
Die LINKEN Bundestagsabgeordneten starteten im Dezember 2014 eine private Spendenaktion, um Medikamente für Krankenhäuser in der Kriegsregion im Donbass zu sammeln – ich berichtete und unterstützte den Spendenaufruf. Die Aktion war bislang ein unerwartet großer Erfolg, bereits knapp 100.000 Euro konnten gesammelt werden (siehe Bericht in Junge Welt). Ich veröffentliche einen Auszug aus einem ausführlichen Reisebericht der Abgeordneten, die mittlerweile im Kriegsgebiet waren, um die in Russland gekauften Medikamente zu überreichen:
Auf humanitärer Mission – Bericht über eine „skandalöse“ Reise in die Ostukraine
I.
Humanitäre Hilfe ist dringend notwendig
Bei unserem ersten Besuch in der Region im November 2014 besuchten wir auch Flüchtlingslager auf der russischen Seite des Don. Wir hatten die Information, dass rund eine halbe Million Menschen aus den Kampfgebieten nach Russland geflüchtet sind und dort aufgenommen wurden. Die Angst, Not und Verzweiflung der Flüchtlinge hat uns sehr berührt. Einige machten uns auf das Krankenhaus in Gorlowka aufmerksam, eine Stadt mit mehr als 250.000 Einwohnern, nicht weit von Donezk entfernt. Dieses Kinderkrankenhaus, speziell auch für Waisenkinder, war zudem ein UNESCO-Projekt. Zwei Ärzte von „Ärzte ohne Grenzen“ halten sich derzeit in Gorlowka auf. Sie kommen auf Grund der Kampfhandlungen nicht heraus – und wir kamen nicht hinein.
Die Mitteilung, dass in Krankenhäusern in der Ostukraine Kinder sterben, weil nicht die notwendigen Medikamente zur Verfügung stehen, hat uns keine Ruhe gelassen. ‚Wir wollen helfen!‘, das war unsere Entscheidung. Bis heute (17.2.15) haben 886 engagierte Bürgerinnen und Bürger, Freundinnen und Freunde als Einzelspender und viele weitere in Sammelspenden über 86.000 Euro gespendet. Alle haben gegeben, was sie konnten. Die Einen 2 oder 5 Euro, andere sandten 1.000 oder gar 2.000 Euro für humanitäre Hilfe. Wir, Andrej Hunko und Wolfgang Gehrcke, haben garantiert, dass für dieses Geld Medikamente an die Krankenhäuser geht und dass wir dies öffentlich dokumentieren werden. „Das Geld wird zu 100 Prozent für die Kinderhilfe verwendet, für Medikamente und das, was die Kinder am dringendsten brauchen. Das garantieren und belegen wir: Wolfgang Gehrcke, Andrej Hunko“
Spenden gehen auf das Konto „Hilfe für die Kinder von Donezk“ (Verwendungszweck) bei der Berliner Sparkasse, IBAN DE80 1005 0000 4184 6308 00 (Kontoinhaber: Wolfgang Gehrcke)
II.
Auf der Suche nach Partnern
Allen Spenderinnen und Spendern sind wir verpflichtet, unabhängig davon, wie sie selbst ihren politischen Standort beschreiben. Über politische Erfahrungen zur Deeskalation von Konflikten verfügen Andrej Hunko und Wolfgang Gehrcke nicht zuletzt, weil die Linksfraktion im Bundestag und die Partei DIE LINKE in der Friedenspolitik konsequent für eine neue Entspannungspolitik in Europa eingetreten sind. Wir haben aber auch zugesagt, und dabei bleibt es, dass wir unsere humanitäre Initiative, Kindern zu helfen, nicht mit der Propaganda unserer politischen Positionen verbinden werden. Humanitäre Hilfe fragt nicht und darf nicht fragen nach Religion, Weltanschauung, Parteimitgliedschaft der Empfängerinnen und Empfänger. Wir waren und sind überwältigt und beglückt von der großen Bereitschaft so vieler Menschen, zu helfen.
