Und wieder fordert die Schuldenkrise in Europa ein Politiker-Opfer: Nach Cowen (Irland), Socrates (Portugal), Papandreou (Griechenland) und Berlusconi (Italien) muss nun auch Spaniens Regierungschef Zapatero „abdanken“. Die oppositionelle Volkspartei (PP) von Mariano Rajoy hat die Wahl souverän gewonnen.
Die Ausgangslage
Die Ausgangslage dieser vorgezogenen Parlamentswahlen war klar: Die Politik des Sozialisten Zapatero war dem Volk nicht mehr vermittelbar, die wirtschaftliche Krise konnte nicht beendet werden. Alle Umfragen sahen einen klaren Sieg des Oppositionsführers Mariano Rajoy (PP) voraus: PP 43,1 %, PSOE 36,0 %, IU 5,1 % (Quelle: Centro de Investigaciones Sociológicas/Wikipedia).
Das Ergebnis der letzten Wahl so folgendermaßen aus:
|
IX. Legislatur 2008
|
Veränderung zu 2004
|
Partei |
Stimmen[10] |
%[10] |
Sitze[10] |
%-Punkte |
Sitze[10] |
Partido Socialista Obrero Español (PSOE)[11] |
11.288.698
|
43,85
|
169
|
+1,26
|
+5
|
Partido Popular (PP)[12] |
10.277.809
|
39,92
|
154
|
+2,21
|
+6
|
Convergència i Unió (CiU) |
779.425
|
3,03
|
10
|
-0,20
|
unv.
|
Esquerra Republicana de Catalunya (ERC)[13] |
298.139
|
1,16
|
3
|
-1,36
|
-5
|
Partido Nacionalista Vasco (EAJ/PNV) |
306.128
|
1,19
|
6
|
-0,44
|
-1
|
Izquierda Unida (IU) |
969.871
|
3,77
|
2
|
-1,19
|
-3
|
Coalición Canaria – Partido Nacionalista Canario |
174.629
|
0,68
|
2
|
-0,23
|
-1
|
Bloque Nacionalista Gallego (BNG) |
212.543
|
0,83
|
2
|
+0,02
|
unv.
|
Chunta Aragonesista (CHA) |
38.202
|
0,15
|
0
|
-0,21
|
-1
|
Eusko Alkartasuna (EA) |
50.371
|
0,20
|
0
|
-0,11
|
-1
|
Nafarroa Bai (Na-Bai) |
62.398
|
0,24
|
1
|
unv.
|
unv.
|
Unión Progreso y Democracia (UPyD)[15] |
306.078
|
1,19
|
1
|
neu
|
neu
|
andere Wahlvorschläge |
693.390
|
2,69
|
0
|
|
|
leere Stimmzettel[16] |
286.182
|
1,11
|
|
|
|
ungültig |
165.576
|
|
|
|
|
Wähler |
25.900.439
|
|
350
|
|
|
Die regierenden Sozialisten (PSOE) unter Zapatero konnten ihren knappen Erfolg von 2004 wiederholen und die konservative Volkspartei (PP) wieder hinter sich lassen. Die beiden Großparteien werden vom komplizierten Wahlsystem eindeutig zu Lasten der kleinen Parteien bevorzugt. Eine kompakte Beschreibung findet man hier. Kurz gesagt, es wird Verhältniswahlrecht angewendet, die Mandate werden aber in den Provinzen verteilt. In Provinzen, in denen nur drei oder vier Mandate verteilt werden, haben kleine Parteien, die weniger als zwanzig Prozent der Stimmen bekommen, keine Chance. Ähnlich wie in Großbritannien (obwohl dort Mehrheitswahlrecht angewendet wird) haben es separatistische Regionalparteien, z. B. die bürgerliche CiU, die sozialistische ERC (Katalonien) oder die PNV (Baskenland), immer relativ einfach mit drei bis fünf Mandaten ins spanische Unterhaus zu kommen. Diese Regionalparteien können dann einflussreich werden, wenn die Großparteien keine absolute Mehrheit erreichen, so wie die PSOE seit 2004.
2008 war eine Krisenwahl für die Vereinigte Linke (IU), die trotz fast einer Million Stimmen nur noch zwei Mandate erringen konnte. Das war das schlechteste Ergebnis seit 1977. Als Gegenmaßnahme hat das von den Kommunisten geführte Linksbündnis einen Neugründungsprozess initiiert (siehe „Suche nach Identität“, in jW vom 02. 07. 2010). Für die Wahl 2011 wurde erstmals seit Langem wieder ein baskisches separatistisches Linksbündnis „Amaiur“ zugelassen, wohl eine Folge der Erklärung der ETA, dass sie ihren bewaffneten Kampf für beendet erklärt hat.
