Sonifikation – Wissen durch Klang

Einleitung

An einem normalen Tag bei mir zu Hause bin ich umgeben von zahlreichen Geräuschen: unsere Waschmaschine spielt „Die Forelle“, wenn sie fertig ist; ziemlich regelmäßig klingelt der:die Postbot:in; der Espressokocher pfeift, sobald der Kaffee gekocht ist und ab und an klingelt mein Smartphone bei einer eingehenden Nachricht. All diese Geräusche, die uns tagtglich umgeben, weisen auf ein Ereignis hin oder geben uns Auskunft über ein solches. Manche dieser Geräusche mögen positiv konnotiert sein, andere können stören oder ein Unwohlsein hervorrufen. Denn Klänge sprechen uns, noch viel mehr als visuelle Eindrücke, immer auch auf einer emotionalen Ebene an (Ingwersen 2005, 332). Gemeinsam haben diese Klänge, dass sie uns so vertraut sind, dass wir sie intuitiv verstehen.

Sonifikationen, also Klangereignisse, die Informationen vermitteln, umgeben uns tagtglich. Doch es können mehr Aspekte über Klang vermittelt werden, als die bloße Mitteilung eines Ereignisses. Was genau über Sonifikationen vermittelt werden kann, welche Rolle Sonifikation im Alltag spielt und vor allem, wie Sonfikation im Alltag eingesetzt und verwendet wird, sind Themen dieses Aufsatzes. Außerdem wird behandelt, wie Gerusche Emotionen hervorrufen und wie dies von der Industrie genutzt wird. Dabei entspricht der Aufbau des Aufsatzes etwa der Entwicklung von Sonifikation: Von den Grundlagen der Sonifikationsforschung über die Nutzbarmachung von Sounds für die Produktindustrie bis hin zur angestrebten Interaktion mit Sounds. Akustische Interaktion und die Intuition der Benutzer:innen sollen dabei immer wieder Thema sein, genau so wie die Rolle von Sonifikationen im Alltag. Die Hyperlinks führen zu Audios, die die Sonifikation etwas anschaulicher untermalen. Dies reicht von Zitaten zu Klangbeispielen.

Grundlage der Sonifikation

Unter den klassischen fünf Sinnen, über die der Mensch verfügt, galt der Hörsinn dem Sehsinn lange als untergeordnet. Ihm wurde oft die Rolle des Anderen, Emotionalen, Irrationalen und Negativen zugesprochen. Wohingegen der Schrift und dem Bild vermeintliche Objektivität und Rationalität nachgesagt wurde (Volmar/Schröter 2013, 11). Das Forschungsfeld der Sonifikation stellt eine Kritik zur Auffassung dieser „Hierarchie der Sinne in der abendländischen Denktradition“ (Volmar/Schröter 2013, 14). Denn schließlich hat der Hörsinn Alleinstellungsmerkmale, die ihn von den anderen Sinnen abhebt. So ist das Ohr, anders als unser Seh- oder Tastsinn, geschult, Muster zu erkennen, Störgeräusche auszublenden und sich auf bestimmt Klänge zu fokussieren und diese zu interpretieren. Nicht nur Emotionen können durch Geräusche getriggert werden, sondern auch Informationen übermittelt und ausgetauscht werden. Hier kommt die Sonifikation ins Spiel. Was Sonifikation genau ist, welche Formen davon existieren, wo diese angewendet werden, sowie die Vorteile der Sonifikation werde ich in den folgenden Abschnitten beleuchten.

Begriffsbestimmung

Sonifikationsforschung ist ein eigenständiges und interdisziplinäres Forschungsfeld (Volmar/Supper 2018, 76). Dabei ist Sonifikation eine fluide Begriffsbezeichnung, die unterschiedliche Definitionen hat. Axel Volmar und Alexandra Supper beschreiben Sonifikation wie folgt:

Sonifikation bezeichnet die Darstellung von Daten und Signalen in Form von Klangereignissen, um Informationen über das Gehör zu gewinnen oder zu vermitteln.

Volmar/Supper 2018, 75.

