„Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
– Heinrich Heine, Die Loreley (1824)
Daß ich so traurig bin;
Ein Märchen aus uralten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.“
Die Klausberge sind ein besonders idyllisches Plätzchen direkt an der Saale. Machen Sie doch hier eine Pause oder erklimmen Sie die 60 Stufen nach oben auf die Berge, dort lädt Sie der wunderschöne Ausblick über die Saale ebenfalls zum Verweilen ein.
Flüsse sind schon sehr lange Horte von Mythen und Sagen und so ist es hier nicht anders. Da die Saale seit der Gründung der Stadt mit ihr und vor allem mit dem Halloren verbunden ist, nehmen Sie sich die Zeit und lesen Sie eine von vielen Geschichten der Saalenixen. Eine Erzählung von Freundschaft.
Die Saalnixen
Unten auf dem Grunde der Saale und tief, tief in den Seen und Brunnen, da wohnen viele Nixen in kristallenen Palästen; das glitzert und flimmert so herrlich, daß es ein menschliches Auge kaum ertragen kann. Ehe nun noch die Menschen auf die Erde kamen, trieben sie frohe Spiele an den Ufern und Wiesen und sonnten sich in ewiger Jugend und ewigem Frühling.
Sie lebten aber in Feindschaft mit den bösen Erdgeistern, die kamen öfters und stürmten auf sie ein, raubten die Schönsten von ihnen und nahmen sie mit in ihre unterirdischen Höhlen. Dort wurden sie gefangen gehalten und mußten schwere Arbeiten verrichten, bis der Gott Thor die Riesen von der Erde vertrieb und die Menschen darauf pflanzet, denen er ein Mittel gab, die gefangenen Nixen zu erlösen. Alle waren sie schon aus ihrer Gefangenschaft befreit bis auf eine, die noch in dem Soolbrunnen saß. Vor vielen, vielen Jahren nämlich war auch einmal ein Schäfer gekommen, der dasselbe Traumbild gehabt hatte. Wie er nun aber das Loch gegraben, da hatte er den Wacholderzweig verloren. Sie war ihm wehklagend erschienen, hatte eine Eichel genommen, dieselbe mit dem Fuß in die Erde gestampft und gesagt: „Wenn diese Eiche groß geworden ist und dann wieder verfallen und verfault, und wenn dann ein Hirt kommt und auf der Stelle, wo sie gestanden hat, schläft, der erst kann den Traum Träumen, der zu meiner Erlösung führt.“
Nun war sie aber befreit und zurückgekehrt in die Saale, wo ein großer Jubel und eine endlose Freude war und Feste auf Feste gefeiert wurden, daß sie endlich ihre geliebte Schwester wieder hatten. Ihre Erlöser vergaßen sie aber nicht und waren den Menschen gut. Diese auch achteten und ehrten sie, denn sie wußten wohl, daß sie eine große Hülfe an ihnen hatten. Oftmals kamen die Nixen und zogen des Nachts mit ihren langen Haaren das Wasser aus den Soollöchern, daß am anderen Morgen nur noch die Kristalle darin waren. Oder es wurde ein Kind geboren, dann nahmen sie es unter ihren Schutz. War es ein Mädchen, so setzten sie ihm ganz leise des Nachts eine Nelkenkrone auf das Haupt, die nicht verwelkte und sich nach dreien Tagen in lauteres Gold verwandelte, den Knaben aber banden sie eine lange Kette von 18 Mohnköpfen um den Hals, die sich ebenfalls in das reinste Silber verwandelte. Wenn ein Kind ins Wasser gefallen war, trugen sie es sanft an das Ufer und beim Baden schützten sie überhaupt die Kleinen vor dem Ertrinken und lehrten sie schwimmen. So wurden Sie immer dreister und sprachen mit den Menschen und vergnügten sich mit ihnen an ihren Festtagen.
(Büttner, Franz: „Aus der Heimat“ 1992)
▽ Der Fluss, die Halloren und die Geschichten
Hier an den Klausbergen, einer Porphyrgesteinsformation im Herzen von Halle, kann man die Saale wunderbar überblicken. Benannt sind die Klausberge nach einer Kapelle der Klausbrüder, die hier im 13. Jahrhundert gestanden hat.
Zwischen Giebichenstein und Throta besingt vor allem der Dichter Joseph von Eichendorff (1788–1857) diesen Fleck Erde in seinen Gedichten, aber auch andere Schriftsteller:innen messen den Klausbergen eine besondere, mystische und lyrische Bedeutung zu. Nicht zuletzt fand Luise von Brachmann (1777–1822) wohl hier ihr tragisches Ende.
Die Saale entspringt ihrerseits in Oberfranken. Sie schlängelt sich so durch Bayern, Thüringen und Sachsen-Anhalt und ist an verschiedenen Orten immer wieder Schauplatz für Märchen und Legenden, birgt Geheimnisse und enthüllt Geschichte. Gerade in Halle verbindet dieser Fluss die Bürger mit der Stadtgeschichte. Der Kunsthistoriker und Autor Franz Büttner Pfänner zu Thal(1859–1919) hat es geschafft, die Sagen der Stadt und vor allem der Halloren in einem Band zusammenzutragen und so eine Geschichte zu spannen von den germanischen Stämmen zur Stadtgründung und darüber hinaus.
Die Halloren, die Salzwirker und ersten Bewohner der Stadt sind seit Anbeginn stark mit dem Fluss und der Legende nach den Saalnixen verbunden und standen mit ihnen in enger Freundschaft. Die Nixen, beschützen ihre Kinder, bildeten sie zu exzellenten Schwimmern auf, halfen beim Fischfang und der Arbeit mit dem Salz und unterstützten sie das ein oder andere Mal sogar im Kampf mit anderen Volksstämmen.
Auch wenn sich zwischen den anderen Bewohnern Halles und den Saalenixen über die Jahre eine Feindschaft entwickelte und sie sich gegenseitig üble Streiche spielten, blieb die gute Verbindung mit den Salzwirkern immer bestehen.
Die Halloren dankten den Nixen dafür stets mit Respekt, schützten den Fluss und ehrten ihre Geschenke. So ist es noch heute der Brauch, dass die Braut bei der Hochzeit mit einem Halloren und die Frauen eine Krone aus Nelken tragen, die Tracht der Halloren selbst ist auf der Brust mit einer Knopfleiste von 18 Silberknöpfen ausgestattet. Jeder Knopf hat dabei seine eigene Bedeutung und beschreibt meist den Rang des Halloren, bis auf den letzten Knopf, dieser hält nämlich die Hose zusammen.
▽ Literaturtipps
Büttner, Franz: Aus der Heimat. Sagen und Märchen der Halloren, Fliegenkopf Verlag 1992.
Lemmer, Manfred: der Saalaffe. Sagen aus Halle und Umgebung, Mitteldeutscher Verlag 2015.
Moritz, Robert: Hallorum Hallensis. Drei Hände voll Salz in das grab der guten Brüderschaft, Karlsruhe 1927.
Schultze-Galléra, Siegmar von: Die Sagen der Stadt Halle und des Saalekreises, Rockstuhl Verlag 2016.
Gehen Sie doch von den Klausbergen einmal das Riveufer entlang und spazieren Sie ein bisschen durch das Naherholungsgebiet der Peißnitz