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Kniestreicher

Mai 24th, 2011 by Katrin Moeller

Der Kniestreicher, gefunden in der in Lübeck im Selbstverlag erschienen Sammlung von Berufsbezeichnungen des Lehrers und Genealogen Heinrich Gerholz, ist nun wahrlich ein Beruf, der vielfältige Assoziationen und Bilder in mir hervorruft. Allerdings bleibe ich als Frühneuzeithistorikerin natürlich realistisch: Das sich damit genauso wenig ein emotional besetzter Beruf der aufkommenden Dienstleistungsgesellschaft verbindet wie beim Süßholzraspler, liegt natürlich auf der Hand. Letzterer raspelte oft genug völlig unromantisch im Armenhaus eben nur das gleichnamige süßstoffhaltige Gewächs, statt liebliche Wörter zu flüstern.

Wenn jedoch der Kniestreicher nicht seine Profession darin fand, anderen Leuten zärtlich über das Bein zu streicheln, womit also verbrachte er also seinen Arbeitsalltag? Verwerfen dürfen wir schnell eine Analogie auf jede Art von Chirurg oder Bader, die sich auf die Behandlung des Knies spezialisierten. Die frühneuzeitlichen Behandlungsmethoden dürften zudem eher als Tätigkeit eines Knochenbrechers denn als -streichler zu klassifizieren sein. Um nicht weiter wild herumzuraten, greifen wir wieder nach unseren im Praxistest so gut bewährten Enzyklopädien und Lexika des 18. und 19. Jahrhunderts:

Tatsächlich: Sowohl Adelung, Grimm wie auch Krünitz kennen den Kniestreicher (alle sorgfältig voneinander abschreibend): Adelung führt durchaus hingebungsvoll aus, es handele sich dabei um sehr filigrane Kardätschen im Dänischen als „Knäkarte“ bezeichnet, mit „subtilsten“ Häkchen versehen, die auf keiner Krämpelbank Platz fanden und daher auf dem Knie befestigt wurden. So richtig weiter hilft das auch noch nicht, gibt aber wenigstens die Richtung vor, da Adelung, Grimm, Krünitz & Konsorten den damit in Verbindung stehenden Berufszweig verraten, der diesen geheimnisumwobenen Apparat nutzte: Die Wollkämmer.

Diese bereiteten die Wolle zum Spinnen vor, indem die Rohwolle zwischen zwei Kämmen mit stählernen Zinken vorbereitet wurde. Erst mit der Erfindung der maschinellen Kämmerei am Ende des 18. Jahrhunderts verlor der Beruf ganz allmählich an Bedeutung. Besondere Anerkennung erfuhren die Wollkämmerer nicht. Das meist nichtzünftige Gewerbe fand seine Ausübung oft in Zucht- und Arbeitshäusern. Aus dieser Perspektive ist es schon fast fragwürdig, warum ausgerechnet der „Süßholzsraspler“ wie auch der „Kniestreicher“ uns heute auf den ersten Blick zwei eher positiv konnotierte Motive nahelegen.

Quellen:

Gerholz-Kartei. Eine Sammlung alter Berufsbezeichnungen, Lübeck 2005, S. 164.
Pierer’s Universal-Lexikon, Bd. 19, Altenburg 1865, S. 343-344 [http://www.zeno.org/nid/20011304715].

Geschlachtwandner, Gewandschlachter oder Schlachtgewanter

Mai 9th, 2011 by Katrin Moeller

Nachdem mich die Leiterin der Marienbibliothek Halle heute zur Mittagspause mit einem schönen Link zum Angebot von einestags zu alten Berufen und ihrer Bebilderung an meine Blogpflichten erinnerte, möchte ich die Pause doch gleich für die Erklärung des Berufes des Geschlachtwandners, Gewandschlachter oder Schlachtgewanter nutzen.