Welches Ziel bei Sonifikationen verfolgt wird, erklärt Sören Ingwersen:

Umwandlung numerischer Daten in ein wahrnehmbares akustisches Signal, mit dem Ziel, die numerischen Daten besser verstehen, interpretieren oder kommunizieren zu können.

Ingwersen 2005, 333.

Thomas Hermann, seines Zeichens Leiter der Ambient Intelligence Group am CITEC in Bielefeld, legt folgende Bedingungen fest, die für eine Sonifikation zutreffen müssen (Hermann 2008, 211):

  • Der Klang korrespondiert mit Eigenschaften der Daten.
  • Die Transformation ist vollständig systematisch. Das bedeutet, dass es eine exakte Definition gibt, wie die Daten (und optionale Interaktionen) zu Klängen führen.
  • Die Ausführung (Klangerzeugung) ist reproduzierbar: mit gleichen Daten und gleichen Interaktionen müssen strukturell gleiche Klänge entstehen.
  • Das System kann mit unterschiedlichen Daten, aber auch wiederholt mit den gleichen Daten benutzt werden.

Halten wir also fest, dass es bei der Sonifikation um die akustische Repräsentation von Daten geht. Nicht-hörbare Daten werden, ähnlich wie bei der Datenvisualisierung, hörbar gemacht, indem sie in Audiodaten umgesetzt werden (Volmar/Supper 2018, 75). Dadurch werden abstrakte Daten sinnlich erfahrbar ((Volmar/Supper 2018, 75). Die Datensonifikation geht also davon aus, dass Informationen aus vormals „unsinnlichen“ Eingangsdaten durch medientechnische Übersetzung wahrnehmbar gemacht werden (Schoon/Volmar 2012, 12). Technische Interfaces, die Sonifikation vermitteln, nennt man akustische oder auditive Displays (Volmar/Supper 2018, 75).

Der Zweck von Sonifikation ist also Informationsvermittlung (Schoon/Volmar 2012, 12). Ziel ist es, spezielle Muster oder andere Zusammenhänge aus Eingangsdaten durch charakteristische auditive Gestalten erkennbar zu machen (Schoon/Volmar 2012, 11). Als konkretes Beispiel aus dem Alltag lässt sich hier die Hörbarmachung von Herzfrequenzen, das Studium von Gravitationswellen, Teile von Benutzer:innenoberflächen oder akustische Einparkhilfen nennen.

Die Voraussetzung dafür, dass diese Sonifikationen funktionieren ist, dass Hörer:innen entsprechend „geschult“ sind. Nutze ich beim Autofahren eine akustische Einparkhilfe, muss ich wissen, dass das Piepen schneller aufeinanderfolgend ertönt, je näher ich an einem Hindernis dran bin. Um solche und ähnliche Sonifikationen intuitiv zu verstehen, müssen Kausalbeziehungen der Daten auch in den Klängen vorhanden sein (Schoon/Volmar 2012, 12). So sind beispielsweise beim Computer Interface Klänge dann informativ, wenn sie sich von der Erwartung des:der Nutzer:in unterscheiden und dadurch eine Veränderung des Wissens oder des Verhaltens bewirken (Ingwersen 2005, 336). Kommt eine neue Mail an, erregt dies meine Aufmerksamkeit, auch wenn ich gerade mit anderen Dingen beschäftigt bin. Besonders Fehlermeldungen lenken unsere Aufmerksamkeit auf das vorhandene Problem. Durch die verschiedenen Sounds des PCs wissen wir, was sich an einer anderen Stelle des Desktops abspielt.

Sonifikationstechniken

Grob gesagt passiert Sonifikation mittels digitaler Signalverarbeitungs- und Klangsyntheseverfahren (Volmar/Supper 2018, 75). Die verschiedenen Verfahren zeichnen sich durch zwei wesentliche Aspekte aus: zum einen die „Transformation von Unhörbaren in hörbare Phänomene“ (Schoon/Volmar 2012, 18), wofür die Schallspeicherung, -produktion, -reproduktion und -übertragung Voraussetzungen sind. Zum anderen die „Praktiken des Hin- und Abhörens“ (Schoon/Volmar 2012, 18), hier muss der:die Hörer:in ausgebildet und diszipliniert sein um zu wissen, was mit bestimmten Klang gemeint ist. Es gibt demnach zum einen die Verkörperung beziehungsweise Re-/Präsentation von Daten, also die akustische Gestaltung. Zum anderen die Extraktion von Informationen aus bereits sonifizierten Klängen, also die Analyse dieser (Schoon/Volmar 2012, 18).

