Leser mehr Informationen zum Inhalt sowie ein paar Kostproben, ein Angebot und eine Liste aller Stichwörter.
Ronald Blaschke, wissenschaftlicher Mitarbeiter von MdB Katja Kipping (LINKE) und einer der führenden Köpfe des deutschen „Netzwerks Grundeinkommen“, hielt auf der Degrowth-Konferenz 2014 in Leipzig einen Vortrag über die Idee und verschiedene Modelle eines bedingungslosen Grundeinkommens und dessen Zusammenhang mit der Vision einer Postwachstumsgesellschaft:
Beides, eine Gesellschaft, die den ewigen Kreislauf des steten Wirtschaftswachstums aufhält und endlich den gesellschaftlich produzierten Reichtum dafür nutzt, jedem Menschen eine materielle und kulturelle Mindestsicherung zu garantieren, ist dringender denn je. Ob Letzteres durch ein bedingungsloses Grundeinkommen umgesetzt werden sollte, kann ja diskutiert werden – aber es leuchtet nicht ein, dass noch heute gesetzlich möglich sein soll, dass sozial bedürftigen Menschen ihre Grundsicherung (Hartz IV) komplett verlieren können, nur weil sie bestimmte Auflagen des Jobcenters (z. B. schlecht bezahlte Arbeit ablehnen) nicht gehorsamst erfüllen wollen.