Unter sexualisierter Diskriminierung und Gewalt (kurz: SDG) verstehen wir jedes verbale oder nonverbale Verhalten mit sexuellem Bezug, das von der betroffenen Person als grenzüberschreitend, d.h. unerwünscht und entwürdigend/ verletzend empfunden wird, oder darauf gerichtet ist, diese Wirkung zu erzielen.
Ob eine Grenzüberschreitung stattgefunden hat, hängt allein von der Perspektive der betroffenen Person ab. Entscheidend ist die Wirkung auf die betroffene und nicht die Absicht der ausübenden Person. Eine Grenzüberschreitung kann auch unbeabsichtigt und von der ausübenden Person unbemerkt erfolgen. Jede Person entscheidet selbst, wo ihre Grenzen liegen.
SDG kann sich in Worten, Mimik und Gestik sowie Handlungen ausdrücken und umfasst Verhalten, das nach gesetzlichen Vorschriften verboten ist und sanktioniert werden kann, beschränkt sich aber nicht darauf. Beispiele für SDG sind:
• obszöne Äußerungen (Sprüche, Witze, Mimik und Gesten)
• anzügliche Bemerkungen und indiskretes Ausfragen über Körper, Lebensführung und Liebesleben
• unangemessene Komplimente und Geschenke
• aufdringliche/ taxierende Blicke
• Nachpfeifen u.ä. („Cat Calling“)
• Annäherungsversuche und unerwünschte Aufforderungen „sich näher kennenzulernen“ u.ä., die mit Versprechen von Vorteilen oder Androhen von Nachteilen einhergehen
• Zeigen und Verbreiten von pornografischem Material (außer zu Demonstrationszwecken in der Lehre und ausschließlich künstlerischer Betätigung)
• ungewollte Nähe und Berührungen
• Nachstellen/ Stalking
• unerwünschtes Auffordern zu und Erzwingen von sexuellen Handlungen (Nötigung)
• Entblößen
• körperliche Übergriffe
• (versuchte) Vergewaltigung
Grundsätzlich kann jede Person von SDG betroffen sein und diese ausüben. Studien zeigen jedoch, dass die Betroffenheit und Ausübung von SDG geschlechtsspezifisch ist: Übergriffige Personen sind in den meisten Fällen Männer, besonders stark betroffen sind Frauen. Außerdem sind Personen, die von weiteren Diskriminierungsformen betroffen sind, in erhöhtem Maße gefährdet – z.B. LSBTIQA*-Personen (lesbisch, schwul, bisexuell, trans*, inter*, queer, asexuell), von Rassismus Betroffene oder Personen mit Behinderung.
SDG ist eine spezifische Form der Macht- und Kontrollausübung und hat nichts mit Sexualität als einem grundsätzlich positiv gedeutetem Geschehen zu tun. Täter*innen handeln nicht (nur) aus einer sexuellen Intention heraus und es geht ihnen nicht um konsensualen sexuellen Kontakt. Stattdessen nutzen Täter*innen sexuelle, sexuell konnotierte sowie durch sie selbst sexuell aufgeladene Äußerungen und Handlungen, um Macht und Überlegenheit auszuüben. Daher nutzen wir den Begriff „sexualisiert“ statt „sexuell“.
Unter „sexistisch“ werden dagegen Verhaltensweisen und Strukturen verstanden, die bezwecken oder bewirken, dass Personen aufgrund ihrer (zugeschriebenen) Geschlechtszugehörigkeit (oder sexuellen Orientierung) benachteiligt werden. Hierzu zählen z.B. die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen bei gleich(wertig)er Tätigkeit, Geschlechterklischees sowie Bemerkungen, die eine feindliche Haltung gegenüber einem Geschlecht ausdrücken. Sexismus ist kein thematischer Schwerpunkt dieser Themenwoche.