Es gibt verschiedene Ansätze von Sonifikationsverfahren: Audifikation, Paramater-Mapping- Sonifikation, Modellbasierte Sonifikation, Earcons und Auditory Icons.

Bei der Audifikation werden Messwerte umgesetzt in Schallschwingungen (Volmar/Supper 2018, 76). Ein Beispiel hierfür ist der Geigerzähler.

Die Parameter-Mapping-Sonifikation ist für mehrdimensionale Ausgangsdaten, entsprich einer Partitur und besteht aus einem Regelsystem. Zahlenwerte werden in akustischen Parametern, wie Tonhöhe, -länge oder Lautstärke dargestellt (Volmar/Supper 2018, 76). Ein Beispiel wäre die akustische Einparkhilfe.

Bei der Modellbasierten Sonifikation gibt es keine direkte Umsetzung von Daten in Klänge. Stattdessen werden dynamische, interaktive Prozesse zur Erzeugung von Klängen entwickelt (Volmar/Supper 2018, 76). Aus den Daten wird ein virtuelles Instrument abgeleitet. Durch die klangliche Qualität dieses virtuellen Instruments erfährt man den Gesamtzustand des Datensatzes und kann mit ihnen interagieren (Schoon/Volmar 2012, 12). Die Modellbasierte Sonifikation erlaubt die Auswertung komplexer Datensätze in ihrer Gesamtheit (Schoon/Volmar 2012, 12). Ein Beispiel hierfür sind Datensonogramme.

Earcons und Auditory Icons weisen auf Ereignisse hin. Earcons sind kurze Melodiefolgen oder Klänge, zum Beipsiel Klingeltöne oder Alarmtöne. Auditory Icons arbeiten eher mit gesampelten Geräuschen und haben einen Bezug zum Ereignis. Ein Beispiel wäre das Geräusch von geknülltem Papier, wenn eine Computerdatei in den virtuellen Papierkorb gezogen wird (Schoon/Volmar 2012, 12). Hier werden Alltagsgeräusche verwendet, die mit der Interaktion auf dem Computer-Desktop verbunden sind (Franinović/Serafin 2013, viii).

Anwendungsbereiche

Sonifikation im weitesten Sinne hat zahlreiche Anwendungsbereiche, beispielsweise in Wissenschaften wie der Naturwissenschaft oder den Künsten. Doch auch in der Prozessüberwachung, der Datenanalyse, der Datenexploration, bei Alarmen, Nachrichtenübermittlung, Navigation, der schnellen Zusammenfassung von Daten, der Koordination von Handlungen oder sonifikationsbasierten Spielen kommt die Sonifikation zum Einsatz (Hermann 2008, 212ff).

Fürderhin sollten bei der Gestaltung von Sounds einige Dinge beachtet werden. So sollten Soundereignisse eine kurze Dauer haben und vor allem kontinuierliche, lange Soundstreams sehr leise sein. Des weiteren sollten Soundereignisse voneinander unterscheidbar, informativ und ästhetisch ansprechend sein (Ingwersen 2005, 345).

Vorteile der Sonifikation

Die Sonifikation birgt zahlreiche Vorteile. Einige von Sören Ingwersen deklinierten Vorteile seien hier Stichpunktartig erläutert (Ingwersen 2005, 342f.):