Christoph Weigel, Abbildung und Beschreibung der Gemein-Nützlichen Hauptstände, Tuchmacher, SLUB Dresden

Christoph Weigel, Abbildung und Beschreibung der Gemein-Nützlichen Hauptstände, Tuchmacher, SLUB Dresden

Im Internet hat dieser alte Beruf schon eine kleine Deutungsgeschichte hinter sich gebracht und mutierte dabei etwa zum „Geschlachtswanderer„, einer vermuteten Art von mobilen Metzger. Auch wenn die direkte Übertragung des Wortteils „Geschlacht“ solche Schlüsse nahelegen könnte, mit dem Tipp des Fleischers liegt der Ratende leider deutlich, wenn auch nicht völlig daneben. Allerdings repräsentiert das Metzgerhandwerk Vertreter eines „ungeschlachten“ Berufszweiges. Man bewegt sich also im Bereich der Antonyme zum Wort „geschlacht“. Während jedoch das Wort „geschlacht“ aus unser heutigen Sprache mit Ausnahme einiger weniger Dialekte verschwunden ist, blieben Bezeichnungen für „ungeschlacht“ in einigen Formen und Bedeutungen erhalten: Eben auch in der Berufsbezeichnung des Schlachters.

Schaut man in einem einschlägigen Wörterbuch nach, so findet man im Grimmschen Wörterbuch etwa den Verweis auf das althochdeutsche Wort „gislaht“ oder mittelhochdeutsch „geslaht“, was so viel wie „Geschlecht“ bedeutet. Aber natürlich haben wir es hier auch nicht mit einem Geschlechtswandner oder etwa Geschlechtswandler im wortwörtlichem Sinn zu tun! Dennoch wandete der gesuchte Beruf Geschlechter. „Geschlacht“ bedeutet nach Grimm so viel wie „von Natur und Art eigen“ oder „angemessen“. Adelung und Krünitz verweisen eher auf die Wortbedeutung „wohlgestaltet“ und „von guter Art“.

Der zweite Wortteil „wandner“ ist einfacher zu erschließen. Das Gewand ist bis heute eine wenn auch nicht mehr allzu moderne, so doch durchaus gängige Bezeichnung für Bekleidung aus Stoffen aller Art. Eine umfängliche etymologische Herleitung des erst im 12. Jahrhundert auftauchenden Begriffes legte bereits vor mehr als hundert Jahren H. Wunderlich vor.

Zusammengesetzt ergibt der Beruf also die Tätigkeit eines „Feintuchmachers“ oder „Feintuchwebers“. Es handelte sich, im Gegensatz zur Berufsgruppe der Loder (Grobtuchmacher), also um die Spezialisten bei der Verfertigung edler und hochwertiger Stoffe. Welche Stoffe von welchem Geschlecht bzw. Stand zu tragen waren, regelten vor allem die zahlreichen Kleiderordnungen der Frühen Neuzeit bis ins kleinste Detail. Von daher wäre also selbst die Vorstellung eines „Geschlechtsgewandners“ nicht grundverkehrt. Die Zunft der Feintuchmacher bzw. Geschlachtwander ist aus vielen Städten als häufig einflussmächtige Berufsgruppe bekannt. 1555 nennt der Augsburger Reichsabschied sie als eine der wichtigsten Zünfte des Tuchmacherhandwerks, die relativ frühzeitig zur gewinnorientierten Produktion übergingen und daher in dieser Quelle reglementiert wurden.

Quellen:

Abschied der Röm[isch] königl[ichen] Majestät und gemeiner Stände auff dem Reichs-Tag zu Augsburg auffgericht, im Jahr 1555, § 136, Digitale Quelle in: Internetportal Westfälische Geschichte [http://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/portal/Internet/finde/langDatensatz.php?urlID=739&url_tabelle=tab_quelle].

Adrian Beier, Allgemeines Handlungs- Kunst- Berg- und Handwercks-Lexicon, Jena 1722, S. 146 [Google.Buchsuche: http://books.google.de/books?id=goRHAAAAYAAJ&dq].

Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, 16 Bde. in 32 Teilbänden, Leipzig 1854-1961, hier Bd. 5, Sp. 3896 sowie Bd. 6, Sp. 5237, [http://dwb.uni-trier.de/Projekte/WBB2009/DWB/wbgui_py?bookref=5,3896,65&mode=&prefix=ges&patternlist=].

