Perspektiven und Probleme kritischer Erziehung und Wissenschaft
19.06. | 19 Uhr | SSR | mit Roger Behrens
Dem Befund einer Bildungskatastrophe in den 1950er Jahren, die allemal Ausdruck der Nachwirkungen der gesellschaftlichen Katastrophe des deutschen NS-Terrors war, folgten Bestrebungen, Erziehung und Wissenschaft zu wesentlichen Antriebskräften der Demokratisierung zu machen. Aufgegriffen wurde das auch – spätestens im Zuge der so genannten 68er-Bewegung – von der Linken: in den 1970ern haben die kritische, materialistische Bildungstheorie und dialektische Pädagogik einen enormen Auftrieb erfahren. Bis in die 1980er Jahre hinein gelang es, in den Bereichen Wissenschaft und Erziehung vielfältige Reformprozesse mitzugestalten.
Bald jedoch wurde kritische Bildung in der verwalteten Welt institutionalisiert, wurden Elemente der kritischen Wissenschaft und kritischen Erziehung in »demokratisierte« Lern- und Lehranstalten integriert. Die emanzipatorischen Gehalte kritischer Bildungstheorie und -praxis verpufften dabei und wurden in selbstverständlichen Parolen banalisiert: Forderungen nach »Bildung für alle«, »verantwortungsvoller Wissenschaft« oder »kindgerechter Erziehung« sind heute Allgemeinplätze eines gesellschaftlichen Konsenses, »kritisch« sind dabei nur noch Verbesserungsvorschläge zur Optimierung des Normalbetriebs. Die herrschafts-, gesellschafts- wie subjektkritischen Implikationen, die selbst dem bürgerlich-humanistischen Ideal nach einmal mit Bildung, Erziehung und Wissenschaft verbunden waren, sind heute vollständig absorbiert und wirken zugleich obsolet und antiquiert.
Schreibe einen Kommentar