  • Da das Ohr besonders empfindlich für Rhythmus- und Tonhöhenänderungen ist, können zeitliche Abfolgen durch das Gehör am besten wahrgenommen werden. Zudem haben Soundstreams eine hohe temporale Auflösung und können daher Messwerte in höchster Auflösung darstellen.
  • Werden Klänge eingesetzt, wird der Sehsinn nicht beansprucht. Dadurch können visuelle Displays gleichzeitig im Blickfeld bleiben.
  • Klänge sind unausweichlich und werden in dem Moment, in dem sie entstehen, wahrgenommen.
  • Klänge erleichtern die Orientierung, indem sie die Blickrichtung des Users lenken. Bei der Datenauswertung können so von der Norm abweichende Bereiche besser identifiziert werden. Auch übergreifende Beziehungen oder Trends in großen Datenmengen können durch Klänge leichter gefunden werden.
  • Es können mehrere Klänge oder kontinuierliche Soundstreams parallel wahrgenommen werden. Dies ermöglicht es, Prozesse miteinander zu vergleichen oder aufeinander zu beziehen.
  • Klänge sprechen uns emotional an, erleichtern das Lernen und vermitteln intuitiv erfassbare Informationen.

Trotz all dieser Vorteile bleibt jedoch zu beachten, dass es, genau wie beim Sehen, auch beim Hören zu Täuschungen und Fehlinterpretationen kommen kann (Hermann 2009, 69).

Product Sound Design

Nicht nur die Optik eines Produktes kann zum Kauf anregen und eine Markenidentität herstellen. Der auditive Charakter eines Produktes ist mindestens genau so wichtig. Dass dieser angepasst und geändert wurde hatte zunächst allerdings funktionale Gründe. Lärmreduzierung und akustische Symbole, wie zum Beispiel Notfallsignale, standen zunächst im Mittelpunkt (Franinović/Serafin 2013, viii). Mittlerweile versuchen Unternehmen möglichst viele Sinne der Nutzer:innen anzusprechen, um sich von der Konkurrenz abzuheben und ihre Konsument:innen langfristig an ihre Marke zu binden (Steiner 2018, 267). Dabei gibt es zwei Anwendungsbereiche vom Sound Design: zum einen die Gestaltung von Klängen für das Marketing, zum anderen die Geräusche die während der Nutzung eines Produktes entstehen (Steiner 2018, 267).

Welchen emotionalen Wert das Geräusch eines Produktes haben kann und wie Sounddesign in der Automobilindustrie eingesetzt wird, werde ich in dem nun folgenden Abschnitten erläutern.

Der emotionale Wert

Seit den 1950er Jahren bewerten Unternehmen die Geräuschpegel ihrer Produkte um die mechanischen Konstruktionen dieser entsprechend zu ändern. Anfangs sollte dabei lediglich die Lärmbelästigung für die benutzende Person verringert werden (Franinović/Serafin 2013, viii). Doch schnell ging es nicht mehr nur um die Beseitigung unerwünschter Geräusche, sondern auch um ein akustisches Feedback der Produkte (Ingwersen 2005, 332). So kann durch die Verbesserung des Gebrauchsklang eines Produktes eine Produktidentität geschaffen werden, beispielsweise bei der Öffnung einer Parfümflasche oder dem Schließen einer Autotür (Franinović/Serafin 2013, viii).

Auch abseits der Sonifikation sind wir es gewohnt, dass eine Interaktion mit einem natürlichen Objekt Geräusche kreiert. Durch die Art und Weise des Klanges, den eine Interaktion hervorruft, können wir zahlreiche Informationen über dessen Quelle beziehen (Serafin et al. 2001, 94). Diese Interaktion lässt sich auch auf Produkte übertragen. Bekommen wir ein akustisches Feedback eines Produkts, kann uns dies zum einen Informationen übermitteln, zum anderen werden Emotionen in uns hervorrufen. So kann das Sounddesign die Qualität eines Produktes enorm verbessern. Beispielsweise hat die akustische „Knusprigkeit“ von Lebensmitteln wie Cornflakes oder Chips einen Einfluss auf unseren Geschmackssinn (Franinović/Serafin 2013, viii). Um diese oral- somatosensorische Wahrnehmung zu untersuchen, machten Zampini und Spence eine Studie, in der die Teilnehmer:innen die Frische von Pringles bewerten mussten. Sie fanden heraus, dass je lauter der Kartoffelchip beim kauen war, desto knuspriger und frischer dieser von den Teilnehmer:innen bewertet wurde (Spence 2016, 86). Hier hat also das Geräusch des Chips einen unmittelbaren Einfluss auf den Geschmack. Und so haben Pringles ihre charakteristische Form nicht nur, damit sie sich besser stapeln lassen, sondern auch wegen des besonders „crunchy“ Geräusches.

