Archiv für den Tag: 16. August 2019

Gedankenstrom: Langsam wieder ankommen

Die Friedensglocke in Apolda

Die letzte Zeit war sehr schwierig für mich. Vielleicht ist sie immer noch schwierig. 
Meistens ist das ja so, dass man denkt „Ah jetzt geht’s endlich“ und dann stürzt man plötzlich; wieder geschehen, vor… drei Tagen.

Aber ja jetzt ist es eben endlich geplatzt und ich habe das Gefühl den Durchbruch endlich erreicht zu haben!

Die ganze Zeit habe ich nämlich gewollt hier wieder rein zu passen, so wie ich das früher gemacht habe, aber ich muss mich wohl auf lange Zeit gesehen damit abfinden, dass das nichts werden wird.

Und das ist so im Wesentlichen alles. Das ist der Inhalt dieses Essays.
Ich erzähle jetzt einfach mal noch ein bisschen was.

Das Gefühl in Deutschland ist nämlich: Sei Mainstream oder du gehörst nicht dazu. Vielleicht ist das in Südafrika auch nicht besser.
Ich meine dort war ich weiß unter Schwarzen. Da war ich automatisch anders. Dann man selbst sein ist nicht schwierig, wenn man von vornherein schon anders ist und einen die anderen nur angucken.

Jetzt bin ich aber hier und plötzlich hatte ich wieder den Wunsch Part der Community zu sein und ja okay, natürlich gibt es da noch andere Seiten.

Zum Beispiel bin ich hier auch einfach aufgewachsen und habe daher zu den Menschen hier viel engere emotionale Verbindungen. Daher fiel es mir natürlich viel schwerer in dieser Umgebung zu sagen „Hey, ich scheiße hier auf alle“. Und da bin ich plötzlich wieder in dieses Muster verfallen von wegen „Ich versuche mich anzupassen und es allen recht zu machen.“ Aber ich kann das einfach nicht mehr!! Das war mal ich, aber nicht mehr! Ich will hier nicht mal einen Absatz machen, obwohl mir die Gesellschaft sagt, dass ich das muss! NEIN! Ich habe hier einfach mal einen stringenten Gedanken und wer damit nicht klar kommt, der muss die Scheiße hier nicht lesen.

Wie dem auch sei (jetzt habe ich wirklich kurz eine Pause gemacht, daher der Absatz!), ich fühle mich wie ein Gefangener. Irgendwie anders, irgendwie einfach im Konflikt mit… der Welt? Vielleicht ist es die Jugend und irgendwann bin ich abgefuckter von den Dingen und sie lassen mich in Ruhe (hoffentlich).

Vielleicht ist die Welt aber auch wirklich schlecht. Und dann stelle ich mir solche Fragen wie „Alex, ist es naiv von dir zu erwarten, dass alle Menschen ein gutes Leben haben können? Ist es falsch von dir Gerechtigkeit zu erwarten? Fairness?“

Um ehrlich zu sein finde ich nein! Ja, okay, ich bin ein Idealist – verachtet mich dafür! Aber ich habe Bock darauf die Welt besser zu machen und sinnlose Sachen beiseite zu wischen. All der Hass in dieser Welt (und ich hasse ja auch selbst gerne mal den ein oder anderen Menschen oder die ein oder andere Sache, ich geb’s ja zu!,  aber trotzdem…), all die Konflikte. Ich hasse nur den Hass der anderen, der rührt immer aus unnützen Beweggründen: aus Egoismus oder schlechter Kommunikation oder leider (oft genug) beidem!

Als nächstes reden wir über meine Sexualität und dieser Teil bekommt jetzt wirklich einen eigenen ankündigenden Satz!

Irgendwie ist der Fakt, dass ich homosexuell bin, für die Welt nämlich super wichtig! Kommt das von innen, oder von außen, oder beeinflussen sich die beiden gegenseitig?

Lasst uns zuerst über das innere sprechen. 

In Deutschland war ich nämlich (vor August 2018) sehr nervös bezüglich meiner Sexualität, vor meinem Coming Out (natürlich) aber im Rückblick auch nach meinem Coming Out.

Das hat sich auch während der Zeit bei Bushpigs beibehalten (wegen des Zusammenlebens mit dem deutschen Jaro (hier mal eine Anmerkung; dieses Projekt war vom Aspekt „Lerne eine andere Kultur kennen“ so sinnlos! So ja okay, wir haben den (zugegebenermaßen: privilegierten) Kindern Sachen über die Natur beigebracht und (teilweise (manchmal)) wie man sie schützen kann. So ja okay klar war es strenggenommen ein Beitrag, weil es besonders für die Länder des globalen Südens wichtig ist den Planeten zu schützen, weil sie davon am meisten betroffen sind und daher ist es wichtig den Kindern dieser Länder beizubringen wie man mit dem Planeten umgeht, aber ehrlich gefragt: wie viele dieser Kinder haben dort wirklich was mitgenommen? Wie viele Kinder haben nach diesem drei bis fünf tägigen Camp ihre Verhaltensweise nachhaltig (!) verändert? Und ist es dann wirklich entwicklungspolitische Arbeit? Oder einfach nur Unterhaltung der südafrikanischen Oberschicht für die (zumindest teilweise) der deutsche Steuerzahler aufkommt?))

