Im Folgenden werde ich den Beitrag „Sprachreflexion und Sprachbewusstsein fördern – durch und mit Künstlicher Intelligenz“ von Matthias Ballod (2024) rezensieren.
Inhaltszusammenfassung
Der Beitrag beschreibt „das Spannungsfeld für die Deutschdidaktik und den Deutschunterricht zum Nutzen von Large-Language-Models“ (a.a.O., Abstract), welches einen deutlichen Diskurs eröffnet. Denn wenn man davon spricht, muss man auch den Umfang und den Einsatz mitdiskutieren. Im Text wird die Grundannahme beschrieben, dass „die Beschäftigung mit und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz […] selbstverständlich in den Deutschunterricht [gehört]“ (a.a.O., Abstract) und zwar in mehreren Hinsichten: bezüglich einer breitgefächerten Medienbildung, hinsichtlich des Auftrages des Faches Deutsch und dessen Ziele, in Bezug zur gegenwärtigen Lebenswelt der Schüler*innen sowie in Betrachtung der kommunikativen Herausforderungen, welche sich in Zukunft ergeben (werden) (vgl. a.a.O., Abstract). Daraus ergibt sich laut Matthias Ballod schließlich die letzte Aufgabe: „die Vermittlung von Informationskompetenz [als] zentrale Anforderung an den Deutschunterricht“ (a.a.O., Abstract).
Zudem wird in dem Beitrag eine fachdidaktische Position zum sinnvollen Einsatz textgenerativer KI-Anwendungen mittels handlungs- und produktionsorientierter Aufgaben angeschnitten, exemplarisch skizziert von einer Mensch-Chat-interaktion zur Sprachreflexion (vgl. a.a.O., Abstract).
Gliederung des Beitrages
Der Beitrag gliedert sich dabei in folgende Abschnitte:
- Künstliche Intelligenz als Teil (hoch)schulischer Medienbildung
- Anwendung(en) Künstlicher Intelligenz im Fach Deutsch
- Vermittlung von Sprachreflexion und Sprachbewusstheit
- Sprachliche Verständigung untersuchen und reflektieren
- Sprachliche Strukturen untersuchen und reflektieren
- Grammatische und lexikalische Mittel kennen und funktional verwenden
- Richtig schreiben
- Ausblick: Künstliche Intelligenz (KI) erfordert Informationskompetenz (IK)
Diskussion
Im ersten Abschnitt wird angerissen, dass es die Revolution des Chatbots ChatGPT im November 2022 war, welche die Diskussion zu Künstlicher Intelligenz im Schulkontext anfeuerte. Die Meinungen sind kontrovers, denn KI löst einerseits „Phantasien zur Lösung von Problemen im Bildungssystem [aber auch] Befürchtungen zu seinem Zerfall [aus]“ (a.a.O, S.1). Das sind klar abzugrenzende Perspektiven auf die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz im Bildungswesen, welche auch nicht ganz harmlos erscheinen. Im folgenden beschreibt der Autor erst einmal, wie denn solche KI-basierten Chatbots hilfreich eingesetzt werden – von Schüler*innen, aber auch von Lehrer*innen. Ebenso werden die Schwächen aufgezeigt, seien es die unklare Datenbasis oder Halluzianationen, wobei die Systeme klar falsche und unreflektierte Lösungen anbieten (vgl. a.a.O., S.1). Die Reaktionen der Schulen und Hochschulen sind dabei sehr unterschiedlich, jedoch in einem Schnittpunkt festzuhalten: Der Schwerpunkt der Länder liegt auf „Strategischen Handlungsempfehlungen“ und „Verhaltensregeln zum Einsatz der Technologien“ (a.a.O., S.2). Des weiteren wird der Nutzen seitens der Lernenden und der Lehrenden kurz beschrieben, wie zum Beispiel das Erledigen von Hausaufgaben oder Differenzierungsmöglichkeiten für den Unterricht (siehe a.a.O., Seite 2). „Angesichts der rasanten Durchdringung von Lern- u. Arbeitswelt wird sich das Bildungswesen auf ebenso tiefgreifende Veränderungen durch KI einstellen müssen; im Bereich des Wahrnehmens (Spracherkennung…), des Handelns (Natural Language Processing…) und des Lernens (Crowdsourcing…)“ (a.a.O., S.2). Die Frage ist doch aber, wie man sich auf diese Veränderung einstellen muss, dass Künstliche Intelligenz auch tatsächlich Teil (hoch)schulischer Medienbildung wird. Der Teil hochschulischer Bildung kommt in diesem Beitrag leider etwas zu kurz, denn der Schwerpunkt wird schnell auf das schulische Bildungswesen im Fach Deutsch gelenkt, was auch wichtig ist, denn daraus resultieren die Köpfe von später. Doch wäre es hierbei interessant, wie man diese Medienbildung an Hochschulen und Universitäten integriert, um diese an Schulen überhaupt zu gewährleisten. Hierbei kommt auch die Diskussion ins Spiel, welche Bedingungen für Schule grundlegend verändert werden müssten (systematisch). Außerdem kommt der Bezug zur Kontroversität der Thematik, welche zu Beginn beschrieben wurde, etwas zu knapp. Künstliche Intelligenz wird hierbei mehr als Nutzen für die Zukunft beleuchtet, was auch grundlegend sinnvoll ist, wenn man sich die Entwicklung in einer digitalisierten Welt anschaut. Doch für eine Auseinandersetzung müssen ebenso die Risiken aufgeführt werden – nicht um Panik zu verbreiten, sondern um diese aufbrechen zu können und diese weiterentwickeln zu können. Dennoch ist der chancenorientierte Blick des Autors sehr fortschrittlich und wahrscheinlich soll gerade das im Fokus stehen.
