Dr. Cornelius Ringe
Was kann es Schlimmeres für Kongressveranstalter geben als einen Bahnstreik? So geschehen im November 2014, als sich Klangidentitätssuchende aus ganz Deutschland in Naumburg zum fachlichen Austausch treffen wollten. Zum Glück ließen sich die tapferen Veranstalterinnen davon nicht beirren und organisierten kurzerhand Fahrgemeinschaften und teilweise sogar Mietautos.
Eine Strecke von Hamburg nach Naumburg würde ich normalerweise mit dem Zug fahren und die Zeit zum Arbeiten nutzen. Die Aussicht nun stattdessen jeweils fünf Stunden das Lenkrad festzuhalten und monoton auf die Autobahn starren zu müssen, nahmen einem doch tatsächlich etwas von der Vorfreude. Umso schöner war dagegen die Erfahrung, während der Fahrt nicht allein sein zu müssen und mit netten Nachwuchswissenschaftlern aus den verschiedensten Fachrichtungen im Auto zu sitzen und über Klangwelten zu sprechen. Auf diese Weise konnten wir als Hamburger Fahrgemeinschaft die Tagung ganz entspannt ein- und ausklingen lassen und die Zeit verging wie im Fluge.
Im Mai 2015 war ich schließlich wieder selbst Kongressveranstalter an der Humboldt-Universität zu Berlin. Und auch dieses Mal drohte uns eine Woche vor Kongress die GDL mit unbefristeten Streiks. Zum Glück kam es unerwartet schnell zur endgültigen Einigung und ein Krisenmanagement wie in Naumburg war zum Glück nicht nötig.
In meinem Naumburger Vortrag über Audio Branding durfte ich dem fachkundigen Publikum einen kurzen Einblick in meine Arbeit und vielleicht sogar einen kleinen Impuls zur Sensibilisierung gegenüber Klangmarken geben. Am 28. Mai 2015 veranstalteten wir von der Audio Branding Academy zum sechsten Mal einen Kongress, bei dem sich alles um das Thema Markenklang dreht. Gastgeber war dieses Jahr die Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, vertreten durch Prof. Dr. Mühl-Benninghaus, dem ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich danken möchte.
Der Mitnamensgeber der Universität, Alexander von Humboldt, gilt in der Szene als einer der ersten Soundscape-Forscher. So beschrieb er z. B. in „Ansichten der Natur“ ausführlich die Klanglandschaften Südamerikas. Auch ein physikalischer Effekt in der Naturakustik, die tagesperiodische Variation der Schallintensität von Umgebungsgeräuschen, wurde aufgrund seiner außergewöhnlichen auditiven Beobachtungen nach ihm benannt.
Ein besonderes Anliegen der Audio Branding Academy ist der Austausch zwischen Forschung, Lehre und Praxis. Aus diesem Grund haben wir dieses Jahr die Veranstaltung erstmals auf zwei Tage aufgeteilt. Am ersten Tag, dem Academy Day, fanden in den Seminarräumen der Humboldt-Universität Workshops zu ausgewählten Themen statt. Am Tag darauf wurden die sechs besten Fallbeispiele des Jahres vorgestellt, intensiv mit dem Publikum diskutiert und abends während der gemütlichen Gala auf einem Spree-Boot honoriert. Wir beobachten seit der Gründung der Academy vor sechs Jahren, dass sich auf unseren Veranstaltungen Praktiker, Wissenschaftler und Studierende immer mehr austauschen und gegenseitig inspirieren. Die Wissenschaftler erfahren hierbei, welche Forschung im Markt dringend benötigt wird, die Praktiker werden dagegen mit neuem Wissen versorgt und gelegentlich auch wieder auf den Boden der Tatsachen gesetzt. Die Studierenden haben die einmalige Gelegenheit, einen tiefen Einblick hinter die Kulissen der Praxis zu bekommen und sich ein Bild von neuen Berufsfeldern zu machen. Unterm Strich profitieren alle Kongressbesucher voneinander und motivieren sich gegenseitig zu neuen Leistungsspitzen.
Man stellt fest, dass sich die Audio Branding Branche in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt und professionalisiert hat. Ebenso ist es erfreulich, dass der bewusstere, intelligentere und hoffentlich auch verantwortungsvollere Umgang mit Sound und Stille in der Markenentwicklung und ‑kommunikation auch zunehmend in der Lehre seinen Platz findet.
Ein Beispiel hierfür sind die Audio Branding Vorlesungen am Institut für Musik- und Medienwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Dr. Cornelius Ringe. Studium der Wirtschaftswissenschaften mit dem Schwerpunkt Werbepsychologie an der Universität Augsburg. Promotion am Institut für Musik- und Medienwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit 2005 als Markenberater tätig (unter anderem bei Jung von Matt/brand identity). Seit 2006 Gastdozent an der Popakademie Baden-Württemberg. 2009 Gründung Audio Branding Academy als weltweite Institution für akustische Markenführung mit Kongressen in Hamburg, New York, Oxford, Moskau und Berlin. Seit 2013 Leitung Business Development der Soundagentur WESOUND. Autor und Herausgeber von Publikationen über akustische Markenführung und Brand Artist Partnership.
Dies war ein Beitrag von Dr. Cornelius Ringe, Keynote speaker auf der Tagung “Klang und Identität”.
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