Gleichzeitig soll der Klang eines Produktes die Identität einer Marke zum Ausdruck bringen und bestimmte Verbraucher:innen ansprechen (Cleophas/Bijsterveld 2001). Ein Produkt oder eine Dienstleistung kann immer auch eine Identifikationsfunktion für den:die Konsument:in sein (Steiner 2018,1). Der Erlebniswert eines Produktes übertrifft mittlerweile gar den funktionalen Wert: „Wie sich ein Gerät anfühlt, riecht oder anhört und wie es zur Identität des Käufers passt, ist ebenso wichtig geworden wie sein Aussehen“ (Cleophas/Bijsterveld 2001). Zur Akustischen Markenführung gehören auch Sound Logos, welche die populärsten akustischen Markenelement sind. Zu den berühmtesten der Welt gehören die Sound Logos von der Deutschen Telekom, BMW, Intel und der Lufthanse (Steiner 2018, 112). Sound Logos sollen dabei zum einen die Markenidentität präsentieren und die Emotionalität der Marke widerspiegeln ((Steiner 2018, 127).

Um die akustische Belästigung von Produkten wie Staubsaugern oder ähnlichem zu charakterisieren, werden heutzutage Messungen vorgenommen. Um den richtigen Sound für ein Produkt zu finden können entweder Laborversuche oder Marktanalysen unternommen werden (Serafin et al. 2011, 98). Was bei solchen Untersuchungen auch berücksichtigt wird, sind emotionale und kognitive Reaktionen auf die Aspekte eines Produktes. Hier greifen Benutzer:innenpräferenztests ein, die eben jene emotionale Reaktionen auf die Geräusche von Produkten untersuchen (Franinović/Serafin 2013, viii).

Sounddesign in der Automobilindustrie

Eines der frühesten Artefakte, welches der Lärmregulierung und dem Sounddesign unterworfen wurde, ist das Auto (Bijsterveld/Krebs 2013, 5). Anfangs war der Lärm, den Benzinautos machen, noch positiv konnotiert. Nicht für alle erschwinglich, stand der Lärm eines Verbrennungsmotors für Macht und Wohlstand und ermöglichte es, Umstehende zu beeindrucken (Cleophas/Bijsterveld 2001). Erst in den 1920er Jahren begannen Automobilhersteller damit zu werben, dass ihre Autos besonders leise seien. Da die Automobilindustrie zu dieser Zeit stark mitgenommen von der Wirtschaftskrise war, mussten neue Verkaufsargumente her. So warben sie mit besonders leisen Autos, die ihre Benutzer:innen nicht durch Geräusche belästigten (Cleophas/Bijsterveld 2001). Außerdem betonten Ingenieure, dass Geräuschreduzierung eine höhere Motoreffizienz bedeute und damit eine längere Lebensdauer des Motors einhergehe (Cleophas/Bijsterveld 2001).

In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre nahmen zudem die Protest gegen den Verkehrslärm zu (Cleophas/Bijsterveld 2001). Es wurden Vorgaben erlassen, die die Ausstattung der Auspuffrohre mit Schalldämpfern vorschrieben. Außerdem wurde die Höchstzahl der Dezibel, die Autogeräusche und Hupen verursachten, reguliert (Cleophas/Bijsterveld 2001). Mittlerweile ist das Sounddesign in der Automobilherstellung eine richtige Industrie: BMW beschäftigt 150 Akustik-Ingenieure, Ford etwa 200 (Cleophas/Bijsterveld 2001). Welch emotionalen Wert vor allem das Motorengeräusch für viele Nutzer:innen hat, zeigt sich zum Beispiel daran, dass Porsche versuchte die Motorengeräusche gleich klingen zu lassen, als sie den Motor wechselten (Cleophas/Bijsterveld 2001).

