Ab 1694: Gründung der Universität
Die Universität Halle bot seit ihrer Gründung Unterricht in modernen Sprachen, v.a. Französisch und Italienisch, an. Die Lehrenden – Sprachmeister genannt in Anlehnung an die Handwerksmeister – waren meist einfachen Dienern gleichgestellt. Alle gut Situierten wollten vor allem die Modesprache Französisch lernen, die Sprachmeister waren daher gefragt, mussten sich aber meist mit prekärer Beschäftigung und kärglichem Einkommen begnügen. An der Universität gab es in der Regel einen besoldeten Lecteur Public; weitere Lektoren durften Kurse anbieten und lebten vom Kursgeld der Studenten oder von privatem Unterricht.
Nach den Stall-, Fecht- und Tanzmeistern werden die Sprachmeister namentlich auch in der berühmten Dreyhauptschen Chronik genannt (§ 4):

Halle war zum einen wegen der zahlreichen Schulen und der Universität für die Sprachmeister ein recht gutes Pflaster. Dies zog allerdings so viele Lehrende an, dass die starke Konkurrenz wiederum zu Einkommensverlust und Abwanderungszwang führte. Insgesamt waren in Halle zwischen 1694 und 1815 über 40 Sprachmeister des Französischen tätig, davon – vor allem an den Schulen – etwa ein Drittel deutscher Herkunft, hinzu kamen 8-10 Sprachmeister des Italienischen. Einige unterrichteten auch mehrere Sprachen.
1814 bewarb sich Ernst Wilhelm Gottlieb Wachsmuth an der Universität, mit einem Brief in der in der Sprache, die er unterrichten möchte, Italienisch:
”Da molti anni in que mi sono occupato delle lingue moderne, nate del Latino, principalmente ho messo ogni mio studio ad imparar a fondo la lingua Italiana, come la più armoniosa, delicata ed agradevole figlia della maestosa madre.” (Voretzsch 1905:6ff).
Bereits 1811 hatte er in Halle die Dissertation Comparatio grammatica lingua Gallicae et Italicae cum matre Latina verfasst, die Voretzsch in die Anfänge der romanistischen Fachgeschichte einschreibt:
Die ‚Vergleichung des Französischen und Italienischen mit der lateinischen Muttersprache‘ ist meines Wissens die einzige wissenschaftliche Leistung Wachsmuths auf romanistischem Gebiet geblieben. Sie ist aber auch so ziemlich das einzige derart, was in jener Frühzeit unserer Wissenschaft in Deutschland geleistet worden ist. Mag sie auch vom Vergleichen nicht zum historischen Erkennen fortschreiten und sich in ihren allgemeinen Anschauungen zu sehr an Adelungs Mithridates anschliessen, so bleibt sie darum nicht minder eine bemerkenswerte Probe wissenschaftlicher Betrachtung romanischer Sprachen, um so bemerkenswerter als sie Raynouard und Diez noch voraufgeht (Voretzsch, Carl: 1905:23).
Die Universität nahm Wachsmuths Ersuchen an, allerdings ohne Gehalt. Noch vor seiner Habilitation bat er darum, fachwissenschaftliche Veranstaltungen zu seinem Promotionsthema anbieten zu dürfen und wurde bald mit Zustimmung der Fakultät, da er „kein gewöhnlicher Sprachmeister ist, sondern Philosophie und Geschichte mit seiner Kenntnis alter und neuer Sprachen verbindet“ (Voretzsch 1905:9) zum außerordentlichen Professor ernannt. Neben seinen Sprachkursen des Italienischen und Englischen gab er Kurse zu Shakespeare, zur Universalgrammatik, zu Platons „Cratylos“, Grundlagen der Metrik. Bereits 1820 verließ er Halle und wird heute vor allem als Historiker und Geschichtstheoretiker wahrgenommen.
Auch als sich Ludwig Gottfried Blanc nach Aufforderung durch die Universität 1821 für eine außerordentliche Professur „der südlich romanischen Sprachen“ bewarb, frohlockte das preußische Ministerium, dass Blanc offensichtlich bereit sei, „die gewünschte Laufbahn daselbst ohne alle Remuneration zu betreten“ und bat darum, gründlich zu prüfen, ob es möglich sei, „die eigentlichen Sprach Meister bei der Universität ganz zu entbehren“. (Voretzsch 1905:27-28), was die Universität entschieden ablehnte.
War Halle damit [i.e. die Berufung Blancs] bereits die erste Universität, die einen deutlichen Unterschied zwischen einer wissenschaftlichen Behandlung der romanischen Sprachen und der Methode der damals üblichen Sprachmeisterei machte, so ging sie noch vor Bonn einen entscheidenden Schritt weiter. (…) Blanc war damit der erste ordentliche Professor für romanische Philologie an einer deutschen Universität und überhaupt an einer Hochschule. Die Universität Halle konnte damit auf den ersten und längere Sicht auch einzigen Lehrstuhl speziell für romanische Philologie verweisen.[1] (Seidel-Vollmann 1977:30)
[1] Anmerkung: Friedrich Diez in Bonn war formal noch bis 1830 Lektor und dann außerordentlicher Professor; auch musste er das Englische mitbedienen.