Trockene Vorlesungen, kei­ne Motivation und feh­len­der Praxisbezug – so in etwa dürf­ten auch zu Beginn die­ses Wintersemesters eini­ge Kommilitoninnen und Kommilitonen ihr Studium beschrei­ben. Zweifel an der Fachwahl müs­sen aber nicht unbe­dingt das Aus für die Karrierelaufbahn bedeuten.

Auch zu Beginn die­ses Semesters darf sich die MLU über zahl­rei­che Neuimmatrikulationen freu­en. Rund 4000 Menschen haben sich dafür ent­schie­den, an der hal­li­schen Uni ein Studium auf­zu­neh­men. Doch oft hadern vie­le schon früh und über­den­ken ihre Entscheidungen. Tatsächlich bricht laut einer reprä­sen­ta­ti­ven Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) fast ein Drittel der Studierenden in den ers­ten Semestern ab. Vor allem im mathe­ma­tisch-natur­wis­sen­schaft­li­chen Bereich sind die Abbrecherquoten hoch. Hier wer­fen an den Universitäten 39 Prozent, an den Fachhochschulen 42 Prozent der Studierenden das Handtuch. Als vor­ran­gi­gen Grund für das vor­zei­ti­ge Aus gibt das DZHW „unbe­wäl­tig­te Leistungsanforderungen“ an. Aber auch man­geln­de Motivation und zu wenig Praxisbezug sei­en Motive für einen Abbruch. Finanzielle Gründe sei­en dage­gen eher zweitrangig.

Die Ergebnisse decken sich auch mit den Erfahrungen der Studienberatung der MLU, die sich jedes Jahr zu Beginn des Wintersemesters mit dem Phänomen der fal­schen Studienwahl aus­ein­an­der­setzt. „Meist sind es Studenten, die kom­plett ande­re Vorstellungen von ihrem Studium hat­ten. Einige sind von den Erwartungen im ers­ten Semester über­for­dert, vor allem in den mathe­ma­ti­schen Studiengängen mer­ken vie­le, dass sie das nicht schaf­fen“, erklärt Annelie Breitfeld von der all­ge­mei­nen Studienberatung. Auch ein unfrei­wil­li­ges Ende des Studiums sei häu­fig ein Grund, war­um die Studierenden den Weg in die Sprechstunde fin­den. Wer drei­mal durch eine Prüfung fällt, hat sei­nen Anspruch auf das Studienfach zwar erst ein­mal ver­lo­ren, kann sich in Halle aber trotz­dem für ähn­li­che Fächer ein­schrei­ben. So kann man zum Beispiel vom Gymnasiallehramt in das Sekundärlehramt mit der­sel­ben Fächerkombination wech­seln oder sich von BWL für die Wirtschaftswissenschaften ument­schei­den. „Bleibt dann nur die Frage, ob man das Modul schafft“, sagt Breitfeld.

Illustration: Ellen Neugebauer 
Chancen nach dem Abbruch

Der Wechsel in ein ande­res Studium ist aber nicht der ein­zi­ge Weg. „Studieren war eigent­lich von Anfang an nichts für mich. Die Inhalte waren viel zu abs­trakt und ein­fach zu weit von dem ent­fernt, was mich inter­es­siert“, erzählt Nicolas, der vor über einem Jahr sein Philosophie- und Geschichtsstudium abbrach, um eine Ausbildung als Mediengestalter zu begin­nen. Trotz anfäng­li­cher Zweifel hat er das Studium den­noch zwei Jahre lang aus­ge­hal­ten. „Eigentlich habe ich schon ziem­lich schnell gemerkt, dass das nichts für mich ist. In den ers­ten Vorlesungen habe ich schon auf der Uni-Website nach ande­ren Fächern geguckt.“ Der Azubi steht mit sei­nem Karriereweg kei­nes­wegs allei­ne da, denn 43 Prozent der Studienabbrecher haben ein hal­bes Jahr spä­ter eine Ausbildung auf­ge­nom­men, wäh­rend 31 Prozent erwerbs­tä­tig sind. In Halle bie­ten die Beratungsstellen der IHK, Agentur für Arbeit, Handelskammer und des Career Centers Alternativen für eine Umorientierung vom Studium zur Ausbildung an.

Doch war­um sind so vie­le Studierende dem Anschein nach unglück­lich mit ihrer Wahl? Annelie Breitfeld berich­tet, dass in den Beratungen häu­fig die­je­ni­gen sit­zen, die eher kurz­fris­tig ent­schie­den haben, ob und was sie stu­die­ren wol­len. „In den Gesprächen ver­su­chen wir her­aus­zu­fin­den, was die Motivation für das Studium war, also auch, ob sich jemand im Vorfeld infor­miert hat, Praktika gemacht hat oder schon mal in der Uni gewe­sen ist. Dann ergibt sich meist, dass der Entschluss zum Studium nicht inten­siv durch­dacht war“, sagt die Studienberaterin.

Sogar in höhe­ren Semestern kom­me es noch vor, dass Studierende ihren ein­ge­schla­ge­nen Weg hin­ter­fra­gen und über einen Wechsel nach­den­ken. Dann sei es wich­tig abzu­wä­gen: Welche Rahmenbedingungen muss man beach­ten, kann man sich das finan­zi­ell leis­ten, ist man in einem ande­ren Studium moti­vier­ter? „Oft ist die Not dann schon so groß, dass man an einem Punkt ange­kom­men ist, an dem es nicht mehr wei­ter­geht und man sich gene­rell umori­en­tiert“, beschreibt Breitfeld die Erfahrung, die auch Nicolas machen muss­te. Nach sei­nem Abitur 2016 hat­te er sich direkt ein­ge­schrie­ben. „Ich habe mich nach der Schule für ein Studium ent­schie­den und vor­her im Internet Informationen gesucht. Ich dach­te, was mir in der Schule Spaß gemacht hat, wird in der Uni auch funk­tio­nie­ren. Wahrscheinlich bin ich des­halb noch so lan­ge dabeigeblieben.“

Ein Abbruch oder Zweifel am Studium müs­sen also nicht unbe­dingt das Karriere-Aus bedeu­ten. Entscheidend ist, dass man sich über Alternativen und Bedingungen im Klaren ist. Sollte man sei­ner Alma Mater tat­säch­lich den Rücken keh­ren, befin­det man sich zumin­dest in der Gesellschaft von Steve Jobs und Bill Gates, die bei­de ihr Studium nicht abschlossen.

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