Sonic Interaction Design

Wir sind es gewohnt, mit allen möglichen Dingen zu interagieren. Wir interagieren mit unseren technischen Endgeräten, mit Spielen und Bildern. Nur mit Sounds ist es schwer, in eine Interaktion zu treten und damit vom passiven Hörer:in zum Akteur:in zu werden. Auf Geräusche zu reagieren und dadurch neue und andere Geräusche hervorzurufen ist Bestandteil der Interaktiven Sonifikation und des Sonic Interaction Design, kurz SID. Beide Gebiete werden nun kurz beleuchtet.

Interaktive Sonifikation

Die Interaktive Sonifikation ist ein Teilgebiet der Sonifikation, die ihr Hauptaugenmerk darauf legt, wie die Interaktionsschleife zwischen Mensch und Sonifikation geschlossen wird (Hermann 2008, 220). Ziel ist es, Sonifikationstechniken interaktiver zu gestalten.

Ähnlich wie beim Sehen durch das Zusammensetzen verschiedener Perspektiven ein 3D Bild entsteht, sammeln wir auch beim Hören Teilaspekte der gesuchten Information (Hermann 2008, 221). „Interaktion ist der Schlüssel zum Sammeln sich ergänzender Teilbilder des Ganzen, die im Gehirn dann zu einer Gesamtinterpretation zusammengesetzt werden“ (Hermann 2008, 221.) Anders als das bloße Hören bei einer „normalen“ Sonifikation ist diese Interaktion vor allem bei der Exploration und Analyse von Daten wichtig (Hermann 2008, 221). Um mit Klängen interagieren zu können, gibt es verschiedene Verfahren. Beispielsweise fungiert der audiohaptische Ball als Interface zur Interaktion mit Sonifikationsmodellen. Er reagiert auf jedes Schütteln, drücken, anschlagen und quetschen mit einem Klang (Hermann 2008, 221).

Abbildung 1: Audiohaptischer Ball

SID

An der Schnittstelle zwischen auditory displays, ubiquitous computing (also der allgegenwärtigen Informationverarbeitung), Interaktionsdesign und interaktiver Kunst befindet sich Sonic Interaction Design, kurz SID. Dabei handelt es sich um ein interdisziplinäres Forschungs- und Praxisfeld, in dem erforscht wird, wie Klang zur Informations- und Bedeutungsvermittlung genutzt werden kann (Franinović/Serafin 2013, vii). Der Fokus liegt hierbei vor allem auf dem interaktiven Charakter: auch ästhetische und emotionale Qualitäten sollen in einem interaktiven Kontext durch Klänge vermittelt werden (Franinović/Serafin 2013, vii). Und auch an Mensch – Maschinen Schnittstellen müssen Informationen erfahrbar werden. SID sieht Klang als ein Medium, welches neue phänomenologische und soziale Erfahrungen mit und durch interaktive Technologie ermöglicht (Franinović/Serafin 2013, vii). Das Ziel hierbei ist, die bestehende Forschung zu interaktiven Sounds zu erweitern und neue Anwendungsbereiche und Praxisfelder zu fördern (Franinović/Serafin 2013, vii). Dabei wird Wissen aus verschiedenen Bereichen, wie der interaktiven Kunst, elektronischer Musik, den Kulturwissenschaften, Psychologie, Akustik oder der Kognitionswissenschaft miteinbezogen (Franinović/Serafin 2013, x).

Wie man am Bereich des SID sehen kann, können durch Klang viel mehr Informationen übermittelt werden, als die bloße Mitteilung eines Ereignisses (Hermann 2008, 214). Die Herausforderung liegt hier in der Schaffung von interaktiven, adaptiv akustischen Interaktionen, die auf die Gesten von einem oder mehreren Benutzer:innen reagieren (Serafin et al. 2011, 87). Das ist in erster Linie eine technische Herausforderung. Daher geht die Forschung erstmal weg von einer rein technischen Reproduktion vorhandener Instrumente und Alltagsgeräusche, wie dies bei der Sonifikation der Fall ist, hin zur Erforschung von Grundsätzen und Methoden (Serafin et al. 2011, 88).