Wilfried Reininghaus, Gewerbe in der frühen Neuzeit, München 1990, S. 25f.

H. Wunderlich, Gewand und Gewaete, in: Indogermanische Forschungen. Zeitschrift für Indogermanische Sprach- und Altertumskunde 14, 1903, S-. 406-420, [Reprint Online: De Gruyter: [http://www.reference-global.com/doi/pdf/10.1515/9783110242560.406]], S. 406-420.

Apengeter oder Affengießer

April 18th, 2011 by Katrin Moeller

Heute beschäftigt uns der Werdegang des Apengeters. Dieser Beruf, der heute nur noch überaus selten zu finden ist, verkörpert sozusagen die umgekehrte Geschichte des Hasennegers. Hier ist es nicht die Verballhornung des Wortes, die uns bei der etymologischen Erschließung des Tätigkeitsfeldes wenig weiter hilft. Sondern es handelt sich hier eher um eine Verlustgeschichte des Berufes selbst. Denn der Apengeter übte bereits im 14. Jahrhundert einen im mittelniederdeutschen Sprachbereich sehr häufig ausgeübten Beruf aus. Es geht um den sogenannten Rotgießer. Im 18./19. Jahrhundert übersetzten die Autoren des lexikalischen Weltwissens dieses Wort mit der Tätigkeitsbezeichnung des „Affengießers“.

Wie in vielen Zünften so teilte sich die Arbeit auch im Gießerhandwerk entlang einzelner Verfahren, Techniken, verarbeiteten Materialien oder Arbeitsschritten. Sehr viele Zünfte arbeiteten daher hoch spezialisiert. Neben den Rotgießern (Bronze, Messing) existierten andere Berufsgruppen wie etwa die Gelb- oder Grapengießer. Daneben produzierten Kannengießer, Stückgießer oder Glockengießer. Wie strikt auf solche Differenzierungen noch im 19. Jahrhundert gepocht wurde, zeigt die Definition des Rotgießers in Pierers Universal-Lexikon von 1862. Danach oblag dem Berufszweig nur das Gießen von hohlen und nicht zusammengelöteten, sondern lediglich verschraubten Waren.

Affenbecher, http://www.affen.ch/DesktopDefault.aspx?tabindex=11&tabid=2058&langid=1

Affenbecher

Die zahlreichen genealogischen Online-Berufsdatenbanken beschreiben den Apengeter als Produzent von Handwassergefäßen, Bütten, Taufbecken bzw. anderem liturgischen Gerät und kleineren Glocken. Dies ist zwar nicht grundsätzlich falsch, allerdings dürfte sich in dieser Tätigkeit bereits eine Ausdifferenzierung ihres einstigen Handwerks handeln. „Apen“ ist ursprünglich ein mittelniederdeutsches Wort. Nach Schiller/Lübben bedeutet es „verspotten“. Wie aber gießt man eine „Verspottung“ in ein Gefäß? Der Affengießer ist aber durchaus sprichwörtlich zu verstehen.

Eine klare Antwort fanden die „Braunschweigischen Alterthümern“ im 19. Jahrhundert: Der Affengießer produzierte einst vorrangig die kleine Figuren, Schmuckwerk, Tiere und zahlreiche andere kuriose Fabelwesen, die vornehmlich liturgisches Gefäß später aber auch Gebrauchsgestände bevölkerten und „Apen“ genannt wurden (Sack, 1861, S. 25). Sie trugen eine Vielzahl von symbolischen Bedeutungen. Der Affe selbst – oft mit einem Spiegel dargestellt – repräsentiert die Sünde der Eitelkeit oder weltlichen Begierde.

Quellen:

C. W. Sack, Alterthümer der Stadt und des Landes Braunschweig, Braunschweig 1861.

Pierer’s Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 394. [http://www.zeno.org/nid/2001077663X]

Karl Schiller und August Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch, Bremen  u.a., Bd. 1, 1875 – Bd. 6, 1881., hier Bd. 1, S. 119 [http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~cd2/drw/F4/schill1/g118-119.htm].