Selbstverständlich haben wir uns bei Hilfsorganisationen, die über weit mehr Erfahrungen in der Organisation verfügen, als wir sie aufbringen können, erkundigt, wie ein Transport von Medikamenten für eine solch große Summe zu bewerkstelligen ist. Das Rote Kreuz signalisierte, dass es eine Vertretung des Internationalen Roten Kreuzes in Donezk gibt, sie selbst aber keine Medikamente in die Region senden und wünschte viel Erfolg für die Aktion. Medico international dankte für die Informationen und teilte uns mit, dass sie selbst nicht in der Region aktiv wären. Von Ärzte ohne Grenzen ist ein Team aus zwei Schweizer Ärzten vor Ort in Gorlowka, die im allgemeinen Krankenhaus Unterstützung leisten. „Wir werden nicht in der Lage sein, unsere Aktivitäten mit den Ihrigen zu verbinden. Es scheint so, dass Sie in Folge ihres Besuches in der Region bereits über die nötigen Kontakte verfügen. Ich hoffe, dass sie ihre Hilfe jetzt direkt an die Menschen bringen können durch ihre Kontakte, die sie in der Ukraine und der Russischen Föderation haben.“ schrieb uns Herr Robert-Nicoud von der Schweizer Sektion. Es wurde uns auch vorgeschlagen, mit der in Moskau ansässigen Initiative von „Dr. Lisa“ zusammenzuarbeiten. Hier sind wir gerade in Kontakt getreten. Sehr geholfen hat uns vor Ort eine Hilfsinitiative aus dem Donbassgebiet. Allen danken wir und wollen mit Ihnen weiter zusammenarbeiten. Aus Gorlowka wurde uns mitgeteilt: „Wahre Helden sind die Ärzte, auf denen unsere Hoffnung ruht. Solche Ärzte wie Jelena Petrowna Kundeus und Sergej Anatoljewitsch Korotja. Sie kann man wahrlich Helden nennen, denn sie haben schon vielen Kindern das Leben gerettet. Daher haben wir uns über die Entscheidung gefreut, sie mit Ihnen zusammenzubringen. _Das sind Menschen von Ehre, Güte und Heroismus, die die Verwendung der Medikamente genau kontrollieren werden.“ Die von den Spendengeldern beschafften Medikamente sind für die Kinder bestimmt, ihre Verwendung wird auch von den Krankenhäusern dokumentiert.
[…]
IV.
Hilfe überwindet Grenzen
Mit Hilfe des russischen Duma-Abgeordneten der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation Wladimir Bessonow haben wir in Rostov am Don für rund 40.000 Dollar, die in Rubel umgetauscht worden waren, Medikamente und medizinisches Material eingekauft. Die „Einkaufsliste“ stellen wir gern zur Verfügung. Die eingekauften Medikamente und medizinisches Material wurden auf vier angemieteten Kleinlastwagen verstaut, insgesamt 6 Tonnen. Vier Lkw’s, für die wir in Rostov auch Fahrer gewonnen haben, die bereit waren, mit uns ins Kriegsgebiet zu fahren, wurden wir zwar nur ein kleiner, jedoch sehr respektabler Konvoi. In den letzten Stunden entschieden wir uns, dass von den vier Fahrzeugladungen zwei nach Gorlowka gehen sollten, eine Ladung im zentralen Krankenhaus Donezk, speziell für die Abteilung für Kriegstraumatisierte Kinder, und die vierte Ladung nach Lugansk gehen soll. Wir danken unseren Freundinnen und Freunden in Rostov, insbesondere dem Abgeordneten Bessonow und seinem Team. Wir danken den russischen Behörden und wir danken vor allem auch für die Möglichkeit, den Konvoi in das Gebiet der „Volksrepublik Donezk“ bringen zu können. All das war nur möglich, weil im entscheidenden Moment nicht nach den Regeln der Bürokratie, sondern der Humanität entschieden wurde. Der Einkauf einer solchen Menge Medikamente, deren Transport über Grenzen und der Verzicht, Zollgebühren auf humanitäre Güter zu erheben – das ist großartig und verdient Dank.
V.
Wir starten – mit humanitärer Hilfe unterwegs
Am Samstag, 14. Februar 2015, überschritt unser Hilfskonvoi – ein Kleinbus und vier Kleinlaster – die russische Grenze zum Donbass. Auf der russischen Seite war es russischer Zoll und russische Passkontrollen, die uns abfertigten. Uns war aber unklar, was uns auf der anderen Seite erwarten würde. Auf der anderen Seite gab es auch „normale“ Grenzkontrollen, allerdings durch Aufständische des Donbass. Tarnanzüge und umgehängte Maschinenpistolen, sandsackgesicherte Kontrollposten gehören fast zum Normalen des Lebens unter den Bedingungen des Krieges. Autoritäten der Macht, die auf dieser Seite das Kommando übernommen haben, gewährleisteten unsere Sicherheit. Ein neuer Konvoi unter der Begleitung des Gesundheitsministers der „Volksrepublik Donezk“ wurde formiert. Polizei am Anfang und Ende, unser Kleinbus (Gehrcke, Hunko) plus die vier Kleinlastwagen und entsprechender Personenschutz mittendrin.
Die Fahrt von der Grenze bis Donezk führt durch viele zerschossene und zerstörte Ortschaften. Uns fiel auf, dass offensichtlich vor allem Schulen und Tankstellen Ziel von Zerstörungen waren. In der Stadt Donezk selbst zeigten einige Viertel, durch die wir fuhren, kaum Spuren von Krieg und Zerstörung. Andere hingegen, insbesondere in der Nähe des Flughafens, sind schwer zerstört. Unser „bewachter“ Konvoi ist im Übrigen auch auf youtube (Link) zu besichtigen.
Vollständiger Bericht z. B. hier zu finden
