Wir aus Halle

Eva

Seit ich 20 bin, bereise ich die Länder des ehemaligen Jugoslawiens – und begonnen hat meine Leidenschaft für diesen Raum Südosteuropas 1996 in Bosnien und Herzegowina, in Workcamps in der kleinen zentralbosnischen Stadt Jajce, organisiert vom Friedenskreis Halle e.V. Damals ging es ganz praktisch darum, zerstörte Häuser wieder bewohnbar zu machen und ich habe viel gelernt: Dächer decken, Fensterglas einsetzen, Deckenbalken einziehen, Wände verputzen… Und ganz viel Schutt ausräumen, der in der Regel durchsetzt war mit persönlichen Gegenständen der einstigen Bewohnerinnen und Bewohner: Fotos, Geschirr, Kleidung…

Heike und Eva
Bosnien war ein Wendepunkt für mich: ich habe mein Studium gewechselt, (Süd-)Slavistik studiert, bin durch Studium und Forschung seit 2000 viel in Serbien gewesen, denn in meiner Dissertation ging es um den serbischen historischen Roman um die Jahrtausendwende. Gegenwärtige Deutungen von Vergangenem und allgemein das Phänomen des kollektiven Gedächtnisses interessieren mich spätestens seit dieser Zeit bis heute. Nach Bosnien bin ich als Studentin in einer legendären Exkursion gereist, die aus dem Übersetzungsprojekt „Bun(t)ovna proza“ (dt. Rebellische Prosa – verträumte Pose) hervorgegangen war. Und eines war klar – die in diesem Jahr unternommene Exkursion sollte ebenfalls thematisch fundiert sein. Und: es sollte ein Begegnungsprojekt sein, nicht nur „unserer“ Studierender mit denen „dort“, sondern ebenso der Studierender der ex-yu Region. Denn Begegnungen dieser Art sind keinesfalls selbstverständlich. Diese Fahrt war für mich keinesfalls einfach oder entspannt – aber sie war sehr gut! Ich habe aus der Orga-Perspektive einen neuen, sehr intensiven Einblick in aktuelle Probleme von Bosnien und Herzegowina bekommen und konnte „nebenbei“ vertraute Orte und liebe Menschen wiedertreffen, nicht zuletzt in Jajce. Und Ideen für ein Folgeprojekt gibt es bereits…

Heike

Eine private Balkanreise führte mich im Sommer 2004 auch nach Bosnien und Herzegowina, in ein Land, von dem ich bis dahin so gut wie nichts wusste. Als ich im Licht der Abendsonne den quirligen Taubenplatz in Sarajevo erreichte, habe ich mich auf der Stelle in diese Stadt verliebt. Diese Liebe – nicht nur zu der Stadt, sondern zu Land und Leuten – hat dazu geführt, dass ich mich als DAAD-Lektorin an der Universität Sarajevo beworben habe und dort schließlich von 2009 bis 2014 am Institut für Germanistik gearbeitet habe.
 

Das waren unheimlich spannende und intensive Jahre, in denen aus der Verliebtheit eine enge Freundschaft gewachsen ist. Viele persönliche Verbindungen sind entstanden, schließlich habe ich ja dort mit der ganzen Familie, also einschließlich meiner drei Kinder gelebt, die bis heute erhalten geblieben sind. Aber auch beruflich war es eine wunderbare Zeit: An der Abteilung für Germanistik an der Universität in Sarajevo arbeiten hervorragende WissenschaftlerInnen und DozentInnen, die an sich und die Studierenden hohe Ansprüche stellen, was sich in der Qualität der Lehre und Forschung widerspiegelt. Besonders beeindruckend aber sind die Studierenden, die mit sehr guten Deutschkenntnissen und ebenso guter Bildung diesen Ansprüchen gerecht werden können. Umso glücklicher bin ich, dass die Germanistik der MLU seit 2016 durch das Erasmus+-Programm mit Nicht-EU-Ländern mit der Abteilung in Sarajevo kooperiert und dadurch ein Studierenden- und Lehrendenaustausch möglich wurde. Durch die Zusammenarbeit mit der Abteilung für Südslawistik, konnten wir diese Kooperation auch mit der Universität in Novi Sad, Serbien verbinden und deshalb eine Exkursion organisieren, die eine trinationale Begegnung ermöglichte.

