Wie schimpfen wir?

Geschimpft wird auf unterschiedlichste Art und Weise. Typisch sind beispielsweise Kurzäußerungen, die in Form einer erweiterten Pronominalphrase auftreten. Ein Beispiel dafür ist der bekannte Ausruf Du dumme Kuh! Häufig finden sich Sätze, die bereits durch ihre Machart (beispielsweise: Du bist/Sie sind + Adjektiv) eine Zuschreibung von (abwertenden) Eigenschaften zu einem*r Empfänger*in darstellen und diese dann auch semantisch zeigen (vgl. Scheffler 2000, S.105f.)

Die folgende Übersicht stellt die Realisierungsmöglichkeiten von sogenannten Pejorisierungen dar und wurde in Anlehnung an die Lektüre von Hornscheidt (2011, S.17) entwickelt:

Das Bild zeigt die Realisierungsmöglichkeiten von Pejorisierungen: Wortebene, Satzebene, Textebene sowie nicht explizite sprachliche Äußerungen. Letzteres vereint in sich die sogenannten Weg_Nennungen, die sich aufspalten in EntNennungen sowie Ent_Erwähnungen.
Realisierung von Pejorisierungen in Anlehnung an Hornscheidt (2011, S. 17).

Besonders interessant sind die Begriffe auf der rechten Seite der Grafik. Mit den sogenannten EntNennungen intendiert Hornscheidt die sprachliche Auslassung privilegierter Positionierungen. Ent_Erwähnung meint die sprachliche Nicht-Benennung von diskriminierten Positionen. Unter dem Überbegriff der Weg_Nennungen zeigen die Begrifflichkeiten das Abwerten anderer Personen durch nicht explizite sprachliche Äußerungen an. Pejorisierung liegen außerdem bei indirekten sprachlichen Diskriminierungen einer Person oder Personengruppe vor (vgl. Hornscheidt 2011, S.17).


Typisch für den Kontext des Schimpfens ist es, dass vermeintlich „harmlose“ Wörter im Rahmen einer emotionalen Erregung eine pejorative Bedeutungsverengung erfahren und sich oft metaphorisch auf verschiedene Referenzobjekte beziehen (vgl. Scheffler 2000, S.107). Dabei lassen sich häufige Quellen von Schimpfwörtern erkennen, die in der folgenden Tabelle mit ihren entsprechenden Beispielen dargestellt sind. Die Übersicht wurde vor dem Hintergrund einer Publikation der Forschenden Nübling und Vogel (2004, S.20f.) erstellt:

Quellbereiche von Schimpfwörtern in Anlehnung an Nübling/Vogel (2004, S. 20f.)

Charakteristisch für das Deutsche ist nach den Erkenntnissen von Nübling/Vogel (2004, S.23) die starke Verwendung des skatologischen Bereichs. Der religiöse Schöpfungsbereich schließt sich an, verringert sich aufgrund der zunehmenden Säkularisierung aber immer weiter. Sowohl der pathologische als auch der sexuelle Quellbereich erscheinen im Vergleich zu anderen Sprachen im Deutschen etwas weniger ausgeprägt zu sein (vgl. Nübling/Vogel 2004, S.23f.)

Weitere große Quellbereiche von Schimpfwörtern sind das Tierreich (Bsp.: Zicke), körperliche beziehungsweise geistige Beeinträchtigungen (Bsp.: Krüppel) oder die Ausgrenzung vor dem Hintergrund vermeintlicher nationaler, religiöser oder ethnischer Unterschiede (Bsp.: Spaghettifresser*in). Schließlich kann auch die Lust am Sprachwitz oder Sprachspiel als Quellbereich von Beschimpfungen angesehen werden, wobei die Bedeutung der Neuschöpfungen hierbei oft eher lustig als aggressiv aufzufassen ist. Ein Beispiel für diesen Bereich ist der Ausdruck Spinatwachtel, der den Einfluss des genannten zoologischen Bereichs ebenfalls verdeutlicht (vgl. Meinunger 2018, S.114f.).


Erläuterungen
  • Pronominalphrase: Phrasen (syntaktisch abgeschlossene Einheiten), deren Kopf ein Pronomen (Fürwort) bildet
  • metaphorisch: im übertragenen Sinne
  • Referenzobjekte: Bezugsgegenstand/-objekt
  • Säkularisierung: Verweltlichung und Lösung von der Religion
  • zoologischen: tierischen

Max Groschke, 2022