Abstracts 1/2013 deutsch

Kolkmann, Michael: Die Wahlen zum US-Kongress vom 6. November 2012: Nichts Neues auf Capitol Hill?

Die Wahlen zum 113. Kongress am 6. November 2012 haben die Mehrheitsverhältnisse auf Capitol Hill weitgehend bestätigt. Im Repräsentantenhaus haben die Republikaner zwar einige Mandate eingebüßt, verfügen aber nach wie vor eine deutliche Mehrheit. Im Senat konnten die Demokraten ihre Mehrheit nicht nur verteidigen, sondern sogar noch ausbauen. Die unverändert bestehende parteipolitische Polarisierung des Kongresses, der zudem 2012 den niedrigsten Zustimmungswert der Bevölkerung zu seiner Arbeit verzeichnen musste, dürfte auch in den nächsten beiden Jahren dazu beitragen, den politischen Prozess in Washington äußerst konfliktintensiv und mühsam werden zu lassen. Die Auseinandersetzungen zwischen Weißem Haus und dem Kongress um die Schuldenobergrenze (2011) und die Fiskalklippe (2012) dürften sich bei zukünftigen (nicht nur fiskal-) politischen Gesetzesvorlagen auch im 113. Kongress fortsetzen. Durch den parteipolitisch dominierten Neuzuschnitt der Wahlkreise nach der Volkszählung von 2010 („Gerrymandering“) sind die Republikaner in elektoraler Hinsicht auch bei den zukünftigen Wahlen bis auf Weiteres im Vorteil. Präsident Barack Obama wird in seiner zweiten Amtszeit seine institutionellen wie persönlichen Kontakte zum Kongress deutlich intensivieren müssen, wenn er zentrale Projekte seiner politischen Agenda durch den Kongress bringen möchte. [ZParl, 44. Jg., H. 1, S. 3 – 21]

 

Matschoß, Robert und Torben Lütjen: Das Establishment schlägt zurück? Die Präsidentschaftsvorwahlen der Republikaner im Jahr 2012.

Die Frage, wer 2012 für die Republikanische Partei gegen den amtierenden Präsidenten Barack Obama antreten würde, schloss auch die Entscheidung zur künftigen ideologischen Ausrichtung der Partei ein. Schließlich hatte die Tea Party Bewegung mit den Kongresswahlen 2010 bewiesen, dass sie in der Lage war, den Standpunkt der Republikaner nach rechts zu verlagern. Insofern schien auch in den Präsidentschaftsvorwahlen die Rollen klar verteilt: Auf der einen Seite der noch als vergleichsweise moderat geltende Kandidat des Parteiestablishments Mitt Romney, auf der anderen Seite eine Reihe von Gegenkandidaten, die sich als konservative Alternative zu Romney empfahlen und dabei auf die Unterstützung der Basis hofften. Am Ende setzte sich Romney durch: Er besaß die beste Wahlkampforganisation, verfügte über die größten finanziellen Mittel und hatte die nachhaltigste Unterstützung anderer prominenter Republikaner. Hinzu kam, dass seine Rivalen nicht in der Lage waren, die Opposition gegen ihn in einer einzigen Person zu bündeln. Jedoch musste Romney für seinen Vorwahlsieg der konservativen Basis weiter entgegengekommen. [ZParl, 44. Jg., H. 1, S. 22 – 38]

 

Horst, Patrick: Die US-Präsidentschaftswahl vom 6. November 2012: Obamas Wiederwahl dank verbesserter Zukunftserwartungen, Hurrikan Sandy und einer effektiven Kampagne.

