Ein Blog für Aufsätze des Germanistischen Institutes der MLU Halle

Editorial

„Aber jetzt sag doch bitte nochmal – was kannst du später mit deinem Studium machen?“ Diese Frage hat sicherlich jede Person, die ein geisteswissenschaftliches Studium verfolgt, schon einmal vernommen. Auch ich als Philosophie- und Literaturstudentin höre diesen Satz erstaunlich oft. Die eher humorvoll gemeinten Reaktionen auf diese Frage wie „Taxifahren“ oder „Na in die neue Philosophiefabrik gehen, die gerade in der Stadt gebaut wird“ sind jedoch in meinen Augen schon nach dem ersten Erzählen kaum noch lustig – was also antworten? „Ich könnte ja zum Beispiel in Museen, Archiven oder im Bereich der Erwachsenenbildung arbeiten.“ Zwar beruhigt diese Antwort meistens, jedoch werde ich dem wiederholten Herunterleiern der von Google vorgeschlagenen Berufsfelder selbst überdrüssig – haben diese Antworten doch meistens mehr die Funktion, die Neugier der Fragenden zu stillen, als meine tatsächlichen, mir selbst meist noch unklaren beruflichen Vorhaben zu benennen. „Oder ich gehe ins Verlagswesen.“ Verlagswesen also. Eine konkrete Vorstellung von der Arbeit eines Lektors, beziehungsweise einer Lektorin hatte ich bisher nicht – das hat sich mit diesem Semester geändert.

Als Seminar „Werkstatt Zeitschriftenredaktion“ brachten wir, sechs Studierende der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, zusammen mit Dr. Claudia Hein die Zeitschrift studentischer Beiträge 2023 heraus. Unser Anspruch war dabei nicht einfach nur, eigene Hausarbeiten zu verbessern, sondern auch gerade fremde studentische Texte zu Aufsätzen wissenschaftlichen Niveaus zu formen. Die dafür typischen Arbeitsschritte des akademischen Publizierens, wie das Verfassen von Autor:innenbriefen, Lektoraten und Korrektoraten, bildeten dabei den theoretischen Rahmen dieses Projekts. Da im Seminar direkt Einigkeit bestand, dass es auch dieses Jahr eine eigenständige Zeitschrift aus Beiträgen von Studierenden unserer Universität geben soll – erlangen doch durchaus gelungene und relevante studentische Arbeiten fast nie die Möglichkeit, publiziert zu werden –, fanden wir uns schon in der zweiten Redaktionssitzung im vollen Arbeitsprozess wieder.

So durchliefen wir als Seminargruppe während des Semesters den Prozess, welcher auch auf der Tagessordnung eines ‚richtigen‘ Redaktionsteam während der Publikation einer wissenschaftlichen Zeitschrift steht: Am Anfang stand die Gestaltung eines sogenannten Call for Papers, den wir recht schnell in Umlauf brachten, und durch welchen uns knapp 20 Texte erreichten. Es folgten mehrere Redaktionssitzungen, in denen alle eingesendeten Texte besprochen wurden – wir entwickelten so einige Übung darin, Texte auf übergreifende Argumentationsstrukturen hin schnell und effektiv zu lesen; ebenso im Verfassen von sogenannten Autor:innenbriefen, die ebenso ein elementarer Bestandteil des akademischen Publizierens sind. Den Autor:innen teilten wir so ein erstes Feedback zu ihren Texten, sowie Überarbeitungswünsche und Fragen unsererseits mit – am wertvollsten empfand ich dabei, dass so großer Wert auf einen freundlichen und respektvollen Umgang mit unseren Autor:innen gelegt wurde. Die zweite Phase des Projekts Zeitschrift studentischer Beiträge war das Lektorat der von uns angenommenen Texte. Als Lektorierende beschäftigten wir uns auf einer tiefer gehenden Ebene mit der Argumentationsstruktur, sowie der stilistischen Gestaltung der Texte. Ein solches Lektorat anzufertigen ist, meiner Meinung nach, vor allem für Anfänger:innen wie uns, eine Herausforderung, jedoch griff auch hier die effektive Learningbydoing-Methode. Die Endphase der Redaktion, parallel mit der Endphase der Vorlesungszeit laufend, bestand vor allem darin, die nun von unseren Autor:innen schon mehrfach überarbeiteten – und unserer Einschätzung nach deutlich verbesserten – Texte Korrektur zu lesen. Dies heißt im Fall der „ZsB“, für den Blog der MLU ‚satzfertig‘ zu machen – neben grammatikalischen Korrekturen zählt dazu auch die formale Anpassung von Aufsätzen an ein bestehendes Stylesheet. Bei alledem es ist wichtig, zu betonen, dass ohne die Bereitschaft unserer Autor:innen, innerhalb eines ohnehin schon stressigen Semesters noch zusätzliche Arbeit auf sich zu nehmen, diese Zeitschrift nicht zustande gekommen wäre.  Daher freue ich mich nun sehr, unseren Leser:innen die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift studentischer Beiträge vorstellen zu dürfen.

Die Zeitschrift studentischer Beiträge konzentriert sich mit dieser Ausgabe thematisch auf Beiträge vor allem der germanistischen Sprach- und Literaturwissenschaft – angefertigt von den Studierenden, die uns ihre Hausarbeiten und Essays für unser Projekt zur Verfügung gestellt haben und ergänzt durch Texte von uns Seminarteilnehmer:innen. Dabei empfinde ich gerade die Bandbreite an Themen und Literatur, mit welchen sich die einzelnen Aufsätze beschäftigen, als durchaus abwechslungsreich. Das Spektrum der Aufsätze reicht von den mittelalterlichen Nibelungen (Jan Rutten & Tim Schiwek) über die Literatur der Romantik (Valentin Fleck & Annalena Harter) bis hin zu Arbeiten über die jüdische DDR-Literatur Stefan Heyms (Carola Wellmann) und Jurek Beckers (Leonie Brommer) und zur zeitgenössischen Lyrik Louise Glücks (Gordon Prager). Zugleich können sich Leser:innen unserer Zeitschrift über die literarische Verwendung des Crossdressings in mittelalterlichen Texten (Moritz Böttcher), über das Verhältnis von Satire, Polemik und Literaturkritik (Falco Schubert) sowie über Karl Phillip Moritz’ Denklehren der Kleinen praktischen Kinderlogik (Natalie Sauer) informieren. Bezug zu neueren Texten und Themen nehmen Arbeiten zur Chat-basierten Kommunikation in digitalen Medien (Alexandra Naß), eine Analyse der kollektiven Identitätsbildung in Shida Bazyars Drei Kameradinnen (Hannah Ehrhardt), sowie ein Aufsatz über den Lucky-Luke-Comic „Fackeln im Baumwollfeld“ (Clara Schöttler).

Das Seminar „Werkstatt Zeitschriftenredaktion“ bot uns Studierenden die Möglichkeit, uns durch die publikationsorientierte Beschäftigung mit fremden und eigenen studentischen Texten in den Alltag des wissenschaftlichen Publizierens einzuarbeiten. Das war nicht nur für das weitere Verfassen von Hausarbeiten nützlich, sondern gewährte für mein Verständnis auch einen aussichtsreichen Einblick in das für mich nun nicht mehr unbekannte Berufsfeld des Verlagswesens.

Im Namen des Redaktionsteams

Annalena Harter

Hier geht es zur aktuellen Ausgabe der „ZsB“.

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