Victor Klemperer

© Bundesarchiv, Bild 183-16552-0002 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 DE [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en (letzter Zugriff: 15.07.25)], via Wikimedia Commons.

Klemperer (1881-1960) verließ zunächst das Gymnasium und nahm eine kaufmännische Lehre auf. 1902 holte er das Abitur nach und studierte Philosophie, Romanistik Germanistik. Ohne Studienabschluss arbeitete er bis 1912 als freier Publizist in Berlin, bevor er sein Studium 1913 in München mit einer germanistischen Promotion abschloss. Bereits 1914 habilitierte er sich dort bei dem Romanisten Karl Vossler.

Nach einem Jahr als Lektor für deutsche Sprache an der Universität Neapel meldete er sich im November 1915 als Kriegsfreiwilliger. 1920 wurde er als Professor für Romanistik an die Technische Hochschule Dresden berufen.

Aufgrund seiner jüdischen Herkunft wurde Klemperer 1935 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. 1940 vertrieben die Nationalsozialisten die Klemperers[2] aus ihrem Haus; sie lebten danach „in verschiedenen Judenhäusern der Stadt Dresden“, wie Klemperer im „Entnazifizierungs-Fragebogen schrieb.[3] Die Luftangriffe auf Dresden in der Nacht vom 13. zum 14. Februar 1945 nutzten sie zur Flucht und entkamen so der für den 16. Februar drohenden Deportation. Im November 1945 konnte Victor Klemperer auf seine Professur in Dresden zurückkehren.

1948 kam er nach Halle, wo er auch nach seiner Emeritierung bis 1958 weiter lehrte, obwohl er ab 1951 zugleich eine Professur an der Humboldt-Universität zu Berlin innehatte. Und vor allem als Lehrender ist er im Gedächtnis geblieben. Der Hörsaal war immer voll, auch mit Studierenden anderer Fächer. Klemperer sprach frei, den kleinen Zettel mit einigen Daten und Zahlen, den er dabeihatte, nannte er seinen „Schnuller“.[4]

Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete Klemperer im Mai 1952 die 45 Jahre jüngere Romanistikstudentin Hadwig Kirchner (1926–2010), die später viele Jahre als Lehrbeauftragte am Institut für Romanistik in Halle tätig war und maßgeblich an der Herausgabe seiner Tagebücher mitwirkte.

Hadwig Klemperer, Abb. In H.K. Im Spiegel lebendiger Erinnerung, S. 20, 37; © Deutsche Fotothek

Durch die Publikation seiner zeitlebens geführten Tagebücher[5] ist Klemperer heute über die Fachwelt hinaus bekannt. Sie geben ein umfassendes Bild des Alltagslebens im Nationalsozialismus; darin lassen sich die systematische Ausgrenzung Klemperers als Wissenschaftler und Mensch ebenso wie die ständige Angst vor der Verfolgung durch die Gestapo nachvollziehen. Die täglichen Notizen legten auch die Grundlage für Klemperers bekanntestes Buch „LTI“ (Lingua Tertii Imperii, Die Sprache des Dritten Reiches), das 1947 erschien und zahlreiche weitere Auflagen erfuhr. Die Beobachtung des sprachlichen Alltags wurde für ihn, als ihm keinerlei Arbeitsmöglichkeiten mehr geblieben waren, zu seiner „Balancierstange“.

Relief Victor Klemperer auf der Bronzeplastik „Vier Wissenschaftler aus vier Jahrhunderten“ von Gerhard Geyer (1972), Nietlebener Straße, Halle, © Annette Schiller

[1] 1906 hatte Victor Klemperer die Konzertpianistin und Malerin Eva Schlemmer (1882–1951) geheiratet; die „Arierin“ hielt auch im Faschismus immer zu ihm.

[2] UAHW, PA 8946

[3] Vgl. dazu u.a. Elwert, W. Theodor, „Klemperer, Viktor“ in: Neue Deutsche Biographie 12 (1980), URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11856319X.html#ndbcontent, UAHW, Personalakte Klemperer

[4] Curriculum Vitae. Erinnerungen 1881–1918. Rütten & Loening Verlag, 2 Bände, Berlin 1989, Leben sammeln, nicht fragen wozu und warum. Tagebücher 1918–1932. Berlin 1996, Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933-1945” (1995), So sitze ich denn zwischen allen Stühlen. Tagebücher 1945–1959, 2 Bände, Berlin 1999. Die Tagebücher waren auch Grundlage der Fernsehserie Klemperer – Ein Leben in Deutschland (1999, Regie: Kai Wessel, Drehbuch Peter Steinbach)

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