Barack Obamas Wiederwahl stand bis zuletzt auf der Kippe: Zwar wurde der Präsident durch seinen Amtsinhaberbonus begünstigt; auch profitierte er davon, dass er keinen innerparteilichen Herausforderer in der Vorwahl hatte. Während Mitt Romney bis in den April hinein um seine Nominierung kämpfen musste, konnte Obama seine Wahlkampfkasse auffüllen und schon vor dem Sommer mit einer effektiven Angriffskampagne gegen Romney den Grundstein für seinen Wahlerfolg im Herbst legen. Aber Obama musste auch mit schlechten Wirtschaftsdaten, einer hohen Arbeitslosigkeit und einem beunruhigenden Haushaltsdefizit, in den Wahlkampf ziehen. Ein apathischer Auftritt in der ersten Fernsehdebatte hätte ihn beinahe den Sieg gekostet. Am Ende retteten ihn die optimistischen Zukunftserwartungen der Amerikaner, die sich auf schwache Anzeichen wirtschaftlicher Erholung stützten, ein erfolgreiches Katastrophenmanagement von Hurrikan Sandy und seine schlagkräftige Kampagne, die sich der Angriffe der republikanischen Super-PACs zu erwehren wusste. Obamas zweite Amtszeit steht vor schwierigen Herausforderungen eines Divided Government: Vor allem ein Überziehen bei der Verschärfung der Waffenkontrollgesetze könnte mögliche Kompromisse bei der Einwanderungsreform und in der Haushaltspolitik gefährden. [ZParl, 44. Jg., H. 1, S. 38 – 58]

 

Böcker, Julian und Oliver Schwarz: Das doppelte Demokratiedefizit europäischer Sicherheits- und Verteidigungspolitik: Paradox eines kontrafaktischen Legitimitätsmodells parlamentarischer Kontrolle?

Leidet die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU (GSVP) unter einem Demokratiedefizit? Am Beispiel der Beteiligungsrechte des deutschen, britischen und Europäischen Parlaments und einer Kategorisierung der EU-27 zeigen sich folgende Ergebnisse auf die vorangestellte normative Frage: Ein einzelnes, allgemeingültiges Modell der parlamentarischen Kontrolle europäischer Sicherheits- und Verteidigungspolitik existiert zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Allgemeine Schlussfolgerungen über das vermeintliche doppelte Demokratiedefizit der GSVP basieren vielmehr auf einem kontrafaktischen Legitimitätsmodell parlamentarischer Kontrolle, das die historisch gewachsene Vielfalt nationaler Perzeptionen und Traditionen innerhalb der EU im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik nicht hinreichend reflektiert. Daher bleibt die demokratische Legitimität der GSVP ausreichend gewährleistet, solange die existierenden nationalen Entscheidungsabläufe parlamentarischer Kontrolle eingehalten werden. [ZParl, 44. Jg., H. 1, S. 59 – 76]

 

Plöhn, Jürgen: 40 Jahre nach dem ersten Misstrauensantrag im Deutschen Bundestag: Probleme einer Minderheitsregierung am Beispiel der ersten Regierung Willy Brandts.

Nur aufgrund der „konstruktiven“ Ausgestaltung des Misstrauensvotums konnte die erste Regierung Willy Brandts nach der Abstimmung über den ersten im Bundestag eingebrachten Misstrauensantrag ihr Amt als Minderheitsregierung fortführen. Sie han­delte 1972 ohne Staatshaushalt und von April bis Dezember 1972 ohne parlamentarische Mehrheit. Gesetzgeberisch wird insgesamt weitgehender Konsens bei unterschiedlichen, auch oppositionellen Mehrheiten im Detail erkennbar. Die Ostverträge wurden von der Opposition hingenommen, hätten aber theoretisch an ihr scheitern können. Zur Außen- und Sozialpolitik sind konkurrierende Initiativen der Opposition nachweisbar. Die Rentenversicherung ist nachfolgend angesichts der Beschlüsse und realen Wirtschaftsentwicklung in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Der Staatshaushalt, 1972 in rechtlich zweifelhafter Weise auf Grundlage des auf Bismarck zurückgehenden Notetatrechts geführt, leitete mit einer Verdreifachung des Defizits die Serie kontinuierlich negativer Bilanzen ein. Unter machtpolitischen Aspekten ein Erfolg für die Regierungsseite, hat sich diese als Minderheitsregierung inhaltlich verwundbar gezeigt. [ZParl, 44. Jg., H. 1, S. 76 – 92]

 

Riede, Matthias und Henrik Scheller: Parlamentarische Untersuchungsausschüsse im Deutschen Bundestag – bloßes Skandalisierungsinstrument der Opposition?