Im zweiten Abschnitt wird der rote Faden des Beitrages erkennbar gemacht, wenn es darum geht, die oben genannten Dimensionen von Medienbildung in den Schulalltag zu integrieren. Und eines wird klar deutlich: Die Bedeutung, warum man sich überhaupt in Zusammenhang mit Sprache mit Künstlicher Intelligenz auseinandersetzen sollte. Denn „bedingt durch die generativen KI-Systeme wird Sprache – noch umfassender als ohnehin – zur zentralen Schnittstelle in der Mensch-Computer-Interaktion“ (a.a.O., S.3).
Im dritten Abschnitt widmet sich der Autor dem Kernthema des Beitrages und der oben genannten Frage des „Wie“ – Wie man Sprachreflexion und Sprachbewusstheit vermittelt und fördert. Hierbei besteht auch hier der curriculare Bezug und somit auch der wissenschaftliche oder zumindest der fachliche Bezug zu der wichtigen Thematik. Der Text bzw. die Förderungsmaßnahmen gliedern sich hier in 3.1 Sprachliche Verständigung untersuchen und reflektieren, 3.2 Sprachliche Strukturen untersuchen und reflektieren, 3.3 grammatische und Lexikalische Mittel kennen und funktional verwenden und 3.4 Richtig schreiben. Sehr gut sind hierbei die konkreten Arbeitsideen im Umgang mit den Schüler*innen, welche sogar mit Beispielen untermauert werden. Diese alle aufzuführen, würde zu weit führen und den Raum für Kreativität nehmen. Diese ist zudem ein wichtiges Mittel, um den traditionellen Grammatikunterricht zu erweitern. Doch um deutlich zu machen, was hier gemeint ist, ein Beispiel: im Punkt Grammatische und Lexikalische Mittel kennen und funktional verwenden findet sich folgendes wieder: „Verhältnis von konzeptioneller Schriftlichkeit/ Mündlichkeit: Welchen Einfluss haben die Systeme generative KI auf die Transformation von konzeptioneller Mündlichkeit/Schriftlichkeit? Welche Transitionen erfolgen, wenn der Nutzer einen Text spricht und der Algorithmus einen Text schreibt – bzw. umgekehrt? Wie verändern sich Gesprächstypen […]“ (a.a.O., S.5). Hier sieht man neben den konkreten Fragestellungen auch gleichzeitig Reflektionsanlässe. „Ein produktiver und kreativer Einsatz generativer KI im Deutschunterricht eröffnet neue methodische und methodologische Zugriffe auf bekannte Konzepte von Grammatik. Die gezielte Beschäftigung im Zusammenspiel mit KI kann eine klassische Grammatik-Vermittlung erweitern, nicht aber ersetzen. Traditionelle Zugänge zu Sprachbewusstheit (Steinig/Huneke 2022, S. 172ff.) lassen sich ebenso integrieren, wie neuere Konzepte, z.B. zum „Funktionalen Grammatikunterricht“ (Ossner 2018) weiterentwickeln“ (a.a.O., S.7).
Interessant finde ich den Ansatz des Ausblickes: „Künstliche Intelligenz erfordert Informationskompetenz“, welcher zudem noch zusätzlich durch ein Spiel mit den Buchstaben (KI —> IK) unterschrieben wird (S.7). Denn hier wird der Diskurs des Anfangs relativiert, indem der Autor festhält, dass per se erst einmal nicht immer alles positiv oder negativ bewertet werden sollte, sondern das „Warum“ und das „Wie“ in Relation zum Nutzen stehen sollte. Denn der eigentliche Diskurs sollte nicht die Daseinsberechtigung sein, sondern wie man KI sinnvoll einsetzt. Denn „Anwendungsbezogenes Wissen über Strukturen, Funktionen, Wirkungen und Intentionen semiotischer und medialer Kommunikationssysteme wird kommende Lerngenerationen befähigen, an demokratischen und technologischen Diskursen zu partizipieren, die Grundlage emanzipierter, toleranter und kritischer gesellschaftlicher Teilhabe“ (a.a.O., S.8).