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Tabagist

April 6th, 2011 by Katrin Moeller

Der Begriff Tabagist verführt ungemein zu einer leichten Analogie! Er klingt geradezu nach Tabak! Tatsächlich verbindet die Oeconomische Enzyclopedie von Krünitz den Begriff der Tabagie dann auch mit der Tabaksstube. Bereits im späten 16. Jahrhundert sollen danach einzelne Privatpersonen für die Apologeten des Rauchens Zimmer geöffnet haben, um diese zum gemeinsamen genüsslichen Schmöken einzuladen. Nicht zuletzt um dem immer stärkeren gesellschaftlichen Druck des Tabakverbots zu entgehen. Nach und nach entstanden daraus Bierhallen, Kneipen bzw. Wirtschaften. Begnügte man sich zunächst mit lustvollem Politisieren, ging man bald zum Kartenspiel, Billard und Kegeln über. Der Tabagist ist also ein Schankwirt!

http://bckg.pagesperso-orange.fr/english/the_compleat_gamester.htm

Billardspiel 1674, Abbildung aus "The Compleat Gamester"

Frauen blieben von diesen Vergnügungen ausgeschlossen. Zwar richtete man im 18. Jahrhundert nach den Geschlechtern getrennte Zimmer ein, um den Frauen einen Zugang zu den neu entstehenden „Tanztabagien“ zu ermöglichen, das Tabakrauchen zählte allerdings nicht zu den geschlechtsspezifisch schicklichen Angewohnheiten.

Spätestens in der Aufklärung entsprachen diese Formen der Belustigungen nicht mehr den bildungsbürgerlichen Ansprüchen. Die Tabagie verkam immer mehr zu einem eher heruntergekommenen, leicht verruchten Ort der Unterschichten. Sie rückte daher in die Nähe von Bordell und zügellosen Orten, die nichts mehr mit der Kaffeehauskultur aufklärerischer Kreise des 17. und 18. Jahrhunderts gemein hatte.

Allerdings dürfte Krünitz mit der von ihm hergeleiteten Bedeutung des Berufes Tabagist aus der Tabagie gründlich irren. Bereits der lateinische Begriff „taberna“ mit der dazugehörigen Berufsbezeichnung „tabernarius“ bezeichnete einen Budenbesitzer oder Schankwirt, lange bevor der Tabak von den Europäern entdeckt wurde. Schon in der Antike bezeichnete man mit diesem Wort eine Kneipe, die bevorzugt in einer Mietskaserne betrieben wurde.

Quellen:

Charles Cotton, The Compleat Gamester: or Instructions – How to play at Billiards, Trucks, Bowls and Chess – together with all manner of usual and most Gentile Games either on Cards or Dice – to which is added the Arts and Mysteries of Riding, Racing, Archery and Cock-Fighting, London 1674. Quelle:  http://bckg.pagesperso-orange.fr/english/the_compleat_gamester.htm.

Karl Ernst Georges: Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch. Hannover 81918 (Nachdruck Darmstadt 1998), Band 2, Sp. 3001 [http://www.zeno.org/nid/20002682354].

Johann Georg Krünitz, Oekonomische Encyklopädie oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- und Landwirthschaft, 1773-1858, hier Bd. 179, 1742, Sp. 4ff., http://www.kruenitz1.uni-trier.de/background/entries_vol179a.htm.

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