In der politischen Debatte steht der Vorwurf im Raum, dass parlamentarische Untersuchungsausschüsse von der Opposition lediglich zur „Skandalisierung“ der jeweils amtierenden Regierung und der sie tragenden Mehrheitsfraktionen dienen. Da Skandale als Instrumente und Mechanismen sozialer Kontrolle erst über eine breite Öffentlichkeit zum Skandal werden, ist das Wechselspiel zwischen handelnden politischen Akteuren und Medien hierbei von zentraler Bedeutung. Im Mittelpunkt der Analyse steht deshalb die Berichterstattung in ausgewählten Printmedien über die Arbeit der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages von 1990 bis 2011. Zwar wurde die Mehrzahl tatsächlich als Skandalisierungsinstrument genutzt. In einigen Fällen verkehrte sich diese Logik allerdings in ihr Gegenteil, da Untersuchungsausschüsse auch von den Skandalisierten als Forum medialer Selbstinszenierung genutzt wurden. Notwendige Bedingungen einer „erfolgreichen“ Skandalisierung sind jedoch immer die Prominenz der geladenen Zeugen sowie öffentliche Ausschusssitzungen. [ZParl, 44. Jg., H. 1, S. 93 – 114]

 

Reus, Andreas und Peter Mühlhausen: Rechtliche Möglichkeiten zur Korrektur eines verabschiedeten Haushalts am Beispiel Hessens.

Ein bereits verabschiedeter Haushalts kann nach pflichtgemäßem Ermessen durch einen Nachtragshaushalt oder aufgrund der Korrekturermächtigung des Finanzministers berichtigt werden. Diese Ermächtigung wird für die nicht veröffentlichten Teile des Haushaltsplans jährlich neu beschlossen. Für das verkündete Haushaltsgesetz mit dem Gesamtplan gelten die Korrekturregelungen der parlamentarischen Geschäftsordnungen beziehungsweise der Gemeinsamen Geschäftsordnungen der Ministerien. Der materielle Normgehalt und der objektivierte Wille des Haushaltsgesetzgebers dürfen nach der zur (allgemeinen) Berichtigung von Gesetzesbeschlüssen zu verzeichnenden verfassungsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur durch die Korrekturen nicht beeinträchtigt werden. Unter Heranziehung der Rechtsprechung des BVerfG wird deutlich, dass Gegenstand und Inhalt parlamentarischer Beratungen die notwendige Präzisierung für die Bestimmung des zulässigen Gebrauchs der Korrekturermächtigung im konkreten Einzelfall ermöglichen. [ZParl, 44. Jg., H. 1, S. 115 – 125]

 

Igel, Raphael und Michael F. Feldkamp: Die Polizei des Bundestagspräsidenten in parlamentsgeschichtlicher Perspektive.

Nach dem Vorbild der deutschen Verfassungen von 1871 und 1919 entstand Art. 40 Grundgesetz, dem gemäß der Präsident des Deutschen Bundestages das Hausrecht und die Polizeigewalt im Gebäude des Bundestages ausübt. Die Ordnungs- und Sicherheitsaufgaben im Bonner Bundeshaus wurden zunächst von Beamten der Kriminalpolizei Bonn wahrgenommen, obwohl klar war, dass es unverzichtbar sei, eigene Sicherheitskräfte damit zu betrauen. 1950 nahm die „Hausinspektion“, später „Hausordnungsdienst“ (HOD) genannt, Ordnungs- jedoch keine Vollzugspolizeilichen Aufgaben wahr. 1951 wurde die Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamtes (BKA) mit dem Schutz des Parlamentes beauftragt. In der Folge wurde der HOD mit ausgebildeten Polizeibeamten aufgestockt und personell ausgebaut. Jedoch erst 1960 wurden die Beamten in das Bundespolizeibeamtengesetz aufgenommen. Umbenennungen in „Hausinspektion“ und später „Ordnungsdienst“ machten deutlich, dass es nicht gewünscht war, den Dienst auch als Polizeidienst zu bezeichnen. Erst Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth hatte 1989 die Hausinspektion in „Polizei- und Sicherungsdienst“ umbenannt und damit den Polizeivollzugsbeamten die bisher verweigerte Anerkennung und den angemessen Respekt des Bundestages zukommen lassen. [ZParl, 44. Jg., H. 1, S. 126 – 136]

 

Erbentraut, Philipp: Ist ein Verbot der NPD sinnvoll? Die Pioniere der deutschen Parteientheorie im Vormärz wären skeptisch.