Tabagist

April 6th, 2011 by Katrin Moeller

Der Begriff Tabagist verführt ungemein zu einer leichten Analogie! Er klingt geradezu nach Tabak! Tatsächlich verbindet die Oeconomische Enzyclopedie von Krünitz den Begriff der Tabagie dann auch mit der Tabaksstube. Bereits im späten 16. Jahrhundert sollen danach einzelne Privatpersonen für die Apologeten des Rauchens Zimmer geöffnet haben, um diese zum gemeinsamen genüsslichen Schmöken einzuladen. Nicht zuletzt um dem immer stärkeren gesellschaftlichen Druck des Tabakverbots zu entgehen. Nach und nach entstanden daraus Bierhallen, Kneipen bzw. Wirtschaften. Begnügte man sich zunächst mit lustvollem Politisieren, ging man bald zum Kartenspiel, Billard und Kegeln über. Der Tabagist ist also ein Schankwirt!

http://bckg.pagesperso-orange.fr/english/the_compleat_gamester.htm

Billardspiel 1674, Abbildung aus "The Compleat Gamester"

Frauen blieben von diesen Vergnügungen ausgeschlossen. Zwar richtete man im 18. Jahrhundert nach den Geschlechtern getrennte Zimmer ein, um den Frauen einen Zugang zu den neu entstehenden „Tanztabagien“ zu ermöglichen, das Tabakrauchen zählte allerdings nicht zu den geschlechtsspezifisch schicklichen Angewohnheiten.

Spätestens in der Aufklärung entsprachen diese Formen der Belustigungen nicht mehr den bildungsbürgerlichen Ansprüchen. Die Tabagie verkam immer mehr zu einem eher heruntergekommenen, leicht verruchten Ort der Unterschichten. Sie rückte daher in die Nähe von Bordell und zügellosen Orten, die nichts mehr mit der Kaffeehauskultur aufklärerischer Kreise des 17. und 18. Jahrhunderts gemein hatte.

Allerdings dürfte Krünitz mit der von ihm hergeleiteten Bedeutung des Berufes Tabagist aus der Tabagie gründlich irren. Bereits der lateinische Begriff „taberna“ mit der dazugehörigen Berufsbezeichnung „tabernarius“ bezeichnete einen Budenbesitzer oder Schankwirt, lange bevor der Tabak von den Europäern entdeckt wurde. Schon in der Antike bezeichnete man mit diesem Wort eine Kneipe, die bevorzugt in einer Mietskaserne betrieben wurde.

Quellen:

Charles Cotton, The Compleat Gamester: or Instructions – How to play at Billiards, Trucks, Bowls and Chess – together with all manner of usual and most Gentile Games either on Cards or Dice – to which is added the Arts and Mysteries of Riding, Racing, Archery and Cock-Fighting, London 1674. Quelle:  http://bckg.pagesperso-orange.fr/english/the_compleat_gamester.htm.

Karl Ernst Georges: Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch. Hannover 81918 (Nachdruck Darmstadt 1998), Band 2, Sp. 3001 [http://www.zeno.org/nid/20002682354].

Johann Georg Krünitz, Oekonomische Encyklopädie oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- und Landwirthschaft, 1773-1858, hier Bd. 179, 1742, Sp. 4ff., http://www.kruenitz1.uni-trier.de/background/entries_vol179a.htm.

Sandmann oder Sandhasen

März 23rd, 2011 by Katrin Moeller

Mit dem Sandmann verbinden wir heute jenes putzige kleine Männchen, das allabendlich den Kindern eine große Portion Sand in die Augen bläst, damit diese zur Freude aller Eltern schnell und friedlich in einen langen Schlaf sinken. Bis das Sandmännchen in den späten 1950iger Jahren sowohl in Ost- wie in Westdeutschland eine Karriere als Kinderfreund begann, hatte das Wort des Sandmanns bereits eine lange Geschichte hinter sich gebracht.

