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8. Dez 2024

Simulation

Verfasst von

Protokoll von Anna Langkabel

Zu Beginn der Sitzung wurde kurz der Text „Hands-on“ von Andreas Fickers besprochen, welcher in der Woche zuvor ausgefallen war. Fickers betont, dass man Prozesse nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch durchlaufen sollte, um die Wirkung der Medien zu verstehen. Ein zentraler Aspekt seines Textes ist das Reenactment, das nicht nur die Nachstellung historischer Ereignisse umfasst, sondern auch die Erarbeitung von Prozesswissen über historische Tatsachen. Als Beispiel für ein solches Prozesswissen wurde die Entstehung von Höhlenmalerei angeführt, welche als erste große experimentelle Feldforschung gilt. Beim Nachstellen dieser zeigte sich, dass es erhebliche kulturelle Anstrengungen erfordert, solche Malereien an Wände zu bringen. Fickers legt den Fokus auf das Praxiswissen, weshalb er theoretische Begriffe von „Archäologie“, wie bei Foucault und Kittler, kritisiert. Nach seiner Überzeugung lernt man Praxiswissen am besten, indem man selbst aktiv wird – durch „Hands-on“. Abschließend wurde festgehalten, dass er den Begriff „Medienarchäologie“ nicht eindeutig definiert. Für ihn bedeutet dieser Begriff so etwas, wie experimentelle Archäologie mit Medien.

Darstellung eines Lorenz-Attraktors mit einem Analogcomputer und einem Analog-Oszilloskop

Als Nächstes wurden uns die mitgebrachten Geräte vorgestellt. Dabei handelte es sich um ein analoges Oszilloskop und einen Analogcomputer, auf dem ein Programm gesteckt war, das eine Simulation ausführen konnte. Im weiteren Verlauf der Seminarsitzung wurde uns darauf dann der Lorenz-Attraktor demonstriert.

Anhand dieses Objektes beschäftigten wir uns mit Sybille Krämers Text „Simulation und Erkenntnis“. Krämer, Professorin für theoretische Philosophie, gilt seit den 1980er-Jahren als eine der wichtigsten Köpfe in der Medienwissenschaft. Sie trug maßgeblich zu einer medienwissenschaftlichen Theoretisierung von Digitalität und Computerisierung bei. Zudem entwickelte sie eine epistemologische Medientheorie, die sich hauptsächlich mit den theoretischen Aspekten hinter den Maschinen beschäftigt.

Der Text entstand vor dem Hintergrund eines Strategiepapiers des Wissenschaftsrates zum Thema Simulation für die Bundesregierung. Der Grund für die Entstehung dieses Papiers beruht auf zwei Achsen:

Die erste Achse ist die ethisch-moralische Dimension. Hierbei geht es um die ethische Frage der Simulation. Jean Baudrillard entwickelte hierzu eine Simulationstheorie. Er sagt, dass alles, was wir wissen, uns medial vermittelt wird. Er geht sogar so weit, zu behaupten, dass wir heute in einer Hyperrealität leben – einer von Medienzeichen generierten Wirklichkeit. Als aktuelles Beispiel wurden Verschwörungstheorien in sozialen Medien angeführt.

Baudrillard definiert Simulation und Dissimulation wie folgt:

  • Simulation: Das Vorspielen von etwas, das gar nicht existiert.
  • Disimulation: Das Verschweigen oder Überspielen von Symptomen.

Die zweite Achse bezieht sich auf Wissenschaftspraxis und Medientechnik. Dabei geht es darum neue Erkenntnisse zu gewinnen. Simulationen treten hier als Vermittler zwischen Theorie und Praxis. Gründe für deren Einsatz sind zum einen, dass es heute Medien gibt, die solche Prozesse unterstützen können, und zum anderen, dass sie bei bestimmten Problemen notwendig sind.

Ein Beispiel dafür ist das Drei-Körper-Problem der Physik, das den Zustand von Massenanziehungskräften in Systemen mit mehr als zwei Massen beschreibt. Dieses Problem ist formal nicht mehr beschreibbar. Ein weiteres Beispiel sind chaotische Systeme, in denen keine Vorhersagen möglich sind. Hier können kleinste Änderungen der Anfangsbedingungen zu großen Abweichungen beim Ergebnis führen, sodass Prognosen unmöglich werden. Ein Beispiel hierfür sind Wetterphänomene, die numerisch durch gekoppelte Differentialgleichungen beschrieben werden – und in Simulationen wie dem Lorenz-Attraktor visualisiert werden können.

