28. Okt 2024
Epistemologien des Labors (1)
Protokoll: Hannah Friedländer
In dieser Sitzung des Seminars „Game Labs. Computer(spiel(geschichte)), hands-on.“ im Modul „Mediengeschichte“ standen zentrale Aspekte der Epistemologie des Labors im Mittelpunkt, die anhand von drei Texten zu verschiedenen Denkfiguren der Epistemologie diskutiert wurden. Um die Theorien besser zu verstehen, wurde zu Beginn zunächst eine kurze historische Einordnung der Autoren vorgenommen. Es wurden Werke von Autoren aus der Zeit zwischen 1900 und 1930 behandelt, darunter Martin Heidegger, Robin George Collingwood und Georg Christoph Lichtenberg.
Zu Anfang wurden die „Schriften und Briefe: Südelbücher II“ von Lichtenberg im Seminar diskutiert. Diese lassen sich als eine Art Notizbücher verstehen, Am Beispiel des Sudelbucheintrags 1468 von Lichtenberg, welcher sich mit der Idee der Fernkommunikation unter Wasser beschäftigt, wurde deutlich, wie Lichtenberg frühe Vorstellungen von technischen Prozessen skizzierte. In diesem Fall handelt es sich um Überlegungen, die heute dem Sonar ähneln. Interessant waren hierbei nicht nur die Ideen, sondern auch die technische Zeichnung, die dem handgeschriebenen Eintrag beigefügt wurde. Diese soll im Gegensatz zu üblichen Illustrationen vor allem Prozesse sichtbar machen, die ansonsten unsichtbar bleiben. Solche frühen Diagramme waren nicht ästhetisch ausgearbeitet, sondern dienten vielmehr dazu, komplexe Abläufe auf einfachere Weise darzustellen. Ein zentrales Thema im Seminar stellte daraufhin die Bedeutung von Diagrammen in der wissenschaftlichen Praxis dar. Sie haben die Funktion, unsichtbare oder abstrakte Prozesse visuell zugänglich zu machen und dadurch das Verständnis zu fördern.
Die Skizzen und Zeichnungen in der Laborpraxis gelten oft als eine Art Universalsprache. Sie ermöglichen es, wissenschaftliche Prozesse unabhängig von sprachlichen Missverständnissen oder Interpretationen zu vermitteln. Zeichnungen sind oft direkter und benötigen weniger Raum als ausführliche textliche Erklärungen. Dies wurde als besonders relevant in der Darstellung von zeitlichen Abfolgen und Abhängigkeiten hervorgehoben, da Diagramme häufig besser geeignet sind, solche Zusammenhänge objektiv und klar darzustellen.
Als zweiter zentraler Text für die Thematik der Epistemologie im Labor wurde ein Auszug aus dem Werk „Philosophie der Geschichte“ von R.G. Collingwoods besprochen. Collingwood untersuchte, wie Historiker über die Vergangenheit denken und sich mental in die historischen Kontexte hineinversetzen können. Seine psychologische Herangehensweise unterscheidet sich von der traditionellen Ereignisgeschichte, die lediglich eine chronologische Reihenfolge von Daten darstellt. Collingwood betonte, dass es darauf ankommt, die inneren Beweggründe historischer Akteure zu verstehen. Dies ist eine zentrale Aufgabe der Geschichtswissenschaft, die über die reine Chronologie hinausgeht und versucht, die Bedingungen und Motivationen der Menschen zu rekonstruieren. Dabei ist das Konzept des mentalen „Reenactments“ von Bedeutung: Historiker versuchen, die Gedankenwelt vergangener Akteure nachzuempfinden, um deren Handlungen zu verstehen. Diese Methode findet auch in der Laborpraxis Anwendung, wenn historische Experimente oder Prozesse rekonstruiert werden. Reenactment hilft dabei, nicht nur das Ergebnis, sondern auch den ursprünglichen Denkprozess nachzuvollziehen.
Zuletzt wurden im Zusammenhang mit Heideggers Text „Sein und Zeit“ Fragen behandelt, die das Verhältnis des Menschen zu den Dingen um ihn herum betreffen. Ein zentrales Thema war hier die Unterscheidung zwischen „Zuhandenheit“ und „Vorhandenheit“. Wenn wir Werkzeuge nutzen, verschwinden diese in gewisser Weise aus unserem Bewusstsein und werden zur Verlängerung unseres Körpers – sie sind „zuhanden“. Erst wenn ein Werkzeug z.B. nicht mehr funktioniert, rückt es in den Fokus und wird wieder „vorhanden“. Diese Überlegungen sind auch besonders für die Medienwissenschaft und die Arbeit im Labor relevant. Kaputte Geräte bieten die Möglichkeit, deren Funktionsweise besser zu verstehen und die internen Prozesse zu analysieren, die im normalen Betrieb unsichtbar bleiben.
Die Diskussion endete mit der Erkenntnis, dass drei zentrale Aspekte das Denken im Labor bestimmen: Erstens die Frage, wie experimentelle Prozesse so dokumentiert werden können, dass sie für andere verständlich sind. Zweitens die Bedeutung des Reenactments, das historische Prozesse und Denkweisen in der Gegenwart wieder aufleben lässt. Und Drittens der Wert der Dinge, mit denen im Labor gearbeitet wird, insbesondere in Hinblick auf deren Funktionsweise und die Bedeutung kaputter Werkzeuge, die oft neue Einsichten ermöglichen.
Seminar: „Game Labs. Computer(spiel(geschichte)), hands-on.“
Sitzung vom 21.10.2024