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Archive for März, 2011

Sandmann oder Sandhasen

Mittwoch, März 23rd, 2011

Mit dem Sandmann verbinden wir heute jenes putzige kleine Männchen, das allabendlich den Kindern eine große Portion Sand in die Augen bläst, damit diese zur Freude aller Eltern schnell und friedlich in einen langen Schlaf sinken. Bis das Sandmännchen in den späten 1950iger Jahren sowohl in Ost- wie in Westdeutschland eine Karriere als Kinderfreund begann, hatte das Wort des Sandmanns bereits eine lange Geschichte hinter sich gebracht.

Bereits aus dem Mittelalter ist die Berufsbezeichnung „Sandmann“ bekannt. Es handelte sich dabei um den Lieferanten von quarzhaltigen Sanden, die sich gut für Putz- und Schleifarbeiten verwenden ließen. Scheuersand fand in vielen Bereichen des Alltags Verwendung, besonders zum Putzen von Fußböden oder Zinn-, Kupfer- und Holzkesseln. Für den Wochenendputz am Samstag breitete man den Sand einfach auf dem Fußboden aus, lief den ganzen Tag über den Sand, kehrte ihn abends wieder ab und freute sich anschließend über den polierten Belag.

Der Job des Sandmanns war weder sozial besonders anerkannt, noch einfach oder reich belohnt. Leicht fiel die Arbeit noch aus, wenn der Sand im Tagebau zu gewinnen war. Weniger gemütlich wurde es, wenn zum Sandabbau größere Schachtanlagen erforderlich waren. Die Klagen über die Verwüstung der Landschaft durch den Sandabbau nahmen im 18. Jahrhundert zu, so dass teilweise gar Verbote erlassen wurden. Im Tagelohn galt der Sandabbau häufig auch als ein Minijob neben anderen. Frauen und Kinder halfen um den Sand zu hacken, sieben und zu verpacken. Anschließend zog der Sandkerl mit schrillem Trillern seiner Sandflöte durch die Stadt und bot den Sand an.

Sandmann nach E. T. A. Hoffmann

Sandmann nach E. T. A. Hoffmann

In der Literatur und Musik firmierte der Sandmann aufgrund seines geringen Sozialprestige bis ins späte 19. Jahrhundert vor allem als Kinderschreckgestalt. Besonders die Erzählung „Der Sandmann“ von E. T. A. Hoffmann nährte diesen Mythos einer Gestalt, die Kindern die Augen ausstach. Erst um die Jahrhundertwende kehrte sich das Motiv um, nun erschien das Sandmännchen als Freund der Kinder und Wächter des Schlafs.

Quellen:

Barbara Boock, Kinderlieder im sozialen Wandel. Einleitung, in: Dies. (Hg.), Kinderliederbücher 1770-2000. Eine annotierte, illustrierte Bibliografie, Münster 2007, S. 7-22.

Michaela Vieser und Irmela Schautz, Der Sandmann, in: Der Tagesspiegel vom 27.09.2009, http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/der-sandmann/1606722.html

Dochtschneuzer oder Lichtputzer

Freitag, März 11th, 2011

Schwarz, qualmend und dicht stand in der Pariser Opéra einst ein beißender Dampf, der wie in einer Bierbrauerei steil in die Höhe zog und sich unter der Kuppel des Theaters sammelte. Sowohl den Zuschauern als auch den Schauspielern war klar, dass hier der Lichtputzer, Dochtschneuzer oder später auch Lampinist, Lampier genannt, schlechte Arbeit geleistet hatte.

Was in den Zeiten von klammen kommunalen Kassen undenkbar wäre, repräsentierte in der Vormoderne einen wichtigen Berufszweig: Die Lichtputzer sorgten vor der Erfindung weitgehend rußfreier Lichter am Anfang des 19. Jahrhunderts für die adäquate Beleuchtung öffentlicher Einrichtungen, vor allem von Theatern und Bühnen. Damit wandelte sich das Berufsbild der Dochtschneuzer allmählich zum heutigen Beleuchter. Bis dahin waren Kerzen aus tierischem Fett und tropften bzw. blöckerten umso stärker, je länger der Docht wurde. Die Dochte mussten daher regelmäßig gekürzt (geschneutzt) werden. Niemand wollte Kunst im Dunst von mehreren Hundert qualmenden Kerzen „genießen“.