Das Ergebnis 2011
Vorläufiges Ergebnis für das Unterhaus:
← spanische Parlamentswahlen, 20. November 2011 →
|
Partei |
Stimmen
|
%
|
Diff.
|
Sitze
|
Diff.
|
Partido Popular (PP)[6] |
10.830.693
|
44,62
|
+4,7
|
186
|
+32
|
Partido Socialista Obrero Español (PSOE)[7] |
6.973.880
|
28,73
|
-15,12
|
110
|
−59
|
Convergència i Unió (CiU) |
1.014.263
|
4,17
|
+1,14
|
16
|
+6
|
Izquierda Unida (IU)[8] |
1.680.810
|
6,92
|
+3,15
|
11
|
+9
|
Unión Progreso y Democracia (UPyD) |
1.140.242
|
4,69
|
+3,5
|
5
|
+4
|
Esquerra Republicana de Catalunya (ERC)[9] |
256.393
|
1,05
|
-0,11
|
3
|
=
|
Partido Nacionalista Vasco (EAJ-PNV)[10] |
323.517
|
1,33
|
+0,14
|
6
|
−1
|
Amaiur |
333.628
|
1,37
|
+1,37
|
7
|
+7
|
Bloque Nacionalista Galego (BNG) |
183.279
|
0,75
|
-0,08
|
2
|
=
|
Coalición Canaria–Nueva Canarias (CC-NC-PNC)[11] |
143.550
|
0,59
|
-0,09
|
2
|
=
|
Compromís-Q[12] |
125.150
|
0,51
|
+0,39
|
1
|
+1
|
Foro de Ciudadanos (FAC) |
99.173
|
0,40
|
+0,40
|
1
|
+1
|
GBAI |
42411
|
0,17
|
+0,17
|
1
|
+1
|
andere Wahlvorschläge |
|
4,70
|
|
0
|
|
leere Stimmzettel[13] |
|
|
|
|
|
Quelle: Spanisches Innenministerium / Wikipedia (21.11.11)
Die konservative Volkspartei PP hat ihren Stimmenanteil um 4,7 % und ihre Mandatszahl um 32 verbessern können, sodass sie nun bei 44,6 % der Stimmen eine klare absolute Mehrheit (liegt bei 175) erreichen konnte. Die sozialdemokratische PSOE wurde für ihre erfolglose Politik gegen Massenarbeitslosigkeit (über 46 % Jugendarbeitslosigkeit) und Haushaltsdefizite abgestraft und verliert über 15 % an Wählerstimmen sowie 59 der 169 Parlamentssitze. Die dritte überregionale Kraft Spaniens, die von den Kommunisten geführte Vereinigte Linke (IU), konnte stark zulegen (plus 3,2 % bzw. rund 700.000 Stimmen mehr) und hat wieder Fraktionsstatus im Unterhaus. Die vierte überregionale Partei, die zentristische UPyD, konnte ebenso von Verlusten der PSOE profitieren und 4,7 % der Stimmen gewinnen. Auch einige Regionalparteien, die nur in bestimmten Provinzen antreten und für eine starke Autonomie der Regionen eintreten, konnten erheblich zulegen. Zu nennen sind die katalanische liberal-konservative Verbindung CiU (6 Sitze dazu gewonnen) und die baskische linkssozialistische Verbindung Amaiur, die auch in Navarra antrat und auf Anhieb 7 Mandate gewinnen konnte. Im Baskenland errang das Parteienbündnis 24,1 % der Stimmen und 6 Mandate, in Navarra 14,9 % und 1 Mandat. Insgesamt für die radikallinken Kräfte ein gutes Wahlergebnis, wobei der Erfolg sich natürlich dadurch relativiert, dass sich die Regierungspolitik unter den Konservativen in keinem Punkt im Vergleich zur Politik Zapateros verbessern wird. Im Gegenteil lassen die Äußerungen von Rajoy eine noch konsequentere Verfolgung des von Finanzmärkten und EU diktierten Spar-, also Verelendungsprogrammes erwarten. Gespannt sein darf man auch, ob die zuletzt zaghafte Annäherung von spanischer Zentralregierung und baskischer Autonomiebewegung in der Form fortgesetzt wird; es ist sehr unwahrscheinlich. Die von den spanischen „Empörten“ formierte Partei „Escaños en blanco“ (Weiße Sitze) konnte immerhin 97.706 Stimmen und 0,4 % erreichen. „Sie verspricht, daß keiner ihrer Kandidaten, sollte er gewählt werden, seinen Platz im Parlament einnehmen und die ihm dafür zustehenden Diäten kassieren wird.“ (Junge Welt vom 17.11.)
Abschließend seien noch die Ergebnisse des Senats (Oberhaus, Vertretung der Regionen) genannt: PP 136 Sitze (2008: 101), PSOE 48 (88), CiU 9 (4), PSC und Verbündete 7 (12), EAJ-PNV 4 (2), Amaiur 3, CC-NC-PNC 1 (1).
Die Wahlbeteiligung liegt immerhin noch bei 71,7 %, knapp zwei Prozentpunkte unter der von 2008.
Quellen/ Links:
http://www.generales2011.mir.es/99SN/DSN99999TO_L1.htm (Ergebnisse Senat)
http://de.wikipedia.org/wiki/Amaiur
http://www.jungewelt.de/2011/11-19/054.php?sstr=spanien (gute Zusammenfassung der Amtszeit Zapateros!)
http://www.ftd.de/politik/europa/:abstimmung-im-zeichen-der-krise-arbeitslose-entscheiden-wahl-in-spanien/60131197.html
http://orf.at/stories/2088559/2088560/
http://www.stern.de/politik/ausland/spaniens-designierter-ministerpraesident-rajoy-will-es-machen-wie-real-madrid-1753499.html
http://www.jungewelt.de/2011/11-22/001.php
http://www.jungewelt.de/2011/11-22/002.php
http://www.neues-deutschland.de/artikel/211636.spaniens-rechte-herrscht-absolut.html