Es ist recht einfach, die Schönheit und das Potential des Landes zu erkennen, aber die Geschichte und die aktuelle politische Situation des Landes und der Region zu verstehen, ist nicht ganz so leicht. Durch die Gespräche und die Erfahrungen auf dieser Exkursion habe ich wieder neue Einsichten und Erkenntnisse gewonnen und ich freue mich darauf, diese Kooperation fortzusetzten und eine nächste Exkursion zu planen…

Susan

Mein Name ist Susan Bargmann und ich bin Studentin des Masterstudiengangs Interkulturelle Europa- und Amerikastudien mit den regionalen Schwerpunkten Lateinamerika, Frankreich und Südosteuropa.

Im Bachelor habe ich Romanistik (Spanisch / Französisch) und Wirtschaftswissenschaften studiert und noch wenig mit Südosteuropa am Hut gehabt, bis ich aus eigenem Interesse an einem BKS-Sprachkurs am Institut für Slavistik teilgenommen habe und mich gegen Ende des Bachelors dazu entschieden, Südosteuropastudien in meinen Master zu integrieren. Da ich mich im Master befinde, ist das Seminar „Welche Rolle spielt das Erbe von Titos Jugoslawien im heutigen Bosnien und Herzegowina?“ im Grunde genommen nicht für mich vorgesehen gewesen. Das Thema des Seminars klang jedoch sehr interessant für mich und da es glücklicherweise noch einen freien Platz gab, habe ich die Möglichkeit bekommen sowohl am Seminar als auch an der Exkursion teilnehmen. Die Exkursion nach Bosnien hat mir sehr gut gefallen, da wir zum einen durch die Interviews die Möglichkeit hatten uns praktisch mit dem Thema des Seminars auseinanderzusetzen und zum anderen in Gesprächen und Ausflügen einen Teil des Landes, der Menschen und der Kultur kennenlernen konnten. Das Thema des Seminars – das Erbe Titos Jugoslawiens – begegnete uns nicht nur während der Interviews, sondern war vor allem in alltäglichen Situationen immer wieder präsent, sei es in Gesprächen mit den Studierenden aus Sarajevo und Novi Sad oder während der Spaziergänge durch die Städte in Form von Straßennamen (Ulica Maršala Tita) oder in Souvenirshops angebotenen Tito-Souvenirs.

Hellen

Ich bin Hellen und ich studiere Frankreich- und Südosteuropa-Studien mit  Medien- und Kommunikationswissenschaften im Nebenfach.
Ich habe angefangen mich für den Balkan zu interessieren, weil er in meiner imaginären Europakarte lange eine Grauzone dargestellt hat.
Ich wusste nicht so wirklich was da war und ist aber das wollte ich gerne.
Das Seminar und die Exkursion waren für mich, abgesehen vom Serbisch/Kroatisch/Bosnisch Sprachkurs, die erste Veranstaltung in der Süd-Slawistik. Eine Erfahrung, die mein Interesse und den Wunsch, mich näher mit den kulturgeschichtlichen und politischen Hintergründen der Staaten des ehemaligen Jugoslawiens zu beschäftigen, verstärkt hat. 

Aleš

Mein Name ist Aleš Janoušek und ich studiere Politikwissenschaft und Germanistik in Halle (Saale). Ich bin ein leidenschaftlicher Reisender, der liebend gerne unterwegs über die Umgebung reflektiert. Dafür gab es während der Woche in Bosnien und Herzegowina mehr als genug Gelegenheiten.

Ich muss ehrlich gestehen, dass die Staaten des Westbalkans für mich bis vor ein paar Monaten nur verwirrende schwarze Linien auf der Landkarte Europas bedeuteten. Mein Blick richtete sich eher auf Mittel- und Osteuropa, bis ich auf das Seminar „Welche Rolle spielt das Erbe von Titos Jugoslawien im heutigen Bosnien und Herzegowina?“ aufmerksam gemacht wurde. Seitdem entdecke ich langsam die Vielfalt und Realität des westlichen Balkans. Ich bin mir sicher, dass diese Entdeckungsreise mit der Exkursion nach Bosnien und Herzegowina für mich erst angefangen hat und bin auf ihre Fortsetzung in eigner Regie gespannt.

