Clair Lavoipière

Ein besonders tragisches Schicksal ereilte durch die politischen Wirren des 20, Jahrhunderts den Lektor Clair Lavoipière und seine Frau.

Lavoipière (1878-1929) stammte aus Paris, aus einer „vieille famille d’universitaires“[1] Er hatte mit einer Arbeit zu Leconte de Lisle in Prag promoviert, wo er von 1904 bis 1907 Lektor war und zugleich Slavische Philologie studierte. Nach Stationen als Lektor in Rostock und am Hamburgischen Kolonialinstitut wurde er 1913 in Halle als Lektor eingestellt, nachdem er die Stelle bereits ab 1912 vertreten hatte. Neben reinen Sprachkursen gab er auch Lehrveranstaltungen zur französischen Literatur und Grammatik und war Mitherausgeber französischer Klassiker und Anthologien für Studenten beim Verlag Velhagen und Klasing.

In den Berichten der Halleschen Romanisten aus der Zeit des 1. Weltkriegs wird auch sein Schicksal erwähnt:

Lektor Dr. Lavoipière wurde sogleich auf französischer Seite eingezogen, aber noch im selben Jahr, 1914, spassiger Weise von einem ihm bekannten Hallenser gefangen genommen und nach dem Sennelager transportiert.[2]

Aus dieser Kriegsgefangenschaft ließ sich Lavoipière nach Halle entlassen und Voretzsch stellt ihn umgehend zum 1. Februar 1919 wieder ein, was ihm heftige Angriffe in einer Halleschen Tageszeitung[3] einträgt, auf die er ebenfalls öffentlich entgegnet:

Die Universitätsbehörde hat für möglichst gründlichen und vielseitigen praktischen Unterricht in den modernen Sprachen zu sorgen und muß dazu geborene Ausländer gerade jetzt um so mehr heranziehen, als unseren Neuphilologen in den nächsten Jahren, ja Jahrzehnten jeder Aufenthalt in Frankreich unmöglich sein wird.“[4]

In einer weiteren Leserbrief schreibt ein nicht genannter Leser:

…es kann einem ehrliebenden Deutschen nicht zugemutet werden, sich mit einem Angehörigen dieser Schlächter deutscher Ehre an einen Tisch, geschweige denn vor sein Katheder zu setzen!“[5]

In den Halleschen Nachrichten vom 21. März 1921[6] wird dann vermeldet, der Französische Lektor Lavoipière habe zum 10. März 1921 „die Staatsangehörigkeit in Preußen durch Einbürgerung erworben“.

Er wird noch bis zu seiner krankheitsbedingten Frühpensionierung 1927 (er litt an Lähmungen des Sprechapparates, wohl ausgelöst durch Schlaganfälle oder Hirninfarkte) in Halle lehren.

Tragisch ist das auch Schicksal seiner Ehefrau Seraphine (1871-1943). Sie musste nach dem Tode ihres Mannes immer wieder um ihre Witwenpension kämpfen. Im September 1939 erhielt sie die Nachricht, dass diese zunächst bis 1944 weitergezahlt werden kann. Da Seraphine Lavoipière wohl schon einmal verheiratet war und vor ihrer 2. Ehe den Namen Mankes und nicht ihren Geburtsnamen Davidsohn geführt hatte, wusste die Universität offensichtlich nichts von ihrer jüdischen Herkunft. Anderen Behörden war diese jedoch nicht verborgen geblieben: Seraphine Lavoipière wurde 1942 im September 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie im Februar 1943 starb.[7]


[1] Vgl. UAHW, PA PA 9931 Lavoipière

[2] Es handelte sich um den ehemaligen Hallenser Romanistikstudenten und später en Mittelschulrektor Paul Bonin, der umgehend an Frau Lavoipière schreibt und sie über den Verbleib und das Wohlergehen ihres Mannes informiert, UAHW PA 9931 Lavoipière

[3]  Am 25.6.1919, vgl. Personalakte Lavoipière UAH Rep.11, PA 9931, S. 6

[4] Am 26.6.1919; ebd.

[5] Ebd.

[6] Personalakte Lavoipière, a.a.O., S. 13

[7] Gedenkbuch für die Toten des Holocaust in Halle, https://www.gedenkbuch.halle.de/gbdatensatz.php?num=158. In der Wielandstraße gibt es einen „Stolperstein“ für sie.

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