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Archive for April, 2011

Apengeter oder Affengießer

Montag, April 18th, 2011

Heute beschäftigt uns der Werdegang des Apengeters. Dieser Beruf, der heute nur noch überaus selten zu finden ist, verkörpert sozusagen die umgekehrte Geschichte des Hasennegers. Hier ist es nicht die Verballhornung des Wortes, die uns bei der etymologischen Erschließung des Tätigkeitsfeldes wenig weiter hilft. Sondern es handelt sich hier eher um eine Verlustgeschichte des Berufes selbst. Denn der Apengeter übte bereits im 14. Jahrhundert einen im mittelniederdeutschen Sprachbereich sehr häufig ausgeübten Beruf aus. Es geht um den sogenannten Rotgießer. Im 18./19. Jahrhundert übersetzten die Autoren des lexikalischen Weltwissens dieses Wort mit der Tätigkeitsbezeichnung des „Affengießers“.

Wie in vielen Zünften so teilte sich die Arbeit auch im Gießerhandwerk entlang einzelner Verfahren, Techniken, verarbeiteten Materialien oder Arbeitsschritten. Sehr viele Zünfte arbeiteten daher hoch spezialisiert. Neben den Rotgießern (Bronze, Messing) existierten andere Berufsgruppen wie etwa die Gelb- oder Grapengießer. Daneben produzierten Kannengießer, Stückgießer oder Glockengießer. Wie strikt auf solche Differenzierungen noch im 19. Jahrhundert gepocht wurde, zeigt die Definition des Rotgießers in Pierers Universal-Lexikon von 1862. Danach oblag dem Berufszweig nur das Gießen von hohlen und nicht zusammengelöteten, sondern lediglich verschraubten Waren.

Affenbecher, http://www.affen.ch/DesktopDefault.aspx?tabindex=11&tabid=2058&langid=1

Affenbecher

Die zahlreichen genealogischen Online-Berufsdatenbanken beschreiben den Apengeter als Produzent von Handwassergefäßen, Bütten, Taufbecken bzw. anderem liturgischen Gerät und kleineren Glocken. Dies ist zwar nicht grundsätzlich falsch, allerdings dürfte sich in dieser Tätigkeit bereits eine Ausdifferenzierung ihres einstigen Handwerks handeln. „Apen“ ist ursprünglich ein mittelniederdeutsches Wort. Nach Schiller/Lübben bedeutet es „verspotten“. Wie aber gießt man eine „Verspottung“ in ein Gefäß? Der Affengießer ist aber durchaus sprichwörtlich zu verstehen.

Eine klare Antwort fanden die „Braunschweigischen Alterthümern“ im 19. Jahrhundert: Der Affengießer produzierte einst vorrangig die kleine Figuren, Schmuckwerk, Tiere und zahlreiche andere kuriose Fabelwesen, die vornehmlich liturgisches Gefäß später aber auch Gebrauchsgestände bevölkerten und „Apen“ genannt wurden (Sack, 1861, S. 25). Sie trugen eine Vielzahl von symbolischen Bedeutungen. Der Affe selbst – oft mit einem Spiegel dargestellt – repräsentiert die Sünde der Eitelkeit oder weltlichen Begierde.

Quellen:

C. W. Sack, Alterthümer der Stadt und des Landes Braunschweig, Braunschweig 1861.

Pierer’s Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 394. [http://www.zeno.org/nid/2001077663X]

Karl Schiller und August Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch, Bremen  u.a., Bd. 1, 1875 – Bd. 6, 1881., hier Bd. 1, S. 119 [http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~cd2/drw/F4/schill1/g118-119.htm].

Tabagist

Mittwoch, April 6th, 2011

Der Begriff Tabagist verführt ungemein zu einer leichten Analogie! Er klingt geradezu nach Tabak! Tatsächlich verbindet die Oeconomische Enzyclopedie von Krünitz den Begriff der Tabagie dann auch mit der Tabaksstube. Bereits im späten 16. Jahrhundert sollen danach einzelne Privatpersonen für die Apologeten des Rauchens Zimmer geöffnet haben, um diese zum gemeinsamen genüsslichen Schmöken einzuladen. Nicht zuletzt um dem immer stärkeren gesellschaftlichen Druck des Tabakverbots zu entgehen. Nach und nach entstanden daraus Bierhallen, Kneipen bzw. Wirtschaften. Begnügte man sich zunächst mit lustvollem Politisieren, ging man bald zum Kartenspiel, Billard und Kegeln über. Der Tabagist ist also ein Schankwirt!

http://bckg.pagesperso-orange.fr/english/the_compleat_gamester.htm

Billardspiel 1674, Abbildung aus "The Compleat Gamester"

Frauen blieben von diesen Vergnügungen ausgeschlossen. Zwar richtete man im 18. Jahrhundert nach den Geschlechtern getrennte Zimmer ein, um den Frauen einen Zugang zu den neu entstehenden „Tanztabagien“ zu ermöglichen, das Tabakrauchen zählte allerdings nicht zu den geschlechtsspezifisch schicklichen Angewohnheiten.

Spätestens in der Aufklärung entsprachen diese Formen der Belustigungen nicht mehr den bildungsbürgerlichen Ansprüchen. Die Tabagie verkam immer mehr zu einem eher heruntergekommenen, leicht verruchten Ort der Unterschichten. Sie rückte daher in die Nähe von Bordell und zügellosen Orten, die nichts mehr mit der Kaffeehauskultur aufklärerischer Kreise des 17. und 18. Jahrhunderts gemein hatte.

Allerdings dürfte Krünitz mit der von ihm hergeleiteten Bedeutung des Berufes Tabagist aus der Tabagie gründlich irren. Bereits der lateinische Begriff „taberna“ mit der dazugehörigen Berufsbezeichnung „tabernarius“ bezeichnete einen Budenbesitzer oder Schankwirt, lange bevor der Tabak von den Europäern entdeckt wurde. Schon in der Antike bezeichnete man mit diesem Wort eine Kneipe, die bevorzugt in einer Mietskaserne betrieben wurde.

Quellen:

Charles Cotton, The Compleat Gamester: or Instructions – How to play at Billiards, Trucks, Bowls and Chess – together with all manner of usual and most Gentile Games either on Cards or Dice – to which is added the Arts and Mysteries of Riding, Racing, Archery and Cock-Fighting, London 1674. Quelle:  http://bckg.pagesperso-orange.fr/english/the_compleat_gamester.htm.

Karl Ernst Georges: Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch. Hannover 81918 (Nachdruck Darmstadt 1998), Band 2, Sp. 3001 [http://www.zeno.org/nid/20002682354].

Johann Georg Krünitz, Oekonomische Encyklopädie oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- und Landwirthschaft, 1773-1858, hier Bd. 179, 1742, Sp. 4ff., http://www.kruenitz1.uni-trier.de/background/entries_vol179a.htm.