LEKTION 5: SO EIN STEREOTYP!

Wie eng pure Unterhaltung auf Instagram und Kultur bei genauerer Betrachtung miteinander verbunden sein können, hat der Einblick in die verschiedenen Kulturdimensionen, -orientierungen und -standards gezeigt. Um ein Meme zu verstehen, wird das Wissen über solche kulturellen Werte der eigenen oder anderen Kulturen aktiviert. Können wir also davon ausgehen, dass jeder Deutsche über  die alman_memes2.0 lachen und sie nachvollziehen kann?

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STEREOTYPE IN MEMES

Natürlich nicht – was uns auch zur Kritik an den Modellen, und auch den Memes bringt. Um es kurz und einfach zusammenzufassen: Die  Modelle beschreiben die Unterschiede zwischen Kulturen sehr stark reduziert und standardisiert. Die Komplexität einer Kultur läuft Gefahr nicht mehr wahrgenommen und vereinfacht zu werden. Selbst wenn ein Land in Bezug auf eine Kulturdimension oder -orientierung einen besonders hohen Wert erreicht, bedeutet es nicht, dass alle Einwohner diesem Wert entsprechen. Schauen wir beispielsweise in ein Land wie Spanien, in dem unterschiedliche kulturelle Gruppen und Sprachgemeinschaften zusammenleben, durch die Modelle werden dennoch alle Spanier*innen verallgemeinert. 

Aus diesem Grund halten wir es an dieser Stelle für sinnvoll, auch die Gefahr der Stereotypisierung durch die Modelle und Memes anzusprechen.

DREI FAKTEN ÜBER STEREOTYPE

Stereotype haben ihre Wurzeln in der Psychologie und tragen grundlegend zur Kategorienbildung bei. Kinder erlernen Stereotype von Geburt an, nehmen sie unbewusst auf und begegnen ihnen dann später im Alltag (Pelinka 2012,  S.2).

Stereotype helfen bei der Verarbeitung von Informationen, da jedes Stereotyp unausgesprochene Botschaften mitliefert (Petersen/Schwender 2009, S. 9).

Im Allgemeinen dienen sie dazu, von anderen Gruppen abzugrenzen und zu verallgemeinern. Stereotypisieren beschreibt also den Prozess, Menschen auf der Grundlage ihrer Gruppenzugehörigkeit bestimmte Merkmale zuzuschreiben (Ossenberg 2017,  S. 14).

Die Annahme, einer Person bestimmte Merkmale zuordnen zu können, führt dazu, dass angenommen wird, dass auch weitere Stereotype existieren, die zu dem bereits vorhandenen Denkmuster passen. Das kann zur Folge haben, dass negativ bewertete Personen gemieden werden, sympathisch bewerteten Personen dagegen offener begegnet wird.

Unter Stereotypen lässt sich wiederum zwischen Auto-, Hetero- und Metastereotypen unterscheiden.

Autostereotype
Autostereotype beschreiben das Bild und die Sichtweise, die man auf die eigene Gruppe hat. Sie betonen eher positive Eigenschaften. Jedoch ist es durchaus auch möglich, die eigene Gruppe selbstkritisch oder gar mit Selbsthass zu betrachten.
Heterostereotype
Heterostereoype bezeichnen das Bild und die Sichtweise auf andere Gruppen. Sie sind weniger komplex und zeigen meist eine Tendenz ins Negative im Sinne einer beschränkten Sichtweise.
Metastereotype
Metastereotype beruhen auf der Annahme, dass andere Menschen ein bestimmtes Bild von einem selbst haben oder zumindest glaubt man, dass diese Menschen jenes Bild von einem haben (Thiele 2015, S. 31/32).
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STEREOTYP VS. VORURTEIL

Vorurteile schließen im Gegensatz zu Stereotypen oftmals emotionale Aspekte mit ein, Stereotype werden dann als gut oder schlecht bewertet. Sie beruhen auf einer meist oberflächlichen Kenntnis einer Kultur (Ossenberg 2017, S. 14). Allgemein lassen sich Vorurteile als negative Haltung gegenüber Personen, Gruppen oder Sachverhalten verstehen. Sie festigen stereotypes und klischeehaftes Denken (Thiele 2015, S. 35/36).

Stereotyp

“Alle Italiener essen jeden Tag Nudeln.”

Vorurteil

“Italiener sind Spaghetti-Fresser.”

Stereotyp

“Alle Deutschen trinken jeden Tag Bier.”

Vorurteil

“Deutsche sind Biersäufer.”

Stereotype und Vorurteile sind aber nicht nur schlecht, denn jeder Mensch trägt sie in sich, da sie ihm den Alltag erleichtern. Deswegen brauchst du dich nicht schuldig fühlen, wenn du über Memes, die mit Stereotypen spielen, lachen musst. Was hätte unser Gehirn nur für eine erschöpfende Arbeit, wenn jedes Gegenüber jeden Tag aufs Neue ohne gewisse Vorerwartungen und Annahmen bewerten müsste und nie aus bereits gelerntem Wissen schöpfen dürfte? Anstatt Vorurteile und Stereotypen grundsätzlich zu verteufeln, ist es wichtig, zu verstehen, woher sie kommen und wofür sie nützlich sein können. Mache dir deine Denkmuster bewusst, und nimm immer an, dass sich konkrete Individuen davon unterscheiden können. Denn wenn wir im Hinterkopf behalten, dass Stereotype nur eine Hilfestellung zur ersten Orientierung darstellen, sind sie auch nicht negativ, sondern als erster Schritt in Richtung “Kennenlernen” zu bewerten.

Somit bieten auch Kulturdimensionen eine hilfreiche Methode der grundsätzlichen Orientierung, welche interkulturelle Interaktionen erleichtern kann. Alle Autoren weisen darauf hin, dass es sich bei ihren Forschungen um Mittelwerte handelt – niemand von ihnen würde wahrscheinlich darauf bestehen, dass Berechnungen sämtliche individuelle Ausprägungen einer Kultur widerspiegeln könnten. Zwar können aus ihren Ergebnissen Stereotype entstehen, dennoch kommen ihre Annahmen nicht von ungefähr. Schließlich wurden diese Daten in großen Studien gesammelt und können damit statistisch belegt werden (vgl. Friesenhahn 2014).

 
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TIPPS ZUM NACHSCHLAGEN

Über Stereotype und Rassismus in deutschen Schulbüchern: Josephine Apraku im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur

Vorurteile und Stereotype: Erklärvideo von PsyCuriosity

Literaturverzeichnis

Friesenhahn, Günter 2014. Stereotypen und Vorurteile. bpb. (k.A.)

Ossenberg, Stefan 2017. Deutsche und türkische Stereotype. Ein inter- und intrakultureller Vergleich. Springer VS. Wiesbaden.

Pelinka, Anton 2012. Vorurteile. Ursprünge, Formen, Bedeutung. De Gruyter. Berlin/Boston. 

Petersen, Thomas / Schwender, Clemens 2009. Visuelle Stereotype. Herbert von Halem. Köln.

Thiele, Martina 2015. Medien und Stereotype. Konturen eines Forschungsfeldes. transcript Verlag. Bielefeld.