Vor allem in der Wahrnehmungs- und Kognitionswissenschaft hat sich der Fokus vom Menschen als Empfänger auditiver Reize auf die Wahrnehmungs- und Handlungsschleifen verlagert, die durch akustische Signale vermittelt werden (Serafin et al. 2011, 88). Wie schon bei dem Sounddesign von Produkten erwähnt, rufen Geräusche Emotionen hervor und beeinflussen somit, ob der:die Nutzer:in das Gefühl hat, die Kontrolle zu haben. Im Bezug auf SID haben Klänge vor allem einen Einfluss darauf, ob eine Interaktion gelingt und erfolgreich ist oder nicht (Serafin et al. 2011, 88).

Schlussteil

Wie wir also festgestellt haben, kann uns über Sonifikation eine Bandbreite an Informationen vermittelt werden: von Körperfunktionen, über Alarmsignale, bis hin zu Produkteigenschaften. Wenn ich am PC bin und ein Sound ertönt, kann ich allein anhand dessen unterscheiden, ob ich eine E-Mail bekommen habe, eine WhatsApp Nachricht oder eine Systemmitteilung. Viele dieser Informationen nehmen wir lediglich passiv wahr, wie an dem Beispiel mit den Pringles zu sehen ist. Die vermeintliche Frische eines Produktes anhand des Geräusches zu bewerten, passiert unbewusst und hat trotzdem einen großen Einfluss auf unsere Wahrnehmung. Andere Informationen die uns über Sonifikationen vermittelt werden, nehmen wir hingegen ganz bewusst wahr. Ob wir sie nun unbewusst oder bewusst hören, Sonifikationen umgeben uns die gesamte Zeit. Da wir durch die Digitalisierung immer mehr von technischen Geräten umgeben sind und einer ständige Informationsflut ausgesetzt sind, die wir vor allem visuell wahrnehmen, können wir über das Auditive Informationen wahrnehmen, die uns vielleicht ansonsten entgehen würden. Dem Hören können wir uns nicht entziehen. Gerade deswegen ist es umso wichtiger, sich damit bewusst auseinander zu setzen und zum einen darauf zu achten, welche Geräusche uns umgeben und zum anderen welche Emotionen sie in uns hervorrufen.

So oder so bleibt es vor allem spannend, weiter zu beobachten, wie sich das noch junge Forschungsfeld des Sonic Interaction Designs entwickeln wird.

Literaturverzeichnis

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Steiner, Paul (2018) Sound Branding. Grundlagen akustischer Markenführung. Wiesbaden: Springer Fachmedien Gabler.

Volmar, Axel/Schröter, Jens (2013) Einleitung: Auditive Medienkulturen. In: Auditive Medienkulturen. Techniken des Hörens und Praktiken der Klanggestaltung. Hg. v. Axel Volmar & Jens Schröter. Bielefeld: transcript, S. 9-34.

Volmar, Axel/Supper, Alexandra (2018) Sonifikation. In: Handbuch Sound. Geschichte – Begriffe – Ansätze. Hg. v. Daniel Morat & Hansjakob Ziemer. Stuttgart: J. B. Metzler Verlag, S. 75-79.

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Hermann, Thomas (2008) Daten Hören. Sonifikation zur explorativen Datenanalyse. In: Sound Studies: Tradition – Methoden – Desiderate. Eine Einführung. Hg. v. Holger Schulze. Bielefeld: transcipt, S. 222.

Soundverzeichnis

Sound Datensonogramm: https://pub.uni-bielefeld.de/download/2703564/2703566 (letzter Zugriff am 29.09.2021)

Sound Pringles Werbung: Werbung Pringles 2011 [https://www.youtube.com/watch? v=vaz9gSI0ABw&t=8s (letzter Zugriff am 29.09.2021)]

Sound Logo Telekom: „Telekom Ohrwurm-Macher feiern 20 Jahre Sound-Logo“ 2019 [https://www.youtube.com/watch?v=DDqdk_h2Pvo (letzter Zugriff am 29.09.2021)]

Sound Geigerzähler: 3 HOURS of Geiger Counter Sounds – Radiation Detector Chernobyl – Immersive Soundscape [https://www.youtube.com/watch?v=VMsjlEft0K0&t=50s (letzter Zugriff am 29.09.2021)]

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