4. Nov 2024
Aufschreibesysteme des Labors
Protokoll: Pauline Köbele
In der Sitzung wurde der Text „Beyond the Journal and the Blog: The Technical Report for Communication in the Humanities“ von Nick Montfort diskutiert, wobei der Fokus auf der Rolle technischer Berichte (Technical Reports) als wissenschaftliche Publikationsform in den Digital Humanities lag.
Zu Beginn des Seminars erfolgte eine Einführung zum Autor und dem Kontext der Platform Studies. Nick Montfort ist eine zentrale Figur in diesem interdisziplinären Forschungsbereich, der technische und kulturelle Aspekte digitaler Plattformen untersucht. Gemeinsam mit Ian Bogost hat Montfort wichtige Werke in diesem Bereich verfasst, darunter Racing the Beam, das die Atari-2600-Spielekonsole aus technischer und kultureller Perspektive analysiert. Die Platform Studies erforschen unterschiedliche Plattformtypen – etwa Videospielkonsolen und Software – und legen den Fokus auf die Wechselwirkungen zwischen kreativen Ausdrucksformen und Technologie. In diesem Zusammenhang wurde im Seminar Montforts Tätigkeit am MIT als Leiter des Trope Tank besprochen, einem Labor, das sich der Erforschung der materiellen, formalen und historischen Dimensionen von Computertechnologie und Sprache widmet.
Im Anschluss analysierten wir den Text und diskutierten die Bedeutung technischer Berichte als flexible und zugängliche Alternative zu traditionellen wissenschaftlichen Journalen. Montfort beschreibt technische Berichte als eine Form, die ohne das oft zeitraubende Peer-Review-Verfahren auskommt und sich besonders für detaillierte Darstellungen wissenschaftlicher Fortschritte eignet. Ursprünglich in industriellen und militärischen Kontexten des 20. Jahrhunderts entstanden, dienen technische Berichte der systematischen Dokumentation und richten sich an fachkundige Leser*innen.
Daraufhin verglichen wir die Vor- und Nachteile technischer Berichte: Sie bieten eine schnelle Veröffentlichung, Flexibilität in der Gestaltung und hohe Detailtiefe. Der Zugang wird durch Online-Veröffentlichungen erleichtert. Gleichzeitig gehören sie zur „grauen Literatur“ – sie werden oft nicht durch offizielle Publikationsorgane veröffentlicht und besitzen keine standardisierten Identifikatoren (DOI, ISBN), was ihre Auffindbarkeit einschränken kann.
Anschließend reflektierten wir über die Aktualität des Textes und stellten fest, dass einige seiner Aussagen inzwischen überholt wirken. So ist die Diskussion um Twitter nach der Übernahme durch Elon Musk nicht mehr auf dem neuesten Stand. Auch Montforts Ausführungen zum Stellenwert und den Rahmenbedingungen für Monografien lassen sich nicht vollständig auf den deutschen Wissenschaftsbetrieb übertragen. Zudem haben sich die Veröffentlichungsmöglichkeiten für technische Berichte deutlich erweitert: Open Source Plattformen wie arXiv ermöglichen heute die offene Zugänglichkeit von Technical Reports und Preprints und erleichtern dadurch den Austausch innerhalb der wissenschaftlichen Community erheblich.
Zum Abschluss des Seminars verdeutlichte die Sichtung eines technischen Berichts zum „10-Liner“-Computerspiel PETSCII Jetsky auf dem Commodore 64 noch einmal die besondere Struktur und den inhaltlichen Aufbau technischer Berichte. Anhand dieses Beispiels zeigte sich, wie technische Berichte die präzise Dokumentation spezifischer Code-Aspekte ermöglichen und ein schrittweises Verständnis der Funktionsweise und Struktur des Codes fördern. Dadurch lassen sich die Mechanismen des Spiels nachvollziehen und es wird als experimentelles Objekt im größeren Kontext der digitalen Medien greifbar. Die Sitzung schloss mit dem Fazit, dass technische Berichte ein wichtiges Werkzeug zur tiefergehenden Analyse und Dokumentation komplexer digitaler Projekte darstellen.