Vor dem Hintergrund der wieder aktuell gewordenen Debatte um ein mögliches Verbot der rechtsradikalen NPD stellt sich aus demokratietheoretischer Perspektive die Frage nach dem generellen Sinn von Parteiverboten in einer offenen Gesellschaft. Dabei ermöglicht der Rückgriff auf das ideengeschichtliche Archiv der deutschen Staatsphilosophie des Vormärz einen erstaunlichen Befund. In der gegenwärtigen Auseinandersetzung wird unwissentlich ein fast 200 Jahre alter Diskurs reproduziert. Alle wesentlichen Argumente pro und contra Parteiverbote liegen bereits vor 1848 auf dem Tisch. Der überwiegende Teil der vormärzlichen Autoren ist in der Verbotsfrage äußerst skeptisch. Die Vielfalt der Einwände lässt sich in drei Hauptthesen bündeln, die alle heute vorgebrachten Bedenken vorwegnehmen: Parteiverbote nützen nichts (Vergeblichkeitsthese), Parteiverbote sind schädlich (Gefährlichkeitsthese), Parteiverbote widersprechen dem Geist der Demokratie (Sinnverkehrungsthese). Der demokratietheoretische Nährwert der alten Texte besteht mithin in einem Appell an die Staatsbürger, gegenüber Verfassungsfeinden die politische Auseinandersetzung zu forcieren, anstatt auf juristische Schützenhilfe zu hoffen. [ZParl, 44. Jg., H. 1, S. 137 – 145]

 

Brandstetter, Marc: Kinderfeste hinter Stacheldraht: Die Entwicklung der NPD in Mecklenburg-Vorpommern nach der Landtagswahl 2011.

Nur wenige Monate vor der Bundestagswahl befindet sich die NPD in einer Krise. Die politische Kurskorrekturen des neuen Parteichefs Holger Apfel führte geradewegs in eine Sackgasse: Wahlerfolge bleiben aus, interne Streitigkeiten zerreißen die Partei, die Kassen sind leer. Ein neues Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht könnte darüber hinaus das Ende bedeuten. Außerdem setzten dem angeschlagenen Flaggschiff der extremistischen Rechte die Veränderungen innerhalb der Szene zu. In zahlreichen Gebieten haben ihr die neonationalsozialistischen Freien Kameradschaften längst den Rang abgelaufen. Nicht aber in Mecklenburg-Vorpommern, der heimlichen Parteihochburg. Hier haben „freie“ und parteigebundene Aktivisten ein Kampfbündnis geschmiedet, das längst Früchte trägt. Die rechtsextremistische Bewegung ist landesweit präsent und verfügt über eine flächendeckende Struktur. Dabei zeigt die NPD zwei Gesichter: Obwohl der Landesverband kaum radikaler sein könnte, verfängt seine „Kümmerer-Strategie“. Vermeintlich unpolitische Aktivitäten wie Kinderfeste oder Spieleabende führen neue Interessenten an die Partei heran. Die „NPD-Graswurzelrevolution“ ist an der Ostsee in vollem Gange. [ZParl, 44. Jg., H. 1, S. 146 – 157]

 

Wilke, Jürgen und Melanie Leidecker: Regional – National – Supranational. Wahlkampfberichterstattung in Deutschland auf verschiedenen Ebenen des politischen Systems.

