Grausige Geschichten am Graseweg

„Hinter einer hohen Mauer steht das Gras drei Ellen lang. Heult der Wind durch tote Häuser, wird nicht nur den Kindern bang“

– Horch, Graseweg (2014)

Um die Stadt Halle und ihre Umgebung ranken sich viele Sagen. Dabei gibt es Orte, die auf die auf den ersten Blick eine gewisse Mystik vermitteln, andere können dafür besonders unscheinbar sein. Der Graseweg liegt nicht weit vom Marktplatz entfernt hinter dem Marktschlösschen. Wenn Sie vor den historischen Fachwerkhäusern stehen, vermittelt hier nichts den Eindruck, dass sich an diesem Ort eine schaurige Geschichte ereignet haben könnte.

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Graseweg

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Graseweg 51.483344, 11.967912

Lesen Sie selbst oder gruseln Sie sich mit der Hörfassung über die Legende vom Graseweg.

Die Pest war nicht nur einmal in der Stadt Halle. Der Name einer Gasse soll an die schlimme Zeit der Pest erinnern. Das erzählt uns die Sage vom „Graseweg“.

Im Jahre 1348 breitete sich die Pest über ganz Deutschland aus. Eines Tages entdeckte man den ersten Pestkranken in der Stadt Halle. Sein Haus stand in einer kleinen Gasse, nicht weit vom Marktplatz entfernt. Da gaben die Ratsherren einen grausamen Befehl: „Mauert die Gasse an beiden Seiten zu! Lasst niemanden heraus und niemanden hinein!“ So geschah es. Die Menschen in dieser Gasse jammerten und schrien. Aber niemand durfte ihnen helfen. Sie mussten in ihrer Gasse eingemauert bleiben. Nach ein paar Monaten war es still in der Gasse. Alle waren tot, an der Pest gestorben oder verhungert. Doch die Pest breitete sich nicht aus, Halle war gerettet! Erst nach zehn Jahren ließ der Bürgermeister die Mauern abreißen. Die Hallenser gingen in die Gasse hinein. Was sahen sie da? Sie fanden die Skelette (= die Knochen) der eingemauerten Menschen. Sie lagen im hohen Grase. Das Gras bedeckte die ganze Gasse, die Hausflure und die Höfe. Da gab man der Gasse den Namen „Graseweg“. (Schultze-Galléra, Siegmar von: „Die Sagen der Stadt Halle und des Saalekreises“ 2016)

Zwischen Mythos und Wahrheit

Ob eines der ältesten Stadtviertel 1350 wirklich zugemauert und für eine Dekade vergessen wurde, lässt sich heute nicht mehr nachweisen. Fakt ist jedoch, das die Pest Halle in zwei großen Wellen heimsuchte, 1350 und 1681. Viele Menschen erlagen dem Schwarzen Tod, zwischen 1681 und 1683 überlebten nur ungefähr 4000 Hallenser. Ein weiterer Fakt ist auch, das sich die Grundstücke, die am Graseweg stehen, bis in das 13. Jahrhundert zurückverfolgen lassen. Der Lokalhistoriker Johann C. Dreyhaupt beschreibt in seiner Chronik über die Stadt hier einen kleinen Rittersitz. Dazu gehörig fand sich eine Martinkapelle, vermutet wird ein angrenzender Friedhof. Dieser wurde im späten Mittelalter wohl aufgegeben und so zum Grashof. Der Graseweg ist also der Weg zu diesem Grashof.

Die Fachwerkhäuser, die diesen Ort heute so markant machen, lassen sich in der bürgerlichen Renaissance um 1550 verorten. Sie beherbergten über die Jahrhunderte hochangesehene Goldschmiede und andere Handwerkskünstler und auch noch heute sind in den Gebäuden rund um den Graseweg Kunsthandwerker angesiedelt.

Literaturtipps und Nachweise

Richey, Werner: Auf ins Walhalla! Geschichten und Anekdoten aus dem alten Halle, Wartberg Verlag 2009.

Schultze-Galléra, Siegmar von: Die Sagen der Stadt Halle und des Saalekreises, Rockstuhl Verlag 2016.

Gehen Sie doch einmal durch den Graseweg hindurch und biegen Sie dann nach links zum Hallmarkt ab. Auf dem Hallmarkt erwartet sie der Göbel-Brunnen mit seinen Statuetten.