Die ersten freien Texte

Ich begann damals mit dem Schreiben, weil mich Worte schlicht faszinierten. Man kann mit ihnen auf einfachster Weise so viele Emotionen freisetzen, Gedanken festhalten, in fremde Galaxien flüchten und sogar komplett eigene Welten erschaffen. Das war für mich immer unfassbar. 

Der nachfolgende Text hat meinen Lebensweg höchstwahrscheinlich maßgeblich beeinflusst, denn ich schrieb ihn im Matheunterreicht in der elften Klasse. Mathe war immer eins meiner Steckenpferde, bis es mir schließlich zu abstrakt wurde und ich den Anschluss drohte zu verlieren. Mein damaliges Ich machte das Beste draus und begann zu schreiben, anstatt um verbranntes Land zu kämpfen. Ich denke bis heute, dass, falls ich mich für die Mathematik entschieden hätte, ich nicht da wäre, wo ich bin.

Bitte denken Sie beim Lesen daran: Dies war wahrscheinlich einer meiner ersten frei geschriebenen Texte und wurde nicht mit dem Gedanken an eine Publikation geschrieben. Die Wortwahl ist stellenweise prätentiös und überspitzt. Ich finde ihn, für meinen Teil, trotzdem sehr unterhaltsam.

Mathematik ist eine, auf den ersten Blick, plastische Lehre, die mir, trotz meiner Präferenz zur Logik, nicht liegt. Denn die Tiefe dieser nüchternen Kunst erfährt man erst, wenn man selbst schon mitten drin steckt. Man lernt Plus- und Minusrechnung, das kleine Ein-mal-Eins und die ersten kleinen Formeln und denkt noch vorerst, man bezwingt dieses Monster, vor dem so viele Menschen kuschen, mit aller Leichtigkeit. Es folgen binomische Formeln und quadratische Gleichungen mit ihren ach so freundlich und lustig wirkenden Kurven und Parabeln, doch schon hier kommen die ersten Mitstreiter ins Straucheln. Dabei lauern hinter der Grenze, hinter der sich das sagenumwobene Land „SEK II“ verbirgt, noch schrecklichere Geschöpfe, als sich ein kleiner, tapferer Knappe mit geschwollener Brust und dem Abschlusszeugnis in der Hand vorstellen kann.

Man wirft sich noch mutig in den Kampf, stürmt auf das Schlachtfeld mit der Tafel an der Stirnseite und wird freundlich von dem vertrauenserweckend aussehenden Mann mit Brille und Polohemd begrüßt. Er lächelt, doch später merkt man erst, dass dieses Lächeln keineswegs eine nette Einladung in die ausführlichere Form der Zahlenlehre ist, sondern mehr ein Zähnefletschen beim Anblick neuer, frischer und noch zuversichtlicher Beute. Es ist ein Zeichen der Freude über die neue Jagdsaison. Dabei ist er keiner der direkten Jäger, wie die Sprachgelehrten, die ihre Opfer gnadenlos mit ewigen Salven von Aufsätzen, Interpretationen und Analysen malträtieren und belagern, nein, er geht den Weg der psychischen Abnutzung.  Der gemeine Zahlenmeister zermürbt sein Ziel, in dem er vorgibt, alles bestens zu erklären. In Wirklichkeit bewaffnet er die mächtigen, doch eigentlich noch immer bezwingbaren, Kreaturen der rationalen Funktionen mit messerscharfen Fachbegriffen und Formeln. Bei Revolten einiger Weniger, die diese Taktik durchschauen, schlägt er mit der Unschuldsstrategie zu und entkommt den Vorwürfen wie ein Wolf im Schafspelz.

Man sieht zu beiden Seiten wackere Recken, die man selbst immer als Meister mit Bleistift und Rechner sah, fallen und kapitulieren, konfrontiert mit der übermächtigen Gegnerzahl und fängt selbst an, langsam in dem Treibsand der Resignation zu versinken.

Dieser Beitrag wurde unter Fiktion, Gedanken, Geschichten aus der Mottenkiste abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.
Nach oben

Comments

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert