
Das Seminar widmet sich einem Werkkomplex der Chemieindustrie als Werkkomplex der Künste. Auf Grundlage des Chronotoposbegriffs Michail Bachtins nimmt das Seminar literarische, dokumentarische und weitere künstlerische Modellierungen der Leunawerke zwischen 1949 und 1990 in den Blick. Hierbei steht die wechselhafte Semantisierung als ‚Zukunftsort‘ und die darin manifestierte Aushandlung von Selbstverständnissen im kulturellen System DDR im Fokus: Wie werden die Leunawerke im Text konstruiert und welche Bedeutung erhält dieser raumzeitliche Knotenpunkt jeweils im zeitlichen Wandel?
‚Leuna‘ steht hier als Schnittstelle von Kunst und Gesellschaft, als künstlerische Reflexionsfolie für Selbstbilder, kulturpolitische Inanspruchnahmen und sozialistisch-realistische Darstellungsmöglichkeiten im Erkenntnisinteresse. Hier zeigt sich ein kulturspezifischer Chronotopos, in dem zunächst hoffnungsvoll Zukünftigkeit verhandelt wird, der aber zunehmend zum Ort einer nicht abgegoltenen Zukunft in der Vergangenheit gerät.