Gestern war der erste Mai, der Tag der Arbeit. Anlässlich dieses Datums wollen wir einen Blick auf die Arbeitsverhältnisse im Gesundheitswesen werfen.
Lange bestehende Missstände werden jetzt, wie
unter einem Brennglas, deutlich. All das, was aktuell in den Zeitungen
Schlagzeilen macht: Zu wenig Pflegekräfte, zu wenig Material, enorme
Arbeitsbelastung. Diese Probleme sind nicht erst seit der Corona-Pandemie
relevant und bei weitem auch kein Zufall.
Die Einführung der diagnosebezogenen
Fallpauschalen (DRGs) und damit die Etablierung von Konkurrenz und
Marktprinzipien im Krankenhaus haben dazu geführt, dass massenhaft
Pflegepersonal eingespart wurde. So sollten Kosten gesenkt werden, vor allem um
die Profite privater Krankenhauskonzerne zu steigern. Seit 2004 sind mindestens
50.000 Stellen weggefallen, die nun bitter fehlen. Der heutige Personalmangel
in der Pflege und den anderen Gesundheitsberufen ist also kein Zufall, sondern
die Auswirkung eines gewollten politischen Prozesses.
Die hart erkämpften und gerade erst in Kraft
getretenen Personaluntergrenzen, die ein Mindestmaß an Pflegepersonal
sicherstellen sollten, wurde im Laufe der Pandemie wieder ausgesetzt. 12h
Arbeitstage sind keine Seltenheit, bis an die physischen, psychischen und
moralisch-ethischen Grenzen der Beschäftigten und darüber hinaus.
Für die Beschäftigten im – seit neuestem als
systemrelevant bezeichneten – Gesundheitssektor bedeuten diese Zustände schon
seit Jahren, dass sie Ihren Beruf nicht so ausüben können, wie sie es in Ihren
Ausbildungen lernen. Viel zu häufig zwingt ökonomischer Druck und mangelnde
Zeit sie dazu, Abstriche in der Versorgung der Ihnen anvertrauten Patient*innen
zu machen. Überlastung, Stress und schlechte Bezahlung sind an der
Tagesordnung.
All das führt dazu, dass Beschäftigte Ihren Beruf, den viele auch als Berufung ansehen, an den Nagel hängen. Der Begriff Pflexit, also das Verlassen der Pflegebranche zugunsten eines weniger belastenden und häufig besser bezahlten Berufs, ist inzwischen zum geflügelten Wort in den sozialen Netzwerken geworden.
Die Ökonomisierung des Gesundheitswesens führt
inzwischen vielfach dazu, dass Patient*innen das Vertrauen in die Heilberufe
verlieren. Ärzt*innen wird immer mehr unterstellt, bestimmte Diagnostik oder
Behandlungen nur durchzuführen weil sie lukrativ ist. Dies trifft in vielen
Fällen vermutlich zu, die Kritik landet allerdings an der falschen Adresse.
Nicht die Profitgier der Ärzt*innen ist das Problem, unser aktuelles Gesundheitssystem
zwingt sie in ökonomischen Maßstäben zu denken.
Um diesen Vertrauensverlust entgegen zu treten
ist es jetzt Aufgabe aller Beschäftigten das aktuelle Gesundheitssystem zu
revolutionieren. Das kann alleine nicht gelingen. Berufsgruppenübergreifende
Solidarität, besonders durch die Ärzt*innen ist dabei essentiell. Nicht weil
die ärztliche Arbeit im Krankenhaus wichtiger ist als die der anderen
Berufsgruppen. Ohne Pflegende, Reinigungskräfte, Service-Dienstleister uvm.
Kann auch die beste Chirurg*in nicht operieren. Vielmehr, weil die Macht im
deutschen Gesundheitssystem äußerst ungleich verteilt ist. Die
Standesvertretungen der Ärzt*innen bestimmen maßgeblich die deutsche
Gesundheitspolitik mit, wobei zuallererst die anderen Berufsgruppen hintenüberfallen.
Eine wirkliche Verbesserung, für Beschäftigte und Patient*innen, kann
allerdings nur durch gemeinsame Kämpfe erreicht werden.