Fazit: Simulationen werden benötigt, wenn Experimente nicht mehr durchführbar sind – sei es, weil Prozesse zu klein, zu gefährlich oder noch unbekannt sind – oder wenn keine mathematisch-formalisierte Beschreibung möglich ist.

Eine historisch bedeutende Simulation fand 1944 mit dem ENIAC-Computer statt. Mithilfe eines von John von Neumann entwickelten Simulationsprogramms wurde die Verdichtung des Plutoniumkerns einer Atombombe berechnet.

Als Nächstes widmeten wir uns der Frage, wie eine Simulation eigentlich entsteht. Dabei wurde deutlich, dass Simulationen weder direkt auf Naturgesetzen noch auf der Erstellung von Formeln beruhen. Das Ergebnis der Diskussion war, dass Simulationen durch das Sammeln und Verarbeiten von Daten aufgebaut werden. Sie sind numerisch funktionierende Systeme, die auf Basis von Zahlen Ausgaben erzeugen.

Gegen Ende der Sitzung beschäftigten wir uns mit der epistemologischen Perspektive auf Simulation, die Sybille Krämer in vier zentrale Aspekte unterteilt:

1) Mathematisierung

Mathematisierung beschreibt die Verschriftlichung des Rechnens durch die Symbolisierung von Zahlen. Ein zentraler Begriff in diesem Zusammenhang ist die Kalkülisierung – eine funktionale Schreibweise, mit der abstrakte Gedanken mathematisch darstellbar werden. So entsteht eine kleine „Mathematikmaschine“, die Ergebnisse liefert. Zusammengefasst erfordert die Mathematisierung: Zahlen, mit denen gerechnet werden kann, eine Algebra, die allgemeine Gesetze formulierbar macht, und eine „Mathematikmaschine“, die Zahlen verarbeitet und Ergebnisse liefert.

2) Modellierung

Für die Modellierung wird Urteilskraft benötigt, um eine Analogie bilden zu können und diese in Gedanken durchzuspielen. Wichtig für eine Simulation ist auch die Vereinfachung für ein Modell. Ein Modellauto ist beispielsweise eine vereinfachte Version eines echten Autos, bei dem jedoch die Dinge weggelassen wurden, die für die Simulation nicht von Interesse sind. Zudem ist die Autonomie des Modells wichtig: Es bildet eine eigenständige Realität ab und ermöglicht Experimente, die unabhängig vom Original durchgeführt werden können.

3) Visualisierung

Bilder spielen in der Simulation eine zentrale Rolle, da sie als Wissensobjekte dienen, mit denen neues Wissen generiert werden kann. In Simulationen werden Bilder zu analytischen Werkzeugen, die uns ermöglichen, spezifische Informationen aus ihnen zu extrahieren und neue Erkenntnisse zu gewinnen

4) Digitalisierung (Computerisierung)

Der entscheidende Aspekt der Digitalisierung ist die Verzeitlichung. Messwerte werden zu Daten, die entmaterialisiert und in abstrakte Zahlenphänomene umgewandelt werden.

Zum Abschluss setzten wir uns mit der forschungsethischen Frage auseinander, wie mit Simulationen verantwortungsvoll umzugehen ist. Dabei wurde betont, dass ein kritischer Umgang notwendig ist, der eine neue Art von Lesekompetenz und Bildkritik erfordert. Als Beispiel wurde die Wahlprognose zur Bundestagswahl angeführt. Bei solchen Simulationen müssen drei zentrale Aspekte bedacht werden:

  1. Es wird ausschließlich mit bereits erhobenen Daten gearbeitet.
  2. Die Frage, wer die Umfrage durchgeführt hat, ist mitentscheidend.
  3. Es ist wichtig zu hinterfragen, welche Daten und Parameter in die Simulation eingeflossen sind.

Als Fazit der Sitzung haben wir festgehalten, dass am Ende einer Simulationstheorie immer eine Bildkritik stehen muss. Dies ist die Aufgabe der Bild- und Medienwissenschaftler.

Über Stefan Höltgen

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