Die Untersuchung von Wahlkämpfen hat in der Kommunikationswissenschaft eine lange Tradition. Seit der klassischen Erie County-Studie 1940 ist immer wieder geprüft worden, welche Rolle Massenmedien bei Parlaments- oder Präsidentschaftswahlen spielen. Überwiegend beschäftigte sich die Forschung mit Wahlen, die auf nationaler (zunehmend auch auf internationaler) Ebene stattfinden. Erheblich seltener wurde hingegen die Rolle und Berichterstattung der Massenmedien in Landtagswahlkämpfen untersucht; systematische Vergleiche auf regionaler, nationaler und supranationaler Ebene fehlen bisher gänzlich. Diesem Forschungsdefizit wird hier abgeholfen: Eine quantitative Inhaltsanalyse deutscher Tageszeitungen von 2009 bis 2011 zeigt, ob und wie sich die Wahlkampfberichterstattung auf den drei Ebenen des politischen Systems unterscheidet. Die Ergebnisse legen nahe, für die Wahlkampfberichterstattung drei Ebenen zu unterscheiden, erstrangige Berichterstattung (“first-rate coverage”) bei Bundestagswahlen, zweitrangige („second-rate coverage”) bei Landtagswahlen und drittrangige („third-rate coverage”) bei Europawahlen. Alle drei Ebenen bestimmen maßgeblich die Medienberichterstattung über die entsprechenden Wahlkämpfe. Die Unterschiede zwischen ihnen dürften zu einer ungleichen Wahrnehmung der Wahlkämpfe in der Bevölkerung führen. [ZParl, 44. Jg., H. 1, S. 158 – 176]

 

Hesse, Christian: Wahlrecht 2013 mit Schattenseiten. Oder: Ein kritisches Lob dem vom Bundesverfassungsgericht verworfenen Bundeswahlgesetzt von 2011.

Das am 3. Dezember 2011 in Kraft getretene Wahlrecht weist gegenüber seinem Vorgänger starke strukturelle Unterschiede auf, ist aber seitens der Ergebnisse der Sitzzuteilung minimal-invasiv. Der Effekt des Negativen Stimmgewichts gemäß der Definition des BVerfG wird bis auf seltene Ausnahmefälle eliminiert; es können jedoch andere Monotonie-Störungen auftreten. Zwar ist es nicht frei von Inkonsistenzen und bewirkt Differenzierungen bei den Wahlrechtsprinzipien, doch ist ein Sitzzuteilungsmodell, das allen Idealansprüchen vollständig gerecht wird, mathematisch unmöglich. Die mit dem Wahlrecht 2011 konkurrierenden Gesetzentwürfe weisen allerdings noch stärkere Mängel hinsichtlich des Negativem Stimmgewichts, mangelnder Praktikabilität oder Verzerrung der föderalen Repräsentation auf. Das Wahlrecht 2011 lässt sich noch leicht verbessern und es fordert im Vergleich mit den konkurrierenden Gesetzentwürfen die geringsten Abstriche in Bezug auf das Faktorenbündel Fairness, Verfassungskonformität und Praxistauglichkeit. Dennoch ist es vom BVerfG am 25. Juli 2012 für verfassungswidrig erklärt worden. Das Gericht hatte seine Definition zum Negativem Stimmgewicht und den Rahmen der Zulässigkeit von Überhangmandaten in einschränkender Weise so verändert, dass das Wahlrecht 2011 diesen verschärften Ansprüchen nicht mehr gerecht wurde. [ZParl, 44. Jg., H. 1, S. 177 – 200]

 

Dehmel, Niels und Eckhard Jesse: Das neue Wahlgesetz zur Bundestagswahl 2013. Eine Reform der Reform der Reform ist unvermeidlich.

Die Bundestagswahl 2013 wird nach einem neuen Wahlrecht abgehalten. Darauf einigten sich die Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen im Oktober 2012. Der Bundestag verabschiedete das Wahlgesetz am 21. Februar 2013 gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke. Wenngleich das neue Bundeswahlgesetz verfassungsgemäß ist, weist es doch weiterhin Schwächen auf: Die Zahl der Abgeordneten dürfte sich erhöhen. Überhang­mandate – das eigentliche Übel des Wahlsystems – fallen weiterhin an, werden aber kom­pensiert. Zudem sind die Regelungen komplizierter geworden und nicht transparent genug. Das neue Bundeswahlgesetz ist insofern nur eine Übergangslösung, eine verständliche und vor allem zukunftsfähige Grundlage steht aus. Eine angemessene Alternative wäre die Rück­kehr zum Einstimmensystem von 1949. [ZParl, 44. Jg., H. 1, S. 201 – 213]

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