Steffen

Ich bin Steffen. Ich habe mich in meiner Dissertation mit der deutschen Debatte unter Schriftsteller*innen über die Jugoslawienkriege der 1990er Jahre beschäftigt. Die (Ex-) Jugoslawiens dieser Texte beanspruchten zwar jeweils Gültigkeit. Mit dem Land und den Leuten, die es in Wirklichkeit gibt, hatten sie nichts zu tun. Für die Erstellung meiner Arbeit war dieses wirkliche (Ex-) Jugoslawien zwar ohne Relevanz, trotzdem wuchs meine Neugierde auf die Klärung der politischen und vor allem kulturellen Situation. Zugleich wuchs mein „touristisches“ Interesse. 2004 hatte ich schon zwei Wochen in Serbien verbracht, 2015 einige Tage in Sarajevo.

Neben dem unbestimmten Privatinteresse, mehr von diesen Gegenden und Menschen zu erfahren, reizte mich vor allem die Möglichkeit, innerhalb des Seminars, das ich mit Eva und Heike betreute, nun mit Zeitzeugen ins Gespräch zu kommen. Ich hatte erst spät im Leben erfahren, dass die Perspektive „von unten“ historische Ereignisse nicht nur „illustrieren“ und „lebendig“ machen, sondern Zusammenhänge gegebenenfalls tatsächlich anders beschreiben und erklären. Konnten die Interviews Antworten aufzeigen für die gelebte Existenz dieser prekären Lebensverhältnisse namens Bosnien und Herzegowina? Dem sah ich mit großem Interesse entgegen. 

Philipp

Ich bin Philipp und studiere Lehramt an Gymnasien für die Fächer Deutsch und Ethik. Über den Balkan im Allgemeinen und Bosnien und Herzegowina im Speziellen stolperte ich immer wieder während meiner Zeitungslektüren. Stolpern, da ich mich des Öfteren stark über den Blick der deutschen bzw. europäischen Öffentlichkeit auf die Länder Südosteuropas wunderte. Das Seminar Welche Rolle spielt das Erbe von Titos Jugoslawien im heutigen Bosnien und Herzegowina, bot mir durch die einwöchige Exkursion die Möglichkeit einen persönlichen Eindruck diesbezüglich zu bekommen.

Clara

Ich bin Clara und studiere im Master Psychologie in Halle. Durch Zufall habe ich über Philipp von Seminar und Exkursion erfahren. Da ich, abgesehen von einer eindrucksvollen Reise über den Balkan vor einigen Jahren, nur wenig Vorkenntnisse über die Geschichte und auch die aktuelle politische Lage der ehemaligen jugoslawischen Staaten hatte, bekam ich sofort großes Interesse teilzunehmen. Die Idee, im Rahmen einer Exkursion das im Seminar Gelernte mit persönlichen Eindrücken vor Ort verbinden zu können, fand ich spannend. Resümierend kann ich sagen, dass ich sowohl im Seminar als auch auf der Exkursion sehr viel gerlernt und Lust bekommen habe, Bosnien und Umgebung nun weiter für mich zu erkunden.

Hannah

Ich bin Hannah, seit fast zwei Jahren bin ich jetzt in Halle. Ich studiere Lehramt für die Fächer Deutsch und Informatik.
Als ich mit Kindern aus einem Jugendzentrum einen Workshop zu Europa gemacht habe, wurde mir bewusst, wie wenig ich über „den Balkan“ wusste. Ich erinnerte mich an meine Schulzeit, wo in alten Atlanten noch „Jugoslawien“ stand und die Lehrerin nur kurz meinte „Das gibts nicht mehr“.

Nun hatte ich endlich die Chance, Bosnien hautnah kennenzulernen und die Geschichte des Balkans zu recherchieren. Das Seminar und die Exkursion hat mit gezeigt, wie wichtig es für uns ist, sich mit dieser Region zu beschäftigen – sowohl historisch, als auch vor Ort.
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