Bereits aus dem Mittelalter ist die Berufsbezeichnung „Sandmann“ bekannt. Es handelte sich dabei um den Lieferanten von quarzhaltigen Sanden, die sich gut für Putz- und Schleifarbeiten verwenden ließen. Scheuersand fand in vielen Bereichen des Alltags Verwendung, besonders zum Putzen von Fußböden oder Zinn-, Kupfer- und Holzkesseln. Für den Wochenendputz am Samstag breitete man den Sand einfach auf dem Fußboden aus, lief den ganzen Tag über den Sand, kehrte ihn abends wieder ab und freute sich anschließend über den polierten Belag.

Der Job des Sandmanns war weder sozial besonders anerkannt, noch einfach oder reich belohnt. Leicht fiel die Arbeit noch aus, wenn der Sand im Tagebau zu gewinnen war. Weniger gemütlich wurde es, wenn zum Sandabbau größere Schachtanlagen erforderlich waren. Die Klagen über die Verwüstung der Landschaft durch den Sandabbau nahmen im 18. Jahrhundert zu, so dass teilweise gar Verbote erlassen wurden. Im Tagelohn galt der Sandabbau häufig auch als ein Minijob neben anderen. Frauen und Kinder halfen um den Sand zu hacken, sieben und zu verpacken. Anschließend zog der Sandkerl mit schrillem Trillern seiner Sandflöte durch die Stadt und bot den Sand an.

Sandmann nach E. T. A. Hoffmann

Sandmann nach E. T. A. Hoffmann

In der Literatur und Musik firmierte der Sandmann aufgrund seines geringen Sozialprestige bis ins späte 19. Jahrhundert vor allem als Kinderschreckgestalt. Besonders die Erzählung „Der Sandmann“ von E. T. A. Hoffmann nährte diesen Mythos einer Gestalt, die Kindern die Augen ausstach. Erst um die Jahrhundertwende kehrte sich das Motiv um, nun erschien das Sandmännchen als Freund der Kinder und Wächter des Schlafs.

Quellen:

Barbara Boock, Kinderlieder im sozialen Wandel. Einleitung, in: Dies. (Hg.), Kinderliederbücher 1770-2000. Eine annotierte, illustrierte Bibliografie, Münster 2007, S. 7-22.

Michaela Vieser und Irmela Schautz, Der Sandmann, in: Der Tagesspiegel vom 27.09.2009, http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/der-sandmann/1606722.html

Dochtschneuzer oder Lichtputzer

März 11th, 2011 by Katrin Moeller

Schwarz, qualmend und dicht stand in der Pariser Opéra einst ein beißender Dampf, der wie in einer Bierbrauerei steil in die Höhe zog und sich unter der Kuppel des Theaters sammelte. Sowohl den Zuschauern als auch den Schauspielern war klar, dass hier der Lichtputzer, Dochtschneuzer oder später auch Lampinist, Lampier genannt, schlechte Arbeit geleistet hatte.

Was in den Zeiten von klammen kommunalen Kassen undenkbar wäre, repräsentierte in der Vormoderne einen wichtigen Berufszweig: Die Lichtputzer sorgten vor der Erfindung weitgehend rußfreier Lichter am Anfang des 19. Jahrhunderts für die adäquate Beleuchtung öffentlicher Einrichtungen, vor allem von Theatern und Bühnen. Damit wandelte sich das Berufsbild der Dochtschneuzer allmählich zum heutigen Beleuchter. Bis dahin waren Kerzen aus tierischem Fett und tropften bzw. blöckerten umso stärker, je länger der Docht wurde. Die Dochte mussten daher regelmäßig gekürzt (geschneutzt) werden. Niemand wollte Kunst im Dunst von mehreren Hundert qualmenden Kerzen „genießen“.

Daher zündeten die späteren Lampinisten nicht nur allabendlich die zahllosen Lichtquellen an, sie sorgten ebenso emsig für die Kürzung der Dochte oder betätigten sich als Feuerwehr. Schaffte es ein Lichtputzer die Bühnenlichter zu pflegen, ohne eine Kerze zum Erlöschen zu bringen, konnte ihm das auch schon mal einen Szenenapplaus oder andernfalls eben heftige Buhrufe einbringen. Aushilfsweise sprangen die Lichtputzer auch schon mal als Schauspieler ein oder betätigten sich als Theaterkritiker. Nicht zuletzt entstand der Begriff des „Lampenfiebers“ in dieser Zeit: Die Hitze der Kerzen sorgte für eine gut gewärmte Bühne und brachte die Schauspieler zum Schwitzen.