Ist natürlich so eine harte Analyse. Es ist keinesfalls so, als hätten diese vier Monate nicht zu meiner Entwicklung beigetragen. Nur war dort der Druck nicht da, sich wirklich zu hinterfragen, weil man immer mit einem anderen Deutschen zusammengelebt hat. Man muss ein bisschen zumindest auf sich gestellt sein, meiner Meinung nach. Denn ansonsten ist es in so einem Jahr immer sehr gemütlich wieder zurück in seine komfortablen, deutschen Kreise zu fallen. (Was ich ja, zugegebenermaßen, auch gerne mal gemacht habe.)

Die generelle Nähe der Freiwilligen zueinander ist ein Problem. Man müsste sie mehr voneinander trennen, damit eine wirkliche kulturelle Erfahrung möglich ist.
Ja, man hat trotzdem eine krasse Erfahrung und dort ein Jahr zu leben ist (trotz) anderer Deutscher effektiv. Aber um ehrlich zu sein: Für eine wahrhaft kulturelle Erfahrung ist so viel Kontakt mit der Gastkultur wie möglich und so wenig Kontakt mit der Heimatkultur wie nötig der Schlüssel.

Jetzt fühlen sich meine Leser (alles, logischerweise, Deutsche) angegriffen. Nur es wäre auch andersrum so. Würde ein Ausländer nach Deutschland kommen wäre meine Empfehlung immer: so viel Deutsche wie möglich, so wenig Heimatkulut wie nötig. Das ist wichtig bei so einem „Austausch“. Bei so einer „kulturellen Erfahrung“.

Denn, um nochmals ehrlich zu sein, was ist es schon Wert in einer fremden Kultur zu leben und im Endeffekt immer wieder nur in dieselben deutschen, meist weißen Kreise zurückzugehen?

Die längste Zeit, die ich keinen Weißen außer mir selbst gesehen habe war 3 Wochen. Ist das lang? Sicherlich, für deutsche Standards. Aber ich denke irgendwie ich hätte noch mehr in die Kultur eintauchen sollen. 
Aber vielleicht ist das auch einfach die Erfahrung, wenn man in einem anderen Land ist und wieder nach Hause geht: dann denkt man sich immer „Ich hätte noch mehr machen können“. Besonders, wenn man (so wie ich) selten zufrieden ist!

Irgendwas macht einem im Leben ja immer Unbehagen, oder? In den letzten Monaten in Südafrika hatte ich das gar nicht. Ich war so zufrieden mit mir und meinem Leben und jetzt bin ich wieder hier und konfrontiert mit – Problemen!

Auf meinem End of Stay Camp in Südafrika hatten wir die Frage „Wie wirst du mit Kulturschock umgehen?“ und meine Antwort war „Bleib einfach du selbst.“

Das war genauso ignorant wie genial.

Denn es ist nicht so einfach, aber es ist genau so einfach.

Es fällt einfach schwer, sich plötzlich nicht mehr zu kümmern über das Bild, das man vor Menschen abgibt, wenn man so viele Menschen um sich rumhat, die gewisse Ansprüche haben. Dass man keine Drogen oder wenn nur diese oder jene Droge nehmen darf (natürlich: ausgenommen Alkohol und Tabak (… und strenggenommen Koffein (und vielleicht Zucker (und Aufmerksamkeit (, das Internet (, Geld!)))))), dass man diese oder jene Sachen lieber nicht tun oder sagen sollte, weil es diese und jene Konsequenzen haben könnte, weil man diese oder jene Sache verabscheut, einzig weil andere diese oder jene Sache verabscheuen. Es ist immer diese Gesellschaft die irgendeinen Moralkodex geschaffen hat was moralisch akzeptabel und inakzeptabel ist. Natürlich gibt es da noch Subgesellschaften (Lausitz vs. Berlin, z.B.), aber ich bewege mich ja nur in dieser einen Subgesellschaft. Und natürlich gibt es Dinge, die im Allgemeinen verschrien sind.

