Voltaire – von Paris nach Halle

(C) Cédric Ludwig


Der Aufklärer François-Marie Arouet (1694-1778), genannt Voltaire war nicht nur 1753 in der Großen Märkerstraße bei Prof. Siegmund Jakob Baumgarten für einen Tag zu Gast in Halle, sein Wirken war und ist auch immer wieder Gegenstand Hallescher Forschungen. So nannte Victor Klemperer den ersten Band seiner Geschichte der Französischen Literatur im 18. Jahrhundert „Das Jahrhundert Voltaires“ (Berlin 1954, der zweite Band „Das Jahrhundert Rousseaus“ erschien posthum in Halle 1966). Auch das Interdisziplinäre Zentrum für die Erforschung der Europäischen Aufklärung beschäftigt sich immer wieder mit ihm.

Zudem ist er eine der am häufigsten dargestellten Personen seiner Zeit. Ganz besonders berühmt geworden sind die Büsten von Jean-Antoine Houdon (1741-1828), dessen Werke sich in Museen in aller Welt befinden. Er schuf mehrere Darstellungen Voltaires, von denen einige bis heute als Marmornachbildungen, aber auch als Keramik- bzw. Gipsabgüsse in verschiedenen Größen vor allem nach Kopien aus dem 19. Jahrhundert zu erwerben sind.

Die Büste soll ein Detail der lebensgroßen Statue Houdons “Voltaire assis”, die Houdon 1778 (Voltaire war damals 83 Jahre alt) von Voltaires Nichte in Auftrag gegeben und der Comédie Française geschenkt wurde. Eine zweite Version schuf Houdon für Katharina die Große von Russland.[1]

Dem Institut wurde die Büste nach dem Tode von Professor Friedrich Klincksieck (1860-1928) geschenkt, wie es die aufgebrachte Inschrift „Erinnerung an Professor Dr. Friedrich Klincksieck dem Roman. Seminar geschenkt von Frau Prof. Dr. Klincksieck“ im Stil der Zeit ausweist.

Seminar- und Bibliotheksraum, um 1955, AIR

Friedrich Klincksieck war der Sohn des Buchhändlers und Verlegers gleichen Namens, der mit den Éditions Klincksieck in Paris einen angesehenen und bis heute existierenden Verlag für wissenschaftliche Literatur aufgebaut hatte. Der Sohn arbeitete zunächst in der Buchhandlung des Vaters, und hörte nebenbei Vorlesungen über französische Literatur und Sprache an der Universität Paris. Ab 1883 studierte er neuere Philologie zunächst in Leipzig, dann in Marburg, wo er ab 1888 wissenschaftlicher Assistent und Lektor für französische Sprache war und 1890 promovierte.

1893 kam er als Oberlehrer an das Städtische Gymnasium in Halle und wurde dort 1906 zum Professor ernannt. Seit 1914 war er aushilfsweise, ab 1919 als Angestellter Lektor für Französisch an der Universität Halle-Wittenberg. Er verfasste auch verschiedene Lehrmaterialien für die Schule (Der Brief in der französischen Literatur des 19. Jahrhunderts: Eine Auswahl. Hrsg.: Fr. Klincksieck. Niemeyer, Halle a. S. 1912, Französisches Lesebuch für die oberen Klassen höherer Lehranstalten. L. Ehlermann, Dresden 1928). [2]

Die Studenten hielt die Inschrift nicht davon ab, zuweilen ihren Schabernack mit dem berühmten Herrn zu treiben:

© Deutsche Fotothek; Album zum 70. Geburtstag von Victor Klemperer, Albumseite mit Abb. 15: Herren Zengler und Pichler um Voltaire-Büste, Frl. Kernecker und Kirchner, 1951


[1] https://collections.vam.ac.uk/item/O94229/voltaire-bust-houdon-jean-antoine/

[2] „Klincksieck, Friedrich Wilhelm Ludwig Johannes“, in: Professorenkatalog der Philipps-Universität Marburg <https://professorenkatalog.online.uni-marburg.de/de/pkat/idrec?id=10326> (Stand: 10.2.2025)

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