Quelle:

Rudi Palla, Verschwundene Arbeit. Von Barometermachern, Drahtziehern, Eichmeistern, Lustfeuerwerkern, Nachtwächtern, Planetenverkäufern, Roßtäuschern, Seifensiedern, Sesselträgern, Wäschermädeln und vielen anderen untergegangenen Berufen, Wien; München 2010, S. 134.

Michaela Vieser und Irmela Scheutz, Der Lichtputzer, http://www.irmela-schautz.de/de/pdf/lichtputzer.pdf [11.03.2011].

Balestermacher oder Pogner

März 4th, 2011 by Katrin Moeller

Die Pogner oder Balestermacher vertreten die älteste Branche im Gewerbe der Büchsenmacher. Was die Berufsbezeichnung ja leider schon fast verrät, wird durch synonyme Begriffe wie Armbruster, Lademacher, Rüstmeister oder Büchsenschäfter offenbar. Es geht um die Hersteller von Armbrüsten, im Lateinischen mit dem schönen Wort arcoballista bezeichnet, und Bögen. Balester waren im Unterschied zu den mit Bolzen schießenden Armbrüsten Kugelgeschosse (Kugelschnäpper), die vor allem bei der Vogeljagd Einsatz fanden.

Bogner

Christoph Weigel, Abbildung und Beschreibung der Gemein-Nützlichen Hauptstände, Bogner, SLUB Dresden

Folgt man Christoph Weigel, einem der wichtigsten Chronisten der Berufswelt in der Vormoderne, so wurde die Armbrust von den Skythen erfunden und nahm besonders ab dem 9. Jahrhundert eine steile Karriere, bevor sie nach der europäischen Entdeckung des Schießpulvers durch allerhand Feuerwaffen Ersetzung fand. Schmiede, Schlosser und Glockengießer waren im 16. Jahrhundert flexibler als die Bogner. Sie sicherten sich den schnell wachsenden neuen Erwerbszweig, der die wachsenden Heere mit Waffen versorgte. Der Armbrustbau entwickelte sich nicht nur mehr und mehr zu einer Folklore, der Berufszweig der Balestermacher starb quasi aus.

Die Bogner waren als wichtiges Kriegshandwerker ein freies Handwerk. Es gab daher keine Meisterprüfungen, dafür aber genaue Auflagen welche Arten von eisernen und hölzernen Waffen angefertigt werden durften.

Quellen:

Eike Pies, Zünftige und andere Alte Berufe mit 222 zeitgenössischen Illustrationen und Zunftwappen, Solingen 1997, S. 35-37.

Christoph Weigel, Abbildung Der Gemein-Nützlichen Haupt-Stände Von denen Regenten Und ihren So in Friedens- als Kriegs-Zeiten zugeordneten Bedienten an, biß auf alle Künstler Und Handwercker, Regensburg 1698, SLUB Dresden: urn:nbn:de:bsz:14-db-id28062171X4

Plumassier

Februar 25th, 2011 by Katrin Moeller

Mit der Bezeichnung Plumassier oder auch Panachier, Bouquetiers, Enjoliveurs unternehmen wir heute einen kleinen Ausflug in die zunächst eher französische Berufswelt. Später verbreitete sich der Beruf allerdings auch im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nationen. Als ein wichtiges Zentrum dieses Gewerbes galt schließlich Sachsen.  Johann Georg Krünitz schrieb dazu in seiner zwischen 1773 und 1858 verfassten Oeconomischen Encyclopädie, der Plumassier verfertige „die niederliegende Feder oder Plümage auf dem Hute der Mannspersonen, und den aufgestutzten Federbusch oder Federstrauß auf dem Haupte der Fürsten, Ritter, Cavalleristen, Schauspieler, Frauenzimmer, Pferde, imgleichen auf Baldachinen und Himmelbetten, von Strauß= Reiher= Pfauen= Kranich= und andern Federn“.  Es geht also um den Beruf des Federschmückers, Federputzers oder Federputzmachers, eine Branche die vor allem für die Luxusgüterproduktion tätig wurde und in einem nicht unbeträchtlichem Ausmaß Frauenarbeit verkörperte.

