Nachdem mich die Leiterin der Marienbibliothek Halle heute zur Mittagspause mit einem schönen Link zum Angebot von einestags zu alten Berufen und ihrer Bebilderung an meine Blogpflichten erinnerte, möchte ich die Pause doch gleich für die Erklärung des Berufes des Geschlachtwandners, Gewandschlachter oder Schlachtgewanter nutzen.
Im Internet hat dieser alte Beruf schon eine kleine Deutungsgeschichte hinter sich gebracht und mutierte dabei etwa zum „Geschlachtswanderer„, einer vermuteten Art von mobilen Metzger. Auch wenn die direkte Übertragung des Wortteils „Geschlacht“ solche Schlüsse nahelegen könnte, mit dem Tipp des Fleischers liegt der Ratende leider deutlich, wenn auch nicht völlig daneben. Allerdings repräsentiert das Metzgerhandwerk Vertreter eines „ungeschlachten“ Berufszweiges. Man bewegt sich also im Bereich der Antonyme zum Wort „geschlacht“. Während jedoch das Wort „geschlacht“ aus unser heutigen Sprache mit Ausnahme einiger weniger Dialekte verschwunden ist, blieben Bezeichnungen für „ungeschlacht“ in einigen Formen und Bedeutungen erhalten: Eben auch in der Berufsbezeichnung des Schlachters.
Schaut man in einem einschlägigen Wörterbuch nach, so findet man im Grimmschen Wörterbuch etwa den Verweis auf das althochdeutsche Wort „gislaht“ oder mittelhochdeutsch „geslaht“, was so viel wie „Geschlecht“ bedeutet. Aber natürlich haben wir es hier auch nicht mit einem Geschlechtswandner oder etwa Geschlechtswandler im wortwörtlichem Sinn zu tun! Dennoch wandete der gesuchte Beruf Geschlechter. „Geschlacht“ bedeutet nach Grimm so viel wie „von Natur und Art eigen“ oder „angemessen“. Adelung und Krünitz verweisen eher auf die Wortbedeutung „wohlgestaltet“ und „von guter Art“.
Der zweite Wortteil „wandner“ ist einfacher zu erschließen. Das Gewand ist bis heute eine wenn auch nicht mehr allzu moderne, so doch durchaus gängige Bezeichnung für Bekleidung aus Stoffen aller Art. Eine umfängliche etymologische Herleitung des erst im 12. Jahrhundert auftauchenden Begriffes legte bereits vor mehr als hundert Jahren H. Wunderlich vor.
Zusammengesetzt ergibt der Beruf also die Tätigkeit eines „Feintuchmachers“ oder „Feintuchwebers“. Es handelte sich, im Gegensatz zur Berufsgruppe der Loder (Grobtuchmacher), also um die Spezialisten bei der Verfertigung edler und hochwertiger Stoffe. Welche Stoffe von welchem Geschlecht bzw. Stand zu tragen waren, regelten vor allem die zahlreichen Kleiderordnungen der Frühen Neuzeit bis ins kleinste Detail. Von daher wäre also selbst die Vorstellung eines „Geschlechtsgewandners“ nicht grundverkehrt. Die Zunft der Feintuchmacher bzw. Geschlachtwander ist aus vielen Städten als häufig einflussmächtige Berufsgruppe bekannt. 1555 nennt der Augsburger Reichsabschied sie als eine der wichtigsten Zünfte des Tuchmacherhandwerks, die relativ frühzeitig zur gewinnorientierten Produktion übergingen und daher in dieser Quelle reglementiert wurden.
Quellen:
Abschied der Röm[isch] königl[ichen] Majestät und gemeiner Stände auff dem Reichs-Tag zu Augsburg auffgericht, im Jahr 1555, § 136, Digitale Quelle in: Internetportal Westfälische Geschichte [http://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/portal/Internet/finde/langDatensatz.php?urlID=739&url_tabelle=tab_quelle].
Adrian Beier, Allgemeines Handlungs- Kunst- Berg- und Handwercks-Lexicon, Jena 1722, S. 146 [Google.Buchsuche: http://books.google.de/books?id=goRHAAAAYAAJ&dq].
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, 16 Bde. in 32 Teilbänden, Leipzig 1854-1961, hier Bd. 5, Sp. 3896 sowie Bd. 6, Sp. 5237, [http://dwb.uni-trier.de/Projekte/WBB2009/DWB/wbgui_py?bookref=5,3896,65&mode=&prefix=ges&patternlist=].
Wilfried Reininghaus, Gewerbe in der frühen Neuzeit, München 1990, S. 25f.
H. Wunderlich, Gewand und Gewaete, in: Indogermanische Forschungen. Zeitschrift für Indogermanische Sprach- und Altertumskunde 14, 1903, S-. 406-420, [Reprint Online: De Gruyter: [http://www.reference-global.com/doi/pdf/10.1515/9783110242560.406]], S. 406-420.
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