Daher zündeten die späteren Lampinisten nicht nur allabendlich die zahllosen Lichtquellen an, sie sorgten ebenso emsig für die Kürzung der Dochte oder betätigten sich als Feuerwehr. Schaffte es ein Lichtputzer die Bühnenlichter zu pflegen, ohne eine Kerze zum Erlöschen zu bringen, konnte ihm das auch schon mal einen Szenenapplaus oder andernfalls eben heftige Buhrufe einbringen. Aushilfsweise sprangen die Lichtputzer auch schon mal als Schauspieler ein oder betätigten sich als Theaterkritiker. Nicht zuletzt entstand der Begriff des „Lampenfiebers“ in dieser Zeit: Die Hitze der Kerzen sorgte für eine gut gewärmte Bühne und brachte die Schauspieler zum Schwitzen.

Quelle:

Rudi Palla, Verschwundene Arbeit. Von Barometermachern, Drahtziehern, Eichmeistern, Lustfeuerwerkern, Nachtwächtern, Planetenverkäufern, Roßtäuschern, Seifensiedern, Sesselträgern, Wäschermädeln und vielen anderen untergegangenen Berufen, Wien; München 2010, S. 134.

Michaela Vieser und Irmela Scheutz, Der Lichtputzer, http://www.irmela-schautz.de/de/pdf/lichtputzer.pdf [11.03.2011].

Balestermacher oder Pogner

Freitag, März 4th, 2011

Die Pogner oder Balestermacher vertreten die älteste Branche im Gewerbe der Büchsenmacher. Was die Berufsbezeichnung ja leider schon fast verrät, wird durch synonyme Begriffe wie Armbruster, Lademacher, Rüstmeister oder Büchsenschäfter offenbar. Es geht um die Hersteller von Armbrüsten, im Lateinischen mit dem schönen Wort arcoballista bezeichnet, und Bögen. Balester waren im Unterschied zu den mit Bolzen schießenden Armbrüsten Kugelgeschosse (Kugelschnäpper), die vor allem bei der Vogeljagd Einsatz fanden.

Bogner

Christoph Weigel, Abbildung und Beschreibung der Gemein-Nützlichen Hauptstände, Bogner, SLUB Dresden

Folgt man Christoph Weigel, einem der wichtigsten Chronisten der Berufswelt in der Vormoderne, so wurde die Armbrust von den Skythen erfunden und nahm besonders ab dem 9. Jahrhundert eine steile Karriere, bevor sie nach der europäischen Entdeckung des Schießpulvers durch allerhand Feuerwaffen Ersetzung fand. Schmiede, Schlosser und Glockengießer waren im 16. Jahrhundert flexibler als die Bogner. Sie sicherten sich den schnell wachsenden neuen Erwerbszweig, der die wachsenden Heere mit Waffen versorgte. Der Armbrustbau entwickelte sich nicht nur mehr und mehr zu einer Folklore, der Berufszweig der Balestermacher starb quasi aus.

Die Bogner waren als wichtiges Kriegshandwerker ein freies Handwerk. Es gab daher keine Meisterprüfungen, dafür aber genaue Auflagen welche Arten von eisernen und hölzernen Waffen angefertigt werden durften.

Quellen:

Eike Pies, Zünftige und andere Alte Berufe mit 222 zeitgenössischen Illustrationen und Zunftwappen, Solingen 1997, S. 35-37.

Christoph Weigel, Abbildung Der Gemein-Nützlichen Haupt-Stände Von denen Regenten Und ihren So in Friedens- als Kriegs-Zeiten zugeordneten Bedienten an, biß auf alle Künstler Und Handwercker, Regensburg 1698, SLUB Dresden: urn:nbn:de:bsz:14-db-id28062171X4