Plumassier

Plumassier oder Panachier, Kupferstich, Diderot d´Alembert, L'Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, Planches Bd. 7, Livorno 1771.

Der Plumassier bzw. die Federputzmacherin unterzog die verschiedenen Federsorten einer gründlichen Reinigung und Spezialbehandlung, die zum Färben und zur Halbarmachung diente.  Eiweiß, Gummiwasser oder eine Vitriollösung fand dazu Verwendung. Während der Federschmuck zunächst bevorzugtes Privileg des Adels und des Militärs war, verbreitete sich in der Frühen Neuzeit das Tragen von Federn als modisches Assessoire der gehobenen Damen- und Kinderbekleidung.  Überaus selten blieb dagegen die Kunst, Federmosaike zu fertigen.

Quellen: Johann Georg Krünitz, Oekonomische Encyklopädie oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- und Landwirthschaft, 1773-1858, hier Bd. 12 1777, S. 394, http://www.kruenitz1.uni-trier.de/xxx/p/kp05730.htm.

Rudi Palla, Verschwundene Arbeit. Von Barometermachern, Drahtziehern, Eichmeistern, Lustfeuerwerkern, Nachtwächtern, Planetenverkäufern, Roßtäuschern, Seifensiedern, Sesselträgern, Wäschermädeln und vielen anderen untergegangenen Berufen, Wien; München 2010, S. 62-64.

Hasenneger

Februar 19th, 2011 by Katrin Moeller

Sie haben hier die hoffentlich unterhaltsame Chance, ein Semester lang das Seminar am Institut für Geschichte „Roßtäuscher, Bolettenweiber und Lebtreter. Historische Berufe und ihr Tätigkeitsprofil“ ratend mitzubegleiten. In loser Folge werden Berufe der Vormoderne (bis 1800) vorgestellt, deren Bezeichnungen heute häufig vergessen sind oder aber einen langen sprachgeschichtlichen Weg und Beudeutngswandel hinter sich gebracht haben.

Wir starten mit der Berufsbezeichnung Hasenneger.  Wer hier auf schwarze Hasenjäger tippt, liegt schon mal vollkommen falsch! Der Begriff „Hasenneger“ ist sehr viel älter als die diskriminierende Beschimpfung „Neger“. Sie stammt bereits aus dem Mittelalter, als man Afrikaner üblicherweise als Mohren bezeichnete. Auch wer an einen Produkteur von Hasengarn denkt, ein besonders starkes Garn welches zum Fischfang und zur Hasenjagd gebraucht wurde, rät leider ebenso falsch.

Beim Hasenneger handelt es sich um die mittelniederdeutsche Bezeichnung eines Leinhöslers. Sie bezeichnet so etwas wie einen Hosennäher. Allerdings durfte der Hasenneger keine „Büchsen“ – also echte Hosen – herstellen, sondern lediglich Unterhosen. Ob es sich dabei allerdings eher um Dessous oder doch eher Strümpfe handelte, bliebe zu hinterfragen. Auf jeden Fall werden die Hosenneger in der Geschichte der Strumpfwirker immer wieder erwähnt.  Das Gegenstück des Leinhöslers bzw. Hasennegers war übrigens der Plaidmacher, der Hemden und Unterwäsche anfertigte.

Quellen:

Erwin Volckmann, Alte Gewerbe und Gewerbegassen. Deutsche Beurfs-, Handwerks- und Wirtschaftsgeschichte älterer Zeit, Leipzig 1977, Reprint der Ausgabe 1921, S. 52.

Johann von Leers, Das Lebensbild des deutschen Handwerks, München 1938, S. 203.