“Mark Twain in Berlin” (Dec. 1891)

Mark Twain, der smarte amerikanische Schriftsteller, der sich seit einiger Zeit in Berlin aufhält, allen Interviewern gegenüber aber sehr zugeknöpft bleibt, weil er Dasjenige, was diese ihm abfragen wollen, selbst schriftstellerisch verwerten will, ist bei dem Danksagungs-Bankett, welches die in Berlin lebenden amerikanischen Ärzte im “Englischen Hause” gefeiert haben, doch Etwas aus sich heraus gegangen, u. hat, wie die Welt Berichtet, von seinen in Berlin gesammelten Erfahrungen in einem Speech u. a. Folgende zum Besten gegeben:

. . . „Ich für meinen Theil,” sagte er, „freue mich, dass ich endlich einmal in einem Lande wohne, dessen Regierung sich um meine Person bekümmert, die mich beschirmt, schützt und schätzt – einschätzt. In Amerika höre ich das Jahr über nur zweimal von Herrschaften, die meine Bürgerrechte und Pflichten in Obhut genommen, – im Juni, wenn Einer kommt und sich erkundigt, wie viel Steuer ich zu zahlen beabsichtige, und im Oktober, wenn derselbe Mitbürger vor mich hintritt, um den vereinbarten Obulus in Empfang zu nehmen . . .  ”

„Hier ist das ganz Anders. Ich hatte in meinem Berliner Heim kaum Wurzeln geschlagen, als ein Diener der heiligen Hermandad eintrat und sich erkundigte, wie viel mir meine letzte sogenannte Humoreske eingetragen hätte. Seitdem kommen sie alltäglich in Abständen von etwas 15 Minuten, und schreiben jedes Wort getreulich auf, das ich über meine materielle, physische oder psychische Lage über die Lippen bringe. Gott sei Dank, ich habe ein gutes Gedächtnis. Sie werden mich trotz aller Controle nicht auf einer Unwahrheit ertappen.”

„Dankbar sollen wir auch sein, weil es unserem liebenswürdigen Gesandten, Herrn Phelps, gelungen ist, den siegreichen Einzug des amerikanischen Schweins durch das Brandenburger Thor herbei zu führen. Er hat in der Tat mehr für das Schwein getan, als er für irgendeinen anderen Mitbürger zu tun im Stande sein würde.”

„Unsere Gastgeber, die amerikanischen Ärzte, haben ganz besonders Veranlassung, Gott zu danken. Sie können in der Tat hier in Berlin alles lernen, was zu ihrem Berufe gehört und noch Einiges mehr – mit Ausnahme der deutschen Sprache.”

„Ach ja, die deutsche Sprache! Wir Amerikaner haben uns alles Gute und Schöne daraus annektiert und ihnen nur die langen Vieh- und Bummelzüge der Weitschweifigkeit und den rätselhaften Artikel gelassen . . . .”

„Und dann das deutsche Essen. Wer’s ein paar Menschenleben aushält, kann ein alter Mann dabei werden. Übrigens habe ich gestern die Bekanntschaft eines Fisches gemacht, der genau so gut ist wie unser „Shad” – noch dazu ohne die Gräten. Ich empfehle Ihnen diesen Fisch, – Zander heißt er. Er wird Ihrem Patriotismus keinen Abbruch tun, wenn Sie sich auf dieses Genussmittel werfen, besonders, da der „Shad,“ bei Lichte betrachtet, doch nicht viel mehr ist, als ein Gräten-Nadelkissen . . . .”

Es ist freilich nicht allzu weit, was der berühmte Amerikaner hier gesagt hat, immerhin aber genug von jemandem, der, wie gesagt, seine Gedanken selbst zu Dollars ausmünzt.

Mark Twain, the smart American writer, who has been in Berlin for some time, but who remains very reserved towards all interviewers because he himself wants to put in writing what they want to ask him, opened up at the tribute banquet, which the American doctors living in Berlin celebrated in the “Englisches Haus,” and, as the Welt reports, said the following in a speech about his experiences in Berlin:

 

 

 

. . . “I, for my part,” he said, “am glad that I am finally living in a country whose government cares for my person, which shelters me, protects and appreciates me – values me. In America, I only hear twice a year from people who have taken care of my civil rights and duties – in June, when someone comes and asks how much tax I intend to pay, and in October, when the same citizen steps in front of me to receive the agreed amount . . .”

 

“It’s quite different here. I had barely put down roots in my Berlin home when a servant of St. Hermandad entered and inquired how much my last so-called humoresque had earned me. Since then they have been coming every day at intervals of about 15 minutes, faithfully writing down every word I say about my material, physical or psychological situation. Thank God, I have a good memory. You will not catch me on an untruth despite all the controls.”

 

“We should also be grateful because our gracious envoy, Mr. Phelps, succeeded in bringing about the victorious entry of the American pig through the Brandenburg Gate. He has indeed done more for the pig than he would be able to do for any other citizen.”

 

“Our hosts, the American doctors, have a special reason to thank God. They can indeed learn everything that belongs to their profession here in Berlin and much more – with the exception of the German language.”

 

“Oh well, the German language! We Americans annexed all the good and beautiful things from it and left them only the long excursion trains of diffuseness and the mysterious article . . . ”

 

“And then there’s the German food. If you have a few human lives, you can become an old man with it. By the way, yesterday I made the acquaintance of a fish that is just as good as our “shad-and without the bones. I highly recommend this fish to you. It’s called Zander. It won’t harm your patriotism if you throw yourself on this luxury food, especially since the ‘shad,’ when viewed in the daylight, is not much more than a fishbone pincushion . . .”

 

Admittedly, what the famous American said here is not too far off, but at least it is enough for someone who, as I said, turns his own thoughts into dollars.

“Mark Twain in Berlin.” Der Deutsche Correspondent (Baltimore, Md.), 22 Dec. 1891 (Beilage): 2.
Chronicling America: Historic American Newspapers. Library of Congress.

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