Zum Beispiel: wirklich man selbst sein. Davor schrecken die Grünen ja genau so zurück wie die AfD. 
Die Grünen sind nur ein Ausdruck schöner, deutscher Einheitskultur, im Wesentlichen genauso wie die AfD; sie haben einfach eine Strömung erfasst und geordnet. Weil das alles keine Individuen sind, die lassen sich alle in Strömungen pressen.

Jeder Grüne-Wähler soll sich an dieser Stelle nicht (zu sehr) angegriffen fühlen. Die Grünen sind ja zugegebenermaßen aus 6 Parteien im Bundestag im Moment meiner Meinung nach die Zweitbeste. Aber das Angebot ist halt insgesamt unbefriedigend.

Ich werde im Oktober wieder mein Kreuz bei den Linken machen, auch wenn ich laut Gähnen muss, wenn ich überhaupt nur über diese Partei nachdenke. Ein Problem ist, dass da seit Gregor Gysi kein schlauer Mensch an der Spitze dieser Partei war.

Die sollten mich wählen, ich weiß ja immer alles besser!

Und da bin ich plötzlich bei der Politik. Ging es in diesem Text nicht (eigentlich) um mich? Aber ja, so ist die Welt, alles hängt da zusammen und in der einen Minute redet man über den persönlichen Schmerz wie über dem Weltschmerz und die bleichen Possen der Weltbühne – weil irgendwann alles so gleich wird.

In einer Woche sitze ich bestimmt wieder hier und kotze mich aus und sage wieder „Ich hab’s geschafft!“ 

Irgendwie hat man solche Phasen manchmal… In denen man sich einfach entwickelt. Und jede Stufe hinterlässt einen unzufrieden bis man irgendwann auf der Endstufe ankommt. Leider denkt man immer wieder, dass die nächste Zwischenentwicklung die Endstufe ist, weil man sich selbst kennt und endlich auf der letzten Stufe ankommen will.

Dabei ist die letzte Stufe einfach: Tu was du willst. So einfach ist die Welt. Irgendwie händelt man jede Lebenssituation, man braucht auch einfach vertrauen in sich selbst. Wer sich über seine Beziehung zur Umwelt definiert ist zum Scheitern verurteilt.

Absurd wirkt dieses Leben auf mich. Vielleicht ist das typisch für meine Generation, oder für mein Alter, ich komme mir hier so atypisch vor.

In Südafrika war ich sowieso (durch Äußerlichkeiten) anders, daher war es einfach ich selbst zu sein, weil ich ohnehin so offensichtlich anders war. Hier ist das viel schwieriger. Ich wiederhole mich, weil ich sichergehen will, dass du das auch wirklich verstehst!

Aber (um zurück zum Thema zu kommen) es muss ja Leute hier geben, die auch anders sind? Sind ich und meine paar Hanseln wirklich die Einzigen, die das hier durchschauen und sagen „Nö, keinen Bock mehr“?

Das glaube ich nicht. Ich hoffe wirklich mir im Studium eine Gruppe entspannter Menschen zusammenzufinden, die bereit sind mit mir einige entspannte Abende zu verbringen.
Aber natürlich ist dazu auch gerne jeder meiner apoldaer Bekannten herzlich eingeladen. Nur wir müssen zusammen investieren.
Und natürlich auch einige andere Bekannte. Ihr wisst schon, wer ihr seid!

Langsam bekommt das hier richtigen Blog-Charakter und ich spreche zu meinem Publikum über Dinge. Cool oder? Aber auch etwas gruselig?

Na ja, ich habe mir von der Seele geschrieben, was ich mir von der Seele schreiben wollte.

Es ist und bleibt schwierig hier zurückzukommen.  In der nächsten Woche bin ich erstmal Zelten, das wird hoffentlich gut und dann habe ich noch eine Woche frei (mit meinem Geburtstag), da habe ich Lust und dann muss ich arbeiten und davor habe ich Angst.
Ich hoffe einfach das fuckt mich nicht zu sehr ab. Im Endeffekt muss ich einfach ich selbst bleiben und meine Arbeit machen.

Jedenfalls, um das hier am Ende nochmal zusammenzubinden: die äußeren Aspekte des Problems mit meiner Sexualität sind einfach, dass die Gesellschaft permanent suggeriert, dass es etwas Unnormales ist und ich würde ja gar nicht diese schlechten Gefühle von innen haben, wenn es nicht etwas wäre, was mir von außen suggeriert wird.

Daher hier zum Schluss eine Empfehlung von mir an die Gesellschaft: lasst uns aufhören über Sexualität zu reden! Und auch über Gender! Lasst die Leute einfach sein, jeder zieht an, tut mit seinem Körper und in seinem Bett einfach womit er oder sie glücklich ist – ist das so schwer?
Ich hatte das Gefühl in Südafrika war das alles leichter, aber wie gesagt: da war